Von allen Thieren in dem Thierreich wird fast kein einziges gefunden, Jn welchem, zu des Menschen Besten, so gar viel nütz- liches verbunden, Als in den sanft- und frommen Schafen. Es nützt von dem, was an ihm ist, Ein jedes Glied und alle Theile; das Fleisch, die Milch, die Haut, die Klauen, Die Wolle, die Gedärme, Knochen, die Hörner, ja sogar der Mist. Es speist und tränket uns das Schaf, es kleidet uns. Die Länder bauen, Verspüren durch dieß holde Thier, zumal durch seine Fruchtbarkeit, Verschiednen Segen, werden reich, und auf verschiedne Art erfreut. Es zeigt die alt' und neue Zeit, wie mancher Nutz aus Schafen sprieße, Und scheint daher das Sprüchwort wahr: es hab' ein Schäfgen güldne Füße. Ja, wenn ich es recht überlege, so scheint an diesem Thier allein Sein Körperlichs nicht nur zu Nutzen, es scheint sogar des Geistes Wesen Zu einem Sinnbild holder Sanftmuth und der Geduld für uns erlesen, Und dieß Thier ein belehrend Thier, ein Bild der Fröm- migkeit, zu seyn. Wer etwan meynt, dieß sey zu viel, der darf nur Hirten- lieder lesen;
Man
Betrachtungen
Das Schaf.
Von allen Thieren in dem Thierreich wird faſt kein einziges gefunden, Jn welchem, zu des Menſchen Beſten, ſo gar viel nuͤtz- liches verbunden, Als in den ſanft- und frommen Schafen. Es nuͤtzt von dem, was an ihm iſt, Ein jedes Glied und alle Theile; das Fleiſch, die Milch, die Haut, die Klauen, Die Wolle, die Gedaͤrme, Knochen, die Hoͤrner, ja ſogar der Miſt. Es ſpeiſt und traͤnket uns das Schaf, es kleidet uns. Die Laͤnder bauen, Verſpuͤren durch dieß holde Thier, zumal durch ſeine Fruchtbarkeit, Verſchiednen Segen, werden reich, und auf verſchiedne Art erfreut. Es zeigt die alt’ und neue Zeit, wie mancher Nutz aus Schafen ſprieße, Und ſcheint daher das Spruͤchwort wahr: es hab’ ein Schaͤfgen guͤldne Fuͤße. Ja, wenn ich es recht uͤberlege, ſo ſcheint an dieſem Thier allein Sein Koͤrperlichs nicht nur zu Nutzen, es ſcheint ſogar des Geiſtes Weſen Zu einem Sinnbild holder Sanftmuth und der Geduld fuͤr uns erleſen, Und dieß Thier ein belehrend Thier, ein Bild der Froͤm- migkeit, zu ſeyn. Wer etwan meynt, dieß ſey zu viel, der darf nur Hirten- lieder leſen;
Man
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Betrachtungen
Das Schaf.
Von allen Thieren in dem Thierreich wird faſt kein
einziges gefunden,
Jn welchem, zu des Menſchen Beſten, ſo gar viel nuͤtz-
liches verbunden,
Als in den ſanft- und frommen Schafen. Es nuͤtzt
von dem, was an ihm iſt,
Ein jedes Glied und alle Theile; das Fleiſch, die Milch,
die Haut, die Klauen,
Die Wolle, die Gedaͤrme, Knochen, die Hoͤrner, ja
ſogar der Miſt.
Es ſpeiſt und traͤnket uns das Schaf, es kleidet uns.
Die Laͤnder bauen,
Verſpuͤren durch dieß holde Thier, zumal durch ſeine
Fruchtbarkeit,
Verſchiednen Segen, werden reich, und auf verſchiedne
Art erfreut.
Es zeigt die alt’ und neue Zeit, wie mancher Nutz aus
Schafen ſprieße,
Und ſcheint daher das Spruͤchwort wahr: es hab’ ein
Schaͤfgen guͤldne Fuͤße.
Ja, wenn ich es recht uͤberlege, ſo ſcheint an dieſem
Thier allein
Sein Koͤrperlichs nicht nur zu Nutzen, es ſcheint ſogar
des Geiſtes Weſen
Zu einem Sinnbild holder Sanftmuth und der Geduld
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Und dieß Thier ein belehrend Thier, ein Bild der Froͤm-
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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/318>, abgerufen am 04.03.2025.
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