der Vorwürfe Mannigfaltigkeit unsere zu Betrach- tungen gewohnten Seelen von stets neuen Gedanken gleichsam überquellen. Wenn wir nun darauf die untergehende Sonne, und endlich den gestirneten Him- mel, mit so vieler Ehrfurcht als Vergnügungen be- trachtet, und ein leichtes Abend-Brodt verzehret ha- ben; so legen wir uns zur Ruhe, und erwarten eines fröhlichen Morgens, um unser Vergnügen von neuem wieder anzufangen.
Nachdem Mirander, durch die Bündigkeit dieses Vortrages, ganz eingenommen, denselben bewundert, und nebst einer dienstlichen Danksagung für dessen Mit- theilung, selbige mit diesem herzlichen Wunsche beglei- tet: daß doch diese guten Lehren so beschaffen seyn möchten, daß sie auch denen in der Welt lebenden Menschen könnten brauchbar gemacht werden; so fