Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748.

Bild:
<< vorherige Seite

zum irdischen Vergnügen in Gott.

Wodurch man gleich wird wollen lernen, was gut, was
bös ist, nicht zu wollen,

Zu thun das Gute, weil es nützlich, das nicht zu thun,
was wir nicht sollen,

Wenn wir von der verbotnen Sache die wahre Schäd-
lichkeit erkannt.

Ein solch Erkennen setzet uns, ohn' allen Zweifel, in den
Stand,

Daß unser Wille, sonder Mühe, sich für das Gute wird
erklären,

Und daß man ein erkanntes Uebel nicht, wie vorhero, wird
begehren.

Der Will, ohn einen mehrentheils für uns fatalen
Kampf und Streit,
(So lang er nämlich im Verbotnen noch eine Lust und
Süßigkeit

Zu finden meynet und verhofft, und doch das Gegentheil
soll wählen)

Wird von ihm selbst, aus Eigenlieb', und sonder Zwang,
ein wahres Gut,

Wenn wir es erst für gut erkannt, nur wollen. Dieses
kann nicht fehlen,

Weil niemand leicht, ihm selbst zum Schaden, was will,
verlanget, oder thut.

Sprich nicht: du irrest; denn wir wissen, daß oftermal
in unsern Seelen

Wir eine Sach' als gut erkennen, und darum doch das
Böse wählen *.

Sprich, sag' ich, dieses nicht. Denn hör'! ein solcher,
der was Böses thut,
Ver-
* Video meliora, proboque, deteriora sequor.
G g 4

zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Wodurch man gleich wird wollen lernen, was gut, was
boͤs iſt, nicht zu wollen,

Zu thun das Gute, weil es nuͤtzlich, das nicht zu thun,
was wir nicht ſollen,

Wenn wir von der verbotnen Sache die wahre Schaͤd-
lichkeit erkannt.

Ein ſolch Erkennen ſetzet uns, ohn’ allen Zweifel, in den
Stand,

Daß unſer Wille, ſonder Muͤhe, ſich fuͤr das Gute wird
erklaͤren,

Und daß man ein erkanntes Uebel nicht, wie vorhero, wird
begehren.

Der Will, ohn einen mehrentheils fuͤr uns fatalen
Kampf und Streit,
(So lang er naͤmlich im Verbotnen noch eine Luſt und
Suͤßigkeit

Zu finden meynet und verhofft, und doch das Gegentheil
ſoll waͤhlen)

Wird von ihm ſelbſt, aus Eigenlieb’, und ſonder Zwang,
ein wahres Gut,

Wenn wir es erſt fuͤr gut erkannt, nur wollen. Dieſes
kann nicht fehlen,

Weil niemand leicht, ihm ſelbſt zum Schaden, was will,
verlanget, oder thut.

Sprich nicht: du irreſt; denn wir wiſſen, daß oftermal
in unſern Seelen

Wir eine Sach’ als gut erkennen, und darum doch das
Boͤſe waͤhlen *.

Sprich, ſag’ ich, dieſes nicht. Denn hoͤr’! ein ſolcher,
der was Boͤſes thut,
Ver-
* Video meliora, proboque, deteriora ſequor.
G g 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg n="21">
            <l>
              <pb facs="#f0491" n="471"/>
              <fw place="top" type="header">zum irdi&#x017F;chen Vergnu&#x0364;gen in Gott.</fw>
            </l><lb/>
            <l>Wodurch man gleich wird wollen lernen, was gut, was<lb/><hi rendition="#et">bo&#x0364;s i&#x017F;t, nicht zu wollen,</hi></l><lb/>
            <l>Zu thun das Gute, weil es nu&#x0364;tzlich, das nicht zu thun,<lb/><hi rendition="#et">was wir nicht &#x017F;ollen,</hi></l><lb/>
            <l>Wenn wir von der verbotnen Sache die wahre Scha&#x0364;d-<lb/><hi rendition="#et">lichkeit erkannt.</hi></l><lb/>
            <l>Ein &#x017F;olch Erkennen &#x017F;etzet uns, ohn&#x2019; allen Zweifel, in den<lb/><hi rendition="#et">Stand,</hi></l><lb/>
            <l>Daß un&#x017F;er Wille, &#x017F;onder Mu&#x0364;he, &#x017F;ich fu&#x0364;r das Gute wird<lb/><hi rendition="#et">erkla&#x0364;ren,</hi></l><lb/>
            <l>Und daß man ein erkanntes Uebel nicht, wie vorhero, wird<lb/><hi rendition="#et">begehren.</hi></l>
          </lg><lb/>
          <lg n="22">
            <l>Der Will, ohn einen mehrentheils fu&#x0364;r uns fatalen<lb/><hi rendition="#et">Kampf und Streit,</hi><lb/>
(So lang er na&#x0364;mlich im Verbotnen noch eine Lu&#x017F;t und<lb/><hi rendition="#et">Su&#x0364;ßigkeit</hi></l><lb/>
            <l>Zu finden meynet und verhofft, und doch das Gegentheil<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;oll wa&#x0364;hlen)</hi></l><lb/>
            <l>Wird von ihm &#x017F;elb&#x017F;t, aus Eigenlieb&#x2019;, und &#x017F;onder Zwang,<lb/><hi rendition="#et">ein wahres Gut,</hi></l><lb/>
            <l>Wenn wir es er&#x017F;t fu&#x0364;r gut erkannt, nur wollen. Die&#x017F;es<lb/><hi rendition="#et">kann nicht fehlen,</hi></l><lb/>
            <l>Weil niemand leicht, ihm &#x017F;elb&#x017F;t zum Schaden, was will,<lb/><hi rendition="#et">verlanget, oder thut.</hi></l><lb/>
            <l>Sprich nicht: du irre&#x017F;t; denn wir wi&#x017F;&#x017F;en, daß oftermal<lb/><hi rendition="#et">in un&#x017F;ern Seelen</hi></l><lb/>
            <l>Wir eine Sach&#x2019; als gut erkennen, und darum doch das<lb/><hi rendition="#et">Bo&#x0364;&#x017F;e wa&#x0364;hlen <note place="foot" n="*"><hi rendition="#aq">Video meliora, proboque, deteriora &#x017F;equor.</hi></note>.</hi></l><lb/>
            <l>Sprich, &#x017F;ag&#x2019; ich, die&#x017F;es nicht. Denn ho&#x0364;r&#x2019;! ein &#x017F;olcher,<lb/><hi rendition="#et">der was Bo&#x0364;&#x017F;es thut,</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">G g 4</fw><fw place="bottom" type="catch">Ver-</fw><lb/></l>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[471/0491] zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott. Wodurch man gleich wird wollen lernen, was gut, was boͤs iſt, nicht zu wollen, Zu thun das Gute, weil es nuͤtzlich, das nicht zu thun, was wir nicht ſollen, Wenn wir von der verbotnen Sache die wahre Schaͤd- lichkeit erkannt. Ein ſolch Erkennen ſetzet uns, ohn’ allen Zweifel, in den Stand, Daß unſer Wille, ſonder Muͤhe, ſich fuͤr das Gute wird erklaͤren, Und daß man ein erkanntes Uebel nicht, wie vorhero, wird begehren. Der Will, ohn einen mehrentheils fuͤr uns fatalen Kampf und Streit, (So lang er naͤmlich im Verbotnen noch eine Luſt und Suͤßigkeit Zu finden meynet und verhofft, und doch das Gegentheil ſoll waͤhlen) Wird von ihm ſelbſt, aus Eigenlieb’, und ſonder Zwang, ein wahres Gut, Wenn wir es erſt fuͤr gut erkannt, nur wollen. Dieſes kann nicht fehlen, Weil niemand leicht, ihm ſelbſt zum Schaden, was will, verlanget, oder thut. Sprich nicht: du irreſt; denn wir wiſſen, daß oftermal in unſern Seelen Wir eine Sach’ als gut erkennen, und darum doch das Boͤſe waͤhlen *. Sprich, ſag’ ich, dieſes nicht. Denn hoͤr’! ein ſolcher, der was Boͤſes thut, Ver- * Video meliora, proboque, deteriora ſequor. G g 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/491
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 471. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/491>, abgerufen am 25.11.2024.