Laßt uns zu Anfang überhaupt, So weit es die Vernunft erlaubt, Der Sünden Wesen überlegen, Dieweil wir leider! insgemein Durchs bloße Wort betrogen seyn, Und im Begriff zu irren pflegen. Es scheinet meines Geistes Blicken, Daß, in der Art, sich auszudrücken, Verbrechen, Uebertretung, Sünde, Jch einerley Bedeutung finde. Nun ist die Wahrheit allgemein, Worauf ich meine Schlüsse gründe; Soll Uebertreten und soll Sünde, Muß ein Gesetz vorhanden seyn. Nun muß man ein Gesetz erkennen, Wofern es uns verbinden soll. Wird man ein solch Gesetz nun wohl Aus eigner Kraft erkennen können? O ja. Es ist in unserm Geist Unwidersprechlich eine Kraft, Die eine Richtereigenschaft Vom Guten und vom Bösen weist. Allein, die Kraft ist einfach nur; Und sonder alle Künsteleyen, Wodurch die Menschen sie entweihen, Jst das Gesetze der Natur, Das die Vernunft uns selbst entdecket, Und bloß in dieser Vorschrift stecket:
Was du nicht willt, daß dir geschicht, Das thu auch einem andern nicht. Dieß Recht ist göttlich, und wir finden Ohn Widerspruch, daß eigentlich
Die
zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Laßt uns zu Anfang uͤberhaupt, So weit es die Vernunft erlaubt, Der Suͤnden Weſen uͤberlegen, Dieweil wir leider! insgemein Durchs bloße Wort betrogen ſeyn, Und im Begriff zu irren pflegen. Es ſcheinet meines Geiſtes Blicken, Daß, in der Art, ſich auszudruͤcken, Verbrechen, Uebertretung, Suͤnde, Jch einerley Bedeutung finde. Nun iſt die Wahrheit allgemein, Worauf ich meine Schluͤſſe gruͤnde; Soll Uebertreten und ſoll Suͤnde, Muß ein Geſetz vorhanden ſeyn. Nun muß man ein Geſetz erkennen, Wofern es uns verbinden ſoll. Wird man ein ſolch Geſetz nun wohl Aus eigner Kraft erkennen koͤnnen? O ja. Es iſt in unſerm Geiſt Unwiderſprechlich eine Kraft, Die eine Richtereigenſchaft Vom Guten und vom Boͤſen weiſt. Allein, die Kraft iſt einfach nur; Und ſonder alle Kuͤnſteleyen, Wodurch die Menſchen ſie entweihen, Jſt das Geſetze der Natur, Das die Vernunft uns ſelbſt entdecket, Und bloß in dieſer Vorſchrift ſtecket:
Was du nicht willt, daß dir geſchicht, Das thu auch einem andern nicht. Dieß Recht iſt goͤttlich, und wir finden Ohn Widerſpruch, daß eigentlich
Die
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zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Laßt uns zu Anfang uͤberhaupt,
So weit es die Vernunft erlaubt,
Der Suͤnden Weſen uͤberlegen,
Dieweil wir leider! insgemein
Durchs bloße Wort betrogen ſeyn,
Und im Begriff zu irren pflegen.
Es ſcheinet meines Geiſtes Blicken,
Daß, in der Art, ſich auszudruͤcken,
Verbrechen, Uebertretung, Suͤnde,
Jch einerley Bedeutung finde.
Nun iſt die Wahrheit allgemein,
Worauf ich meine Schluͤſſe gruͤnde;
Soll Uebertreten und ſoll Suͤnde,
Muß ein Geſetz vorhanden ſeyn.
Nun muß man ein Geſetz erkennen,
Wofern es uns verbinden ſoll.
Wird man ein ſolch Geſetz nun wohl
Aus eigner Kraft erkennen koͤnnen?
O ja. Es iſt in unſerm Geiſt
Unwiderſprechlich eine Kraft,
Die eine Richtereigenſchaft
Vom Guten und vom Boͤſen weiſt.
Allein, die Kraft iſt einfach nur;
Und ſonder alle Kuͤnſteleyen,
Wodurch die Menſchen ſie entweihen,
Jſt das Geſetze der Natur,
Das die Vernunft uns ſelbſt entdecket,
Und bloß in dieſer Vorſchrift ſtecket:
Was du nicht willt, daß dir geſchicht,
Das thu auch einem andern nicht.
Dieß Recht iſt goͤttlich, und wir finden
Ohn Widerſpruch, daß eigentlich
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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/371>, abgerufen am 16.02.2025.
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