Etwan so erschaffen müssen, daß das menschliche Ge- schlechte Aller Dinge Grund erkennte, wenn es sie nur über- dächte, Und fast besser, als ein Engel, sich begreif, und alles weis? Jch erkenn den großen Vorzug, welchen wir, vor an- dern Thieren, An weit feinern Seelenkräften in der That in uns ver- spüren; Aber, daß sich diese Kraft so unendlich weit erstrecke, Daß sich uns hier alles das, was ein Engel faßt, ent- decke: Dieß wär ein zu großer Sprung, welchen wir, in allen Werken Der bewegenden Natur, nirgend sehen, nirgend mer- ken. Scheints demnach, daß die Vernunft, durch die regel- rechtste Schlüsse, Dieß von ihren eignen Kräften billig folgern soll' und müsse: Daß die strenge Wissenssucht hier auf Erden, und der Wille Alles gründlich zu begreifen, bloß aus unserm Hochmuth quille.
Nöthi-
Vermiſchte Gedichte
Etwan ſo erſchaffen muͤſſen, daß das menſchliche Ge- ſchlechte Aller Dinge Grund erkennte, wenn es ſie nur uͤber- daͤchte, Und faſt beſſer, als ein Engel, ſich begreif, und alles weis? Jch erkenn den großen Vorzug, welchen wir, vor an- dern Thieren, An weit feinern Seelenkraͤften in der That in uns ver- ſpuͤren; Aber, daß ſich dieſe Kraft ſo unendlich weit erſtrecke, Daß ſich uns hier alles das, was ein Engel faßt, ent- decke: Dieß waͤr ein zu großer Sprung, welchen wir, in allen Werken Der bewegenden Natur, nirgend ſehen, nirgend mer- ken. Scheints demnach, daß die Vernunft, durch die regel- rechtſte Schluͤſſe, Dieß von ihren eignen Kraͤften billig folgern ſoll’ und muͤſſe: Daß die ſtrenge Wiſſensſucht hier auf Erden, und der Wille Alles gruͤndlich zu begreifen, bloß aus unſerm Hochmuth quille.
Noͤthi-
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Vermiſchte Gedichte
Etwan ſo erſchaffen muͤſſen, daß das menſchliche Ge-
ſchlechte
Aller Dinge Grund erkennte, wenn es ſie nur uͤber-
daͤchte,
Und faſt beſſer, als ein Engel, ſich begreif, und alles
weis?
Jch erkenn den großen Vorzug, welchen wir, vor an-
dern Thieren,
An weit feinern Seelenkraͤften in der That in uns ver-
ſpuͤren;
Aber, daß ſich dieſe Kraft ſo unendlich weit erſtrecke,
Daß ſich uns hier alles das, was ein Engel faßt, ent-
decke:
Dieß waͤr ein zu großer Sprung, welchen wir, in allen
Werken
Der bewegenden Natur, nirgend ſehen, nirgend mer-
ken.
Scheints demnach, daß die Vernunft, durch die regel-
rechtſte Schluͤſſe,
Dieß von ihren eignen Kraͤften billig folgern ſoll’ und
muͤſſe:
Daß die ſtrenge Wiſſensſucht hier auf Erden, und der
Wille
Alles gruͤndlich zu begreifen, bloß aus unſerm Hochmuth
quille.
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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/364>, abgerufen am 25.11.2024.
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