Ja, man kann viel mehr noch sagen, Vom Tobak ist dieses wahr, Daß ein Samenkorn getragen Nur in einem einz'gen Jahr Dreymal hundert tausend. Ferner, Zehen Millionen Körner Trägt die Hirschzung fast allein; Wer sieht dieses Wunder ein?
Laßt uns nun von Pflanz- und Bäumen Den verborgnen Samen sehn, Draus sie all entstehn und keimen! Aber wer wird dieß verstehn? Wo ist Witz genug zu finden, Dieß Geheimniß zu ergründen? Saget, was gereicht wohl mehr Uns zur Demuth, Gott zur Ehr?
Wird was auf der Welt gefunden, Wo beym Körper sich der Geist Auf verborgne Art verbunden, Und sich gleichsam sichtlich weist: So ist es gewiß der Same. Daß nun der den Ursprung nahme Von dem Schöpfer selbst, ist klar, Und recht überzeuglich wahr.
Wenn man dieses recht bedenket, Wie doch, in so kleinem Platz, Wunderbarlich eingeschrenket Ein fast unschätzbarer Schatz, Wie darinn ein Geist, ein Leben, Wie in zärtlichen Geweben, Selbst die Form vom größten Baum Jn dem Samen findet Raum.
Wenn
Betrachtungen
Ja, man kann viel mehr noch ſagen, Vom Tobak iſt dieſes wahr, Daß ein Samenkorn getragen Nur in einem einz’gen Jahr Dreymal hundert tauſend. Ferner, Zehen Millionen Koͤrner Traͤgt die Hirſchzung faſt allein; Wer ſieht dieſes Wunder ein?
Laßt uns nun von Pflanz- und Baͤumen Den verborgnen Samen ſehn, Draus ſie all entſtehn und keimen! Aber wer wird dieß verſtehn? Wo iſt Witz genug zu finden, Dieß Geheimniß zu ergruͤnden? Saget, was gereicht wohl mehr Uns zur Demuth, Gott zur Ehr?
Wird was auf der Welt gefunden, Wo beym Koͤrper ſich der Geiſt Auf verborgne Art verbunden, Und ſich gleichſam ſichtlich weiſt: So iſt es gewiß der Same. Daß nun der den Urſprung nahme Von dem Schoͤpfer ſelbſt, iſt klar, Und recht uͤberzeuglich wahr.
Wenn man dieſes recht bedenket, Wie doch, in ſo kleinem Platz, Wunderbarlich eingeſchrenket Ein faſt unſchaͤtzbarer Schatz, Wie darinn ein Geiſt, ein Leben, Wie in zaͤrtlichen Geweben, Selbſt die Form vom groͤßten Baum Jn dem Samen findet Raum.
Wenn
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Betrachtungen
Ja, man kann viel mehr noch ſagen,
Vom Tobak iſt dieſes wahr,
Daß ein Samenkorn getragen
Nur in einem einz’gen Jahr
Dreymal hundert tauſend. Ferner,
Zehen Millionen Koͤrner
Traͤgt die Hirſchzung faſt allein;
Wer ſieht dieſes Wunder ein?
Laßt uns nun von Pflanz- und Baͤumen
Den verborgnen Samen ſehn,
Draus ſie all entſtehn und keimen!
Aber wer wird dieß verſtehn?
Wo iſt Witz genug zu finden,
Dieß Geheimniß zu ergruͤnden?
Saget, was gereicht wohl mehr
Uns zur Demuth, Gott zur Ehr?
Wird was auf der Welt gefunden,
Wo beym Koͤrper ſich der Geiſt
Auf verborgne Art verbunden,
Und ſich gleichſam ſichtlich weiſt:
So iſt es gewiß der Same.
Daß nun der den Urſprung nahme
Von dem Schoͤpfer ſelbſt, iſt klar,
Und recht uͤberzeuglich wahr.
Wenn man dieſes recht bedenket,
Wie doch, in ſo kleinem Platz,
Wunderbarlich eingeſchrenket
Ein faſt unſchaͤtzbarer Schatz,
Wie darinn ein Geiſt, ein Leben,
Wie in zaͤrtlichen Geweben,
Selbſt die Form vom groͤßten Baum
Jn dem Samen findet Raum.
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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/134>, abgerufen am 16.02.2025.
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