Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite
Der früh blühende Rosenstock.
Da, wo das Grün am Rothen gränzet,
Jn einem sanften Schimmer glänzet;
Wodurch ein sanft Gemisch entsteht,
Das, von dem sanften Roth- und Grünen, die Lieblich-
keit noch mehr erhöht.
Bey dieser fröhlichen Betrachtung ward ich, von unge-
fehr, gewahr,

Wie, auf des Topfes dunklem Boden, ein' abgefallne
Blätter-Schaar

Die Erde hin und wieder deckte. Dieß gab von der
Vergänglichkeit

Der Bluhmen, mir zwar einen Eindruck; inzwischen ward,
durch ihren Fall,

Und flüchtige Beschaffenheit,
Jn mir dennoch kein Gram erregt. Daß Creaturen
überall

Vergänglich und veränderlich, dacht ich, muß nicht
getadelt werden:

Es ist des Schöpfers Ordnung ja. Vielmehr laßt uns
auf dieser Erden,

Durch die Vergänglichkeit belehrt, uns unsrer Zeit
gebrauchen lernen,

Die uns der Schöpfer schenkt und gönnt. Weil wir
aus der Erfahrung wissen,

Daß, so wie alles sich verändert, wir selbst uns auch
verändern müssen;

So laßt uns doch, so viel wir können, uns oft am Jr-
dischen vergnügen,

Laßt uns, bey jeglichem Genuß, Erkenntlichkeit und
Danken fügen!
Je
E 2
Der fruͤh bluͤhende Roſenſtock.
Da, wo das Gruͤn am Rothen graͤnzet,
Jn einem ſanften Schimmer glaͤnzet;
Wodurch ein ſanft Gemiſch entſteht,
Das, von dem ſanften Roth- und Gruͤnen, die Lieblich-
keit noch mehr erhoͤht.
Bey dieſer froͤhlichen Betrachtung ward ich, von unge-
fehr, gewahr,

Wie, auf des Topfes dunklem Boden, ein’ abgefallne
Blaͤtter-Schaar

Die Erde hin und wieder deckte. Dieß gab von der
Vergaͤnglichkeit

Der Bluhmen, mir zwar einen Eindruck; inzwiſchen ward,
durch ihren Fall,

Und fluͤchtige Beſchaffenheit,
Jn mir dennoch kein Gram erregt. Daß Creaturen
uͤberall

Vergaͤnglich und veraͤnderlich, dacht ich, muß nicht
getadelt werden:

Es iſt des Schoͤpfers Ordnung ja. Vielmehr laßt uns
auf dieſer Erden,

Durch die Vergaͤnglichkeit belehrt, uns unſrer Zeit
gebrauchen lernen,

Die uns der Schoͤpfer ſchenkt und goͤnnt. Weil wir
aus der Erfahrung wiſſen,

Daß, ſo wie alles ſich veraͤndert, wir ſelbſt uns auch
veraͤndern muͤſſen;

