Dieß Thier scheint eine wilde Ziege zu seyn, doch von besondrer Art, Da es nur auf der Alpen Spitzen und nirgend sonst ge- funden ward. Am meisten gleichet es den Gemsen, doch siehet man es Hörner führen So lang, daß sie ihm, wenn er stehet, gemeiniglich das Kreuz berühren; So breit, daß auf die drey Maaß Wasser sich in ein ein- zigs füllen lassen: Mit diesen Hörnern weis er nun an Felsen sich so fest zu fassen, Daß er, indem er sich daran gemählig hin und wieder schwingt, Von einem Felsen zu dem andern bewundernswürdig schnell sich bringt. Ja, wenn er auch von einer Höh und unersteiglich steilen Spitzen Herunterstürzt, weis er die Hörner auf solche Weise vor- zukehren, Und vor den ungeheuren Fall auf solche Weise sich zu schützen, Daß auch die allerhöchsten Fälle die Glieder ihm nicht leicht versehren. Er braucht sie gegen seine Jäger, so daß er sie, wenn er erbost, Und einen Raum zum Anlauf hat, gar oft von hohen Felsen stoßt. Sein Fleisch ist eßbar, und sein Fell ist gegen Kälte trefflich gut; Auch dienet in der Arzeney besonders dieses Thieres Blut,
Den
uͤber das Reich der Thiere.
Der Steinbock.
Dieß Thier ſcheint eine wilde Ziege zu ſeyn, doch von beſondrer Art, Da es nur auf der Alpen Spitzen und nirgend ſonſt ge- funden ward. Am meiſten gleichet es den Gemſen, doch ſiehet man es Hoͤrner fuͤhren So lang, daß ſie ihm, wenn er ſtehet, gemeiniglich das Kreuz beruͤhren; So breit, daß auf die drey Maaß Waſſer ſich in ein ein- zigs fuͤllen laſſen: Mit dieſen Hoͤrnern weis er nun an Felſen ſich ſo feſt zu faſſen, Daß er, indem er ſich daran gemaͤhlig hin und wieder ſchwingt, Von einem Felſen zu dem andern bewundernswuͤrdig ſchnell ſich bringt. Ja, wenn er auch von einer Hoͤh und unerſteiglich ſteilen Spitzen Herunterſtuͤrzt, weis er die Hoͤrner auf ſolche Weiſe vor- zukehren, Und vor den ungeheuren Fall auf ſolche Weiſe ſich zu ſchuͤtzen, Daß auch die allerhoͤchſten Faͤlle die Glieder ihm nicht leicht verſehren. Er braucht ſie gegen ſeine Jaͤger, ſo daß er ſie, wenn er erboſt, Und einen Raum zum Anlauf hat, gar oft von hohen Felſen ſtoßt. Sein Fleiſch iſt eßbar, und ſein Fell iſt gegen Kaͤlte trefflich gut; Auch dienet in der Arzeney beſonders dieſes Thieres Blut,
Den
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uͤber das Reich der Thiere.
Der Steinbock.
Dieß Thier ſcheint eine wilde Ziege zu ſeyn, doch
von beſondrer Art,
Da es nur auf der Alpen Spitzen und nirgend ſonſt ge-
funden ward.
Am meiſten gleichet es den Gemſen, doch ſiehet man es
Hoͤrner fuͤhren
So lang, daß ſie ihm, wenn er ſtehet, gemeiniglich
das Kreuz beruͤhren;
So breit, daß auf die drey Maaß Waſſer ſich in ein ein-
zigs fuͤllen laſſen:
Mit dieſen Hoͤrnern weis er nun an Felſen ſich ſo feſt zu
faſſen,
Daß er, indem er ſich daran gemaͤhlig hin und wieder
ſchwingt,
Von einem Felſen zu dem andern bewundernswuͤrdig ſchnell
ſich bringt.
Ja, wenn er auch von einer Hoͤh und unerſteiglich ſteilen
Spitzen
Herunterſtuͤrzt, weis er die Hoͤrner auf ſolche Weiſe vor-
zukehren,
Und vor den ungeheuren Fall auf ſolche Weiſe ſich zu
ſchuͤtzen,
Daß auch die allerhoͤchſten Faͤlle die Glieder ihm nicht
leicht verſehren.
Er braucht ſie gegen ſeine Jaͤger, ſo daß er ſie, wenn
er erboſt,
Und einen Raum zum Anlauf hat, gar oft von hohen
Felſen ſtoßt.
Sein Fleiſch iſt eßbar, und ſein Fell iſt gegen Kaͤlte
trefflich gut;
Auch dienet in der Arzeney beſonders dieſes Thieres Blut,
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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/305>, abgerufen am 04.03.2025.
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