Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748.

Bild:
<< vorherige Seite
zum irdischen Vergnügen in Gott.
Verlängerung unserer
Tage.
Klage nicht, daß unsre Zeit
Mit so rascher Flüchtigkeit
Fliegt, verschwindet, eilt, vergehet,
Und, recht wie der Wind, verwehet!
Möchtest du nur oft erwägen,
Daß du bist, und Gottes Macht,
Jn der Kreaturen Pracht,
Mit Vergnügen überlegen;
Würden dadurch hier auf Erden
Deine flüchtige Secunden
Dir zu angenehmen Stunden,
Die Minuten Tage werden.
Jst die Zeit, vor sich, doch nichts! Deine Daur
ist deine Zeit,

Denkest du nun nicht auf dich; rafft dich die Vergäng-
lichkeit

Ungefühlet mit sich fort, und es scheinet sich dein
Ende

Mit dem Anfang zu verknüpfen. Wie ein, durch der
Uhren Schlag

Gar nicht eingetheilter, Tag,
Als ein stiller Fluß, behende
Und recht unvermerkt verschwindet,
Da am angebrochnen Morgen sich der Abend gleichsam
bindet:
So
B b 2
zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Verlaͤngerung unſerer
Tage.
Klage nicht, daß unſre Zeit
Mit ſo raſcher Fluͤchtigkeit
Fliegt, verſchwindet, eilt, vergehet,
Und, recht wie der Wind, verwehet!
Moͤchteſt du nur oft erwaͤgen,
Daß du biſt, und Gottes Macht,
Jn der Kreaturen Pracht,
Mit Vergnuͤgen uͤberlegen;
Wuͤrden dadurch hier auf Erden
Deine fluͤchtige Secunden
Dir zu angenehmen Stunden,
Die Minuten Tage werden.
Jſt die Zeit, vor ſich, doch nichts! Deine Daur
iſt deine Zeit,

Denkeſt du nun nicht auf dich; rafft dich die Vergaͤng-
lichkeit

Ungefuͤhlet mit ſich fort, und es ſcheinet ſich dein
Ende

Mit dem Anfang zu verknuͤpfen. Wie ein, durch der
Uhren Schlag

Gar nicht eingetheilter, Tag,
Als ein ſtiller Fluß, behende
Und recht unvermerkt verſchwindet,
Da am angebrochnen Morgen ſich der Abend gleichſam
bindet:
So
B b 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0407" n="387"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">zum irdi&#x017F;chen Vergnu&#x0364;gen in Gott.</hi> </fw><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#b">Verla&#x0364;ngerung un&#x017F;erer</hi><lb/>
Tage.</head><lb/>
          <lg n="15">
            <l><hi rendition="#in">K</hi>lage nicht, daß un&#x017F;re Zeit</l><lb/>
            <l>Mit &#x017F;o ra&#x017F;cher Flu&#x0364;chtigkeit</l><lb/>
            <l>Fliegt, ver&#x017F;chwindet, eilt, vergehet,</l><lb/>
            <l>Und, recht wie der Wind, verwehet!</l><lb/>
            <l>Mo&#x0364;chte&#x017F;t du nur oft erwa&#x0364;gen,</l><lb/>
            <l>Daß du bi&#x017F;t, und Gottes Macht,</l><lb/>
            <l>Jn der Kreaturen Pracht,</l><lb/>
            <l>Mit Vergnu&#x0364;gen u&#x0364;berlegen;</l><lb/>
            <l>Wu&#x0364;rden dadurch hier auf Erden</l><lb/>
            <l>Deine flu&#x0364;chtige Secunden</l><lb/>
            <l>Dir zu angenehmen Stunden,</l><lb/>
            <l>Die Minuten Tage werden.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="16">
            <l>J&#x017F;t die Zeit, vor &#x017F;ich, doch nichts! Deine Daur<lb/><hi rendition="#et">i&#x017F;t deine Zeit,</hi></l><lb/>
            <l>Denke&#x017F;t du nun nicht auf dich; rafft dich die Verga&#x0364;ng-<lb/><hi rendition="#et">lichkeit</hi></l><lb/>
            <l>Ungefu&#x0364;hlet mit &#x017F;ich fort, und es &#x017F;cheinet &#x017F;ich dein<lb/><hi rendition="#et">Ende</hi></l><lb/>
            <l>Mit dem Anfang zu verknu&#x0364;pfen. Wie ein, durch der<lb/><hi rendition="#et">Uhren Schlag</hi></l><lb/>
            <l>Gar nicht eingetheilter, Tag,</l><lb/>
            <l>Als ein &#x017F;tiller Fluß, behende</l><lb/>
            <l>Und recht unvermerkt ver&#x017F;chwindet,</l><lb/>
            <l>Da am angebrochnen Morgen &#x017F;ich der Abend gleich&#x017F;am<lb/><hi rendition="#et">bindet:</hi></l>
          </lg><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">B b 2</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">So</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[387/0407] zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott. Verlaͤngerung unſerer Tage. Klage nicht, daß unſre Zeit Mit ſo raſcher Fluͤchtigkeit Fliegt, verſchwindet, eilt, vergehet, Und, recht wie der Wind, verwehet! Moͤchteſt du nur oft erwaͤgen, Daß du biſt, und Gottes Macht, Jn der Kreaturen Pracht, Mit Vergnuͤgen uͤberlegen; Wuͤrden dadurch hier auf Erden Deine fluͤchtige Secunden Dir zu angenehmen Stunden, Die Minuten Tage werden. Jſt die Zeit, vor ſich, doch nichts! Deine Daur iſt deine Zeit, Denkeſt du nun nicht auf dich; rafft dich die Vergaͤng- lichkeit Ungefuͤhlet mit ſich fort, und es ſcheinet ſich dein Ende Mit dem Anfang zu verknuͤpfen. Wie ein, durch der Uhren Schlag Gar nicht eingetheilter, Tag, Als ein ſtiller Fluß, behende Und recht unvermerkt verſchwindet, Da am angebrochnen Morgen ſich der Abend gleichſam bindet: So B b 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/407
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/407>, abgerufen am 27.12.2024.