So laßt uns doch, ſo viel wir koͤnnen, uns oft am Jr-
diſchen vergnuͤgen,

Laßt uns, bey jeglichem Genuß, Erkenntlichkeit und
Danken fuͤgen!
Je
E 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <pb facs="#f0081" n="67"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der fru&#x0364;h blu&#x0364;hende Ro&#x017F;en&#x017F;tock.</hi> </fw><lb/>
              <lg n="2">
                <l>Da, wo das Gru&#x0364;n am Rothen gra&#x0364;nzet,</l><lb/>
                <l>Jn einem &#x017F;anften Schimmer gla&#x0364;nzet;</l><lb/>
                <l>Wodurch ein &#x017F;anft Gemi&#x017F;ch ent&#x017F;teht,</l><lb/>
                <l>Das, von dem &#x017F;anften Roth- und Gru&#x0364;nen, die Lieblich-<lb/><hi rendition="#et">keit noch mehr erho&#x0364;ht.</hi></l>
              </lg><lb/>
              <lg n="3">
                <l>Bey die&#x017F;er fro&#x0364;hlichen Betrachtung ward ich, von unge-<lb/><hi rendition="#et">fehr, gewahr,</hi></l><lb/>
                <l>Wie, auf des Topfes dunklem Boden, ein&#x2019; abgefallne<lb/><hi rendition="#et">Bla&#x0364;tter-Schaar</hi></l><lb/>
                <l>Die Erde hin und wieder deckte. Dieß gab von der<lb/><hi rendition="#et">Verga&#x0364;nglichkeit</hi></l><lb/>
                <l>Der Bluhmen, mir zwar einen Eindruck; inzwi&#x017F;chen ward,<lb/><hi rendition="#et">durch ihren Fall,</hi></l><lb/>
                <l>Und flu&#x0364;chtige Be&#x017F;chaffenheit,</l><lb/>
                <l>Jn mir dennoch kein Gram erregt. Daß Creaturen<lb/><hi rendition="#et">u&#x0364;berall</hi></l><lb/>
                <l>Verga&#x0364;nglich und vera&#x0364;nderlich, dacht ich, muß nicht<lb/><hi rendition="#et">getadelt werden:</hi></l><lb/>
                <l>Es i&#x017F;t des Scho&#x0364;pfers Ordnung ja. Vielmehr laßt uns<lb/><hi rendition="#et">auf die&#x017F;er Erden,</hi></l><lb/>
                <l>Durch die Verga&#x0364;nglichkeit belehrt, uns un&#x017F;rer Zeit<lb/><hi rendition="#et">gebrauchen lernen,</hi></l><lb/>
                <l>Die uns der Scho&#x0364;pfer &#x017F;chenkt und go&#x0364;nnt. Weil wir<lb/><hi rendition="#et">aus der Erfahrung wi&#x017F;&#x017F;en,</hi></l><lb/>
                <l>Daß, &#x017F;o wie alles &#x017F;ich vera&#x0364;ndert, wir &#x017F;elb&#x017F;t uns auch<lb/><hi rendition="#et">vera&#x0364;ndern mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en;</hi></l><lb/>
                <l>So laßt uns doch, &#x017F;o viel wir ko&#x0364;nnen, uns oft am Jr-<lb/><hi rendition="#et">di&#x017F;chen vergnu&#x0364;gen,</hi></l><lb/>
                <l>Laßt uns, bey jeglichem Genuß, Erkenntlichkeit und<lb/><hi rendition="#et">Danken fu&#x0364;gen!</hi></l>
              </lg><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig">E 2</fw>
              <fw place="bottom" type="catch">Je</fw><lb/>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[67/0081] Der fruͤh bluͤhende Roſenſtock. Da, wo das Gruͤn am Rothen graͤnzet, Jn einem ſanften Schimmer glaͤnzet; Wodurch ein ſanft Gemiſch entſteht, Das, von dem ſanften Roth- und Gruͤnen, die Lieblich- keit noch mehr erhoͤht. Bey dieſer froͤhlichen Betrachtung ward ich, von unge- fehr, gewahr, Wie, auf des Topfes dunklem Boden, ein’ abgefallne Blaͤtter-Schaar Die Erde hin und wieder deckte. Dieß gab von der Vergaͤnglichkeit Der Bluhmen, mir zwar einen Eindruck; inzwiſchen ward, durch ihren Fall, Und fluͤchtige Beſchaffenheit, Jn mir dennoch kein Gram erregt. Daß Creaturen uͤberall Vergaͤnglich und veraͤnderlich, dacht ich, muß nicht getadelt werden: Es iſt des Schoͤpfers Ordnung ja. Vielmehr laßt uns auf dieſer Erden, Durch die Vergaͤnglichkeit belehrt, uns unſrer Zeit gebrauchen lernen, Die uns der Schoͤpfer ſchenkt und goͤnnt. Weil wir aus der Erfahrung wiſſen, Daß, ſo wie alles ſich veraͤndert, wir ſelbſt uns auch veraͤndern muͤſſen; So laßt uns doch, ſo viel wir koͤnnen, uns oft am Jr- diſchen vergnuͤgen, Laßt uns, bey jeglichem Genuß, Erkenntlichkeit und Danken fuͤgen! Je E 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/81
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/81>, abgerufen am 27.11.2024.