Als wenn wir so viel Arten Thiere, als so viel Republi- ken, sehn, Die alle ganz besondrer Art, und alle trefflich einge- richtet, Die alle stets erhalten bleiben, wovon kein einz'ge sich vernichtet. Es zeigt uns alles, daß die Kunst und Forme, so sie über- kommen, Den Stoff bey weitem übersteiget, den Gott zu ihrem Bau genommen. Hier wär nun zwar ein weites Feld und Anlaß, von der Thiere Seelen, Mit welchen sich die Philosophen einander unbarmherzig quälen, Was selbe nicht und was sie sind, das Eigentliche fest zu setzen: Allein, so lange wir noch nicht mit Recht uns in dem Stande schätzen, Was unsre eigne, zu erkennen, würd' ich nur bloß er- zählen müssen Den allgemeinen Widerspruch von aller Philosophen Schlüssen: Jch würd' auch in der That zu weit vom Zweck, den ich mir vorgenommen, Der Gottheit Werk im Sinnlichen bedachtsam zu be- wundern, kommen, Und mehr von unsrer Stärk' und Schwäche, als wie von Gottes Allmachtschein, Der überall so herrlich stralet, zu predigen gezwungen seyn. Derhalben laß ich mit Bedacht hier die Materie viel lieber Denjenigen, die, daß es so, und anders nicht sey, wissen, über.
Man
Betrachtungen
Als wenn wir ſo viel Arten Thiere, als ſo viel Republi- ken, ſehn, Die alle ganz beſondrer Art, und alle trefflich einge- richtet, Die alle ſtets erhalten bleiben, wovon kein einz’ge ſich vernichtet. Es zeigt uns alles, daß die Kunſt und Forme, ſo ſie uͤber- kommen, Den Stoff bey weitem uͤberſteiget, den Gott zu ihrem Bau genommen. Hier waͤr nun zwar ein weites Feld und Anlaß, von der Thiere Seelen, Mit welchen ſich die Philoſophen einander unbarmherzig quaͤlen, Was ſelbe nicht und was ſie ſind, das Eigentliche feſt zu ſetzen: Allein, ſo lange wir noch nicht mit Recht uns in dem Stande ſchaͤtzen, Was unſre eigne, zu erkennen, wuͤrd’ ich nur bloß er- zaͤhlen muͤſſen Den allgemeinen Widerſpruch von aller Philoſophen Schluͤſſen: Jch wuͤrd’ auch in der That zu weit vom Zweck, den ich mir vorgenommen, Der Gottheit Werk im Sinnlichen bedachtſam zu be- wundern, kommen, Und mehr von unſrer Staͤrk’ und Schwaͤche, als wie von Gottes Allmachtſchein, Der uͤberall ſo herrlich ſtralet, zu predigen gezwungen ſeyn. Derhalben laß ich mit Bedacht hier die Materie viel lieber Denjenigen, die, daß es ſo, und anders nicht ſey, wiſſen, uͤber.
Man
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Betrachtungen
Als wenn wir ſo viel Arten Thiere, als ſo viel Republi-
ken, ſehn,
Die alle ganz beſondrer Art, und alle trefflich einge-
richtet,
Die alle ſtets erhalten bleiben, wovon kein einz’ge ſich
vernichtet.
Es zeigt uns alles, daß die Kunſt und Forme, ſo ſie uͤber-
kommen,
Den Stoff bey weitem uͤberſteiget, den Gott zu ihrem
Bau genommen.
Hier waͤr nun zwar ein weites Feld und Anlaß, von
der Thiere Seelen,
Mit welchen ſich die Philoſophen einander unbarmherzig
quaͤlen,
Was ſelbe nicht und was ſie ſind, das Eigentliche feſt zu
ſetzen:
Allein, ſo lange wir noch nicht mit Recht uns in dem
Stande ſchaͤtzen,
Was unſre eigne, zu erkennen, wuͤrd’ ich nur bloß er-
zaͤhlen muͤſſen
Den allgemeinen Widerſpruch von aller Philoſophen
Schluͤſſen:
Jch wuͤrd’ auch in der That zu weit vom Zweck, den
ich mir vorgenommen,
Der Gottheit Werk im Sinnlichen bedachtſam zu be-
wundern, kommen,
Und mehr von unſrer Staͤrk’ und Schwaͤche, als wie von
Gottes Allmachtſchein,
Der uͤberall ſo herrlich ſtralet, zu predigen gezwungen ſeyn.
Derhalben laß ich mit Bedacht hier die Materie viel
lieber
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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/266>, abgerufen am 16.07.2024.
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