Wird der Natur erhabne Ordnung gewiß mit Ehrerbie- tung sehn, Und eben dieß wird auch geschehn, Wenn man die lebensvolle Kraft, die in dem Samen liegt, erwäget.
Der Same scheint nicht nur ein Körper, mit einem zarten Feur erfüllt, Das in der Mutter, als im Zunder, sich fängt, ent- steht und sich entzündet; Es scheint, es sey ein eigner Geist, in engen Schranken eingehullt, Der, wenn er an gelegnen Ort gebracht ist, und er es empfindet, Den Körper an zu dehnen fängt, und nach des Stoffs Beschaffenheit, Jhn allgemach zum Wachsthum bringet. Ob dieß nun was ätherisches, wie es verschiedne Weise nennen, (Durch welches Wort wir eigentlich doch nicht viel meh- reres erkennen, Als wie wir sonst vorher gewußt,) stell ich dahin, und muß gestehen, Daß, wenn es als ein drittes Wesen, so zwischen Kör- per und dem Geist Ein eigentliches Mittelding zu nennen, es nicht anzusehen, Wie etwan uns der Nervensaft und Thiergeist fast der- gleichen weist) Von einem Wesen, das ätherisch, ich nicht viel deutlichs weis zu fassen, Und muß hierinn, so mich als dich, in einer Ungewiß- heit lassen, Jn welcher wir vorhin gesteckt.
Es
Betrachtungen
Wird der Natur erhabne Ordnung gewiß mit Ehrerbie- tung ſehn, Und eben dieß wird auch geſchehn, Wenn man die lebensvolle Kraft, die in dem Samen liegt, erwaͤget.
Der Same ſcheint nicht nur ein Koͤrper, mit einem zarten Feur erfuͤllt, Das in der Mutter, als im Zunder, ſich faͤngt, ent- ſteht und ſich entzuͤndet; Es ſcheint, es ſey ein eigner Geiſt, in engen Schranken eingehůllt, Der, wenn er an gelegnen Ort gebracht iſt, und er es empfindet, Den Koͤrper an zu dehnen faͤngt, und nach des Stoffs Beſchaffenheit, Jhn allgemach zum Wachsthum bringet. Ob dieß nun was aͤtheriſches, wie es verſchiedne Weiſe nennen, (Durch welches Wort wir eigentlich doch nicht viel meh- reres erkennen, Als wie wir ſonſt vorher gewußt,) ſtell ich dahin, und muß geſtehen, Daß, wenn es als ein drittes Weſen, ſo zwiſchen Koͤr- per und dem Geiſt Ein eigentliches Mittelding zu nennen, es nicht anzuſehen, Wie etwan uns der Nervenſaft und Thiergeiſt faſt der- gleichen weiſt) Von einem Weſen, das aͤtheriſch, ich nicht viel deutlichs weis zu faſſen, Und muß hierinn, ſo mich als dich, in einer Ungewiß- heit laſſen, Jn welcher wir vorhin geſteckt.
Es
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0242"n="222"/><fwplace="top"type="header">Betrachtungen</fw><lb/><lgn="46"><l>Wird der Natur erhabne Ordnung gewiß mit Ehrerbie-<lb/><hirendition="#et">tung ſehn,</hi></l><lb/><l>Und eben dieß wird auch geſchehn,</l><lb/><l>Wenn man die lebensvolle Kraft, die in dem Samen<lb/><hirendition="#et">liegt, erwaͤget.</hi></l></lg><lb/><lgn="47"><l>Der Same ſcheint nicht nur ein Koͤrper, mit einem<lb/><hirendition="#et">zarten Feur erfuͤllt,</hi></l><lb/><l>Das in der Mutter, als im Zunder, ſich faͤngt, ent-<lb/><hirendition="#et">ſteht und ſich entzuͤndet;</hi></l><lb/><l>Es ſcheint, es ſey ein eigner Geiſt, in engen Schranken<lb/><hirendition="#et">eingehůllt,</hi></l><lb/><l>Der, wenn er an gelegnen Ort gebracht iſt, und er es<lb/><hirendition="#et">empfindet,</hi></l><lb/><l>Den Koͤrper an zu dehnen faͤngt, und nach des Stoffs<lb/><hirendition="#et">Beſchaffenheit,</hi></l><lb/><l>Jhn allgemach zum Wachsthum bringet.</l><lb/><l>Ob dieß nun was aͤtheriſches, wie es verſchiedne Weiſe<lb/><hirendition="#et">nennen,</hi><lb/>
(Durch welches Wort wir eigentlich doch nicht viel meh-<lb/><hirendition="#et">reres erkennen,</hi></l><lb/><l>Als wie wir ſonſt vorher gewußt,) ſtell ich dahin, und<lb/><hirendition="#et">muß geſtehen,</hi></l><lb/><l>Daß, wenn es als ein drittes Weſen, ſo zwiſchen Koͤr-<lb/><hirendition="#et">per und dem Geiſt</hi></l><lb/><l>Ein eigentliches Mittelding zu nennen, es nicht anzuſehen,</l><lb/><l>Wie etwan uns der Nervenſaft und Thiergeiſt faſt der-<lb/><hirendition="#et">gleichen weiſt)</hi></l><lb/><l>Von einem Weſen, das aͤtheriſch, ich nicht viel deutlichs<lb/><hirendition="#et">weis zu faſſen,</hi></l><lb/><l>Und muß hierinn, ſo mich als dich, in einer Ungewiß-<lb/><hirendition="#et">heit laſſen,</hi></l><lb/><l>Jn welcher wir vorhin geſteckt.</l></lg><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Es</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[222/0242]
Betrachtungen
Wird der Natur erhabne Ordnung gewiß mit Ehrerbie-
tung ſehn,
Und eben dieß wird auch geſchehn,
Wenn man die lebensvolle Kraft, die in dem Samen
liegt, erwaͤget.
Der Same ſcheint nicht nur ein Koͤrper, mit einem
zarten Feur erfuͤllt,
Das in der Mutter, als im Zunder, ſich faͤngt, ent-
ſteht und ſich entzuͤndet;
Es ſcheint, es ſey ein eigner Geiſt, in engen Schranken
eingehůllt,
Der, wenn er an gelegnen Ort gebracht iſt, und er es
empfindet,
Den Koͤrper an zu dehnen faͤngt, und nach des Stoffs
Beſchaffenheit,
Jhn allgemach zum Wachsthum bringet.
Ob dieß nun was aͤtheriſches, wie es verſchiedne Weiſe
nennen,
(Durch welches Wort wir eigentlich doch nicht viel meh-
reres erkennen,
Als wie wir ſonſt vorher gewußt,) ſtell ich dahin, und
muß geſtehen,
Daß, wenn es als ein drittes Weſen, ſo zwiſchen Koͤr-
per und dem Geiſt
Ein eigentliches Mittelding zu nennen, es nicht anzuſehen,
Wie etwan uns der Nervenſaft und Thiergeiſt faſt der-
gleichen weiſt)
Von einem Weſen, das aͤtheriſch, ich nicht viel deutlichs
weis zu faſſen,
Und muß hierinn, ſo mich als dich, in einer Ungewiß-
heit laſſen,
Jn welcher wir vorhin geſteckt.
Es
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/242>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.