Uns Seel' und Sinnen schenkt, daß wir sie nutzen sollen, Wer wollte denn nicht gern Gehör, Geruch, Gesicht Gebrauchen, und dem Geber nicht Jm frölichem Genuß ein frohes Danklied zollen! Jch will mich wenigstens bestreben, Auf das, was mir, in der so schönen Welt, Vergnüglichs in die Augen fällt, Mit Lust erkenntlich Acht zu geben.
Jetzt scheinen tausend Arten Kräuter, von einem innern Drang getrieben, Von ihrem Samengeist gepreßt, sich aus der Erd' her- vorzuschieben. Die denn, sobald sie überall den jüngst noch dürren Bo- den zieren, Zugleich darauf von ihren Formen die Schattenbilder- chen formiren Die, die durch ihre zarte Körper schnell aufgehaltne Sonnenstralen, Die holde Schönheit zu verdoppeln, früh West- und abends Ostwerts mahlen. Das junge Laub scheint sich zu wundern, da es bisher so eng verschrenkt, Da es noch gestern starr und steif, daß es schon heute, durch den West Gekitzelt, erst für Anmuth zittert, und bald, wenn sich der Stiel verlängt, Sanft hin und wieder anfangs schwebt, bald stärker sich bewegen läßt. So wie sie nun in Lüften droben, im Stral der Sonnen schwebend scherzen, Sieht man so gleich wie ihre Kinder den hellen Boden schwebend schwärzen,
Den
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zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Uns Seel’ und Sinnen ſchenkt, daß wir ſie nutzen ſollen, Wer wollte denn nicht gern Gehoͤr, Geruch, Geſicht Gebrauchen, und dem Geber nicht Jm froͤlichem Genuß ein frohes Danklied zollen! Jch will mich wenigſtens beſtreben, Auf das, was mir, in der ſo ſchoͤnen Welt, Vergnuͤglichs in die Augen faͤllt, Mit Luſt erkenntlich Acht zu geben.
Jetzt ſcheinen tauſend Arten Kraͤuter, von einem innern Drang getrieben, Von ihrem Samengeiſt gepreßt, ſich aus der Erd’ her- vorzuſchieben. Die denn, ſobald ſie uͤberall den juͤngſt noch duͤrren Bo- den zieren, Zugleich darauf von ihren Formen die Schattenbilder- chen formiren Die, die durch ihre zarte Koͤrper ſchnell aufgehaltne Sonnenſtralen, Die holde Schoͤnheit zu verdoppeln, fruͤh Weſt- und abends Oſtwerts mahlen. Das junge Laub ſcheint ſich zu wundern, da es bisher ſo eng verſchrenkt, Da es noch geſtern ſtarr und ſteif, daß es ſchon heute, durch den Weſt Gekitzelt, erſt fuͤr Anmuth zittert, und bald, wenn ſich der Stiel verlaͤngt, Sanft hin und wieder anfangs ſchwebt, bald ſtaͤrker ſich bewegen laͤßt. So wie ſie nun in Luͤften droben, im Stral der Sonnen ſchwebend ſcherzen, Sieht man ſo gleich wie ihre Kinder den hellen Boden ſchwebend ſchwaͤrzen,
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zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Uns Seel’ und Sinnen ſchenkt, daß wir ſie nutzen ſollen,
Wer wollte denn nicht gern Gehoͤr, Geruch, Geſicht
Gebrauchen, und dem Geber nicht
Jm froͤlichem Genuß ein frohes Danklied zollen!
Jch will mich wenigſtens beſtreben,
Auf das, was mir, in der ſo ſchoͤnen Welt,
Vergnuͤglichs in die Augen faͤllt,
Mit Luſt erkenntlich Acht zu geben.
Jetzt ſcheinen tauſend Arten Kraͤuter, von einem innern
Drang getrieben,
Von ihrem Samengeiſt gepreßt, ſich aus der Erd’ her-
vorzuſchieben.
Die denn, ſobald ſie uͤberall den juͤngſt noch duͤrren Bo-
den zieren,
Zugleich darauf von ihren Formen die Schattenbilder-
chen formiren
Die, die durch ihre zarte Koͤrper ſchnell aufgehaltne
Sonnenſtralen,
Die holde Schoͤnheit zu verdoppeln, fruͤh Weſt- und
abends Oſtwerts mahlen.
Das junge Laub ſcheint ſich zu wundern, da es bisher ſo
eng verſchrenkt,
Da es noch geſtern ſtarr und ſteif, daß es ſchon heute,
durch den Weſt
Gekitzelt, erſt fuͤr Anmuth zittert, und bald, wenn ſich
der Stiel verlaͤngt,
Sanft hin und wieder anfangs ſchwebt, bald ſtaͤrker ſich
bewegen laͤßt.
So wie ſie nun in Luͤften droben, im Stral der Sonnen
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Sieht man ſo gleich wie ihre Kinder den hellen Boden
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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/341>, abgerufen am 16.07.2024.
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