Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748.

Bild:
<< vorherige Seite
über das Reich der Thiere.
Woraus die Thier', auch wir gebildet, die Art der Fü-
gungen ermessen,

Erschrickt das Auge, stutzt der Geist. Man wird fast
aus sich selbst gerissen,

Und muß der Allerunverschämtste, auch wider Willen,
hier gestehn,

Dieß könne nicht durch Menschenkunst, auch nicht von
ungefähr, geschehn.

Daher wir ja zu einem weisern und höhern Wesen kom-
men müssen,

Auch wenn wir noch so ungern wollten. Da dieß uns
so zu Paaren treibt,

Daß auch dem Allerfrevelhaftsten dennoch kein' Aus-
flucht übrig bleibt.

Kommt, laßt uns denn, zu diesem Endzweck, der Thiere
Körper, näher gehn,

Und ihr verwunderlich Gebände, dem der sie schuf zum
Ruhm, besehn.
Definition.
Es ist demnach ein Thier ein Wesen, das lebt, das
wächst, das sich ernährt,
Das sich beweget, das empfindet, und welches sein Ge-
schlecht vermehrt.
Eintheilung.
Man pflegt den Unterschied der Thier' auf diese Weise
zu bestimmen,

Und theilt dieselben insgemein
Jn Thiere, (Menschen ausgenommen, die nur mit Zwey
begabet seyn)
Die
N 4
uͤber das Reich der Thiere.
Woraus die Thier’, auch wir gebildet, die Art der Fuͤ-
gungen ermeſſen,

Erſchrickt das Auge, ſtutzt der Geiſt. Man wird faſt
aus ſich ſelbſt geriſſen,

Und muß der Allerunverſchaͤmtſte, auch wider Willen,
hier geſtehn,

Dieß koͤnne nicht durch Menſchenkunſt, auch nicht von
ungefaͤhr, geſchehn.

Daher wir ja zu einem weiſern und hoͤhern Weſen kom-
men muͤſſen,

Auch wenn wir noch ſo ungern wollten. Da dieß uns
ſo zu Paaren treibt,

Daß auch dem Allerfrevelhaftſten dennoch kein’ Aus-
flucht uͤbrig bleibt.

Kommt, laßt uns denn, zu dieſem Endzweck, der Thiere
Koͤrper, naͤher gehn,

Und ihr verwunderlich Gebaͤnde, dem der ſie ſchuf zum
Ruhm, beſehn.
Definition.
Es iſt demnach ein Thier ein Weſen, das lebt, das
waͤchſt, das ſich ernaͤhrt,
Das ſich beweget, das empfindet, und welches ſein Ge-
ſchlecht vermehrt.
Eintheilung.
Man pflegt den Unterſchied der Thier’ auf dieſe Weiſe
zu beſtimmen,

Und theilt dieſelben insgemein
Jn Thiere, (Menſchen ausgenommen, die nur mit Zwey
begabet ſeyn)
Die
N 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0219" n="199"/>
        <fw place="top" type="header">u&#x0364;ber das Reich der Thiere.</fw><lb/>
        <lg n="763">
          <l>Woraus die Thier&#x2019;, auch wir gebildet, die Art der Fu&#x0364;-<lb/><hi rendition="#et">gungen erme&#x017F;&#x017F;en,</hi></l><lb/>
          <l>Er&#x017F;chrickt das Auge, &#x017F;tutzt der Gei&#x017F;t. Man wird fa&#x017F;t<lb/><hi rendition="#et">aus &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t geri&#x017F;&#x017F;en,</hi></l><lb/>
          <l>Und muß der Allerunver&#x017F;cha&#x0364;mt&#x017F;te, auch wider Willen,<lb/><hi rendition="#et">hier ge&#x017F;tehn,</hi></l><lb/>
          <l>Dieß ko&#x0364;nne nicht durch Men&#x017F;chenkun&#x017F;t, auch nicht von<lb/><hi rendition="#et">ungefa&#x0364;hr, ge&#x017F;chehn.</hi></l><lb/>
          <l>Daher wir ja zu einem wei&#x017F;ern und ho&#x0364;hern We&#x017F;en kom-<lb/><hi rendition="#et">men mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en,</hi></l><lb/>
          <l>Auch wenn wir noch &#x017F;o ungern wollten. Da dieß uns<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;o zu Paaren treibt,</hi></l><lb/>
          <l>Daß auch dem Allerfrevelhaft&#x017F;ten dennoch kein&#x2019; Aus-<lb/><hi rendition="#et">flucht u&#x0364;brig bleibt.</hi></l><lb/>
          <l>Kommt, laßt uns denn, zu die&#x017F;em Endzweck, der Thiere<lb/><hi rendition="#et">Ko&#x0364;rper, na&#x0364;her gehn,</hi></l><lb/>
          <l>Und ihr verwunderlich Geba&#x0364;nde, dem der &#x017F;ie &#x017F;chuf zum<lb/><hi rendition="#et">Ruhm, be&#x017F;ehn.</hi></l>
        </lg><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Definition.</hi> </head><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Es i&#x017F;t demnach ein Thier ein We&#x017F;en, das lebt, das</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">wa&#x0364;ch&#x017F;t, das &#x017F;ich erna&#x0364;hrt,</hi> </l><lb/>
            <l>Das &#x017F;ich beweget, das empfindet, und welches &#x017F;ein Ge-</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">&#x017F;chlecht vermehrt.</hi> </l>
          </lg>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Eintheilung.</hi> </head><lb/>
          <lg n="1">
            <l>Man pflegt den Unter&#x017F;chied der Thier&#x2019; auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e<lb/><hi rendition="#et">zu be&#x017F;timmen,</hi></l><lb/>
            <l>Und theilt die&#x017F;elben insgemein</l><lb/>
            <l>Jn Thiere, (Men&#x017F;chen ausgenommen, die nur mit Zwey<lb/><hi rendition="#et">begabet &#x017F;eyn)</hi></l>
          </lg><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">N 4</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[199/0219] uͤber das Reich der Thiere. Woraus die Thier’, auch wir gebildet, die Art der Fuͤ- gungen ermeſſen, Erſchrickt das Auge, ſtutzt der Geiſt. Man wird faſt aus ſich ſelbſt geriſſen, Und muß der Allerunverſchaͤmtſte, auch wider Willen, hier geſtehn, Dieß koͤnne nicht durch Menſchenkunſt, auch nicht von ungefaͤhr, geſchehn. Daher wir ja zu einem weiſern und hoͤhern Weſen kom- men muͤſſen, Auch wenn wir noch ſo ungern wollten. Da dieß uns ſo zu Paaren treibt, Daß auch dem Allerfrevelhaftſten dennoch kein’ Aus- flucht uͤbrig bleibt. Kommt, laßt uns denn, zu dieſem Endzweck, der Thiere Koͤrper, naͤher gehn, Und ihr verwunderlich Gebaͤnde, dem der ſie ſchuf zum Ruhm, beſehn. Definition. Es iſt demnach ein Thier ein Weſen, das lebt, das waͤchſt, das ſich ernaͤhrt, Das ſich beweget, das empfindet, und welches ſein Ge- ſchlecht vermehrt. Eintheilung. Man pflegt den Unterſchied der Thier’ auf dieſe Weiſe zu beſtimmen, Und theilt dieſelben insgemein Jn Thiere, (Menſchen ausgenommen, die nur mit Zwey begabet ſeyn) Die N 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/219
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/219>, abgerufen am 21.11.2024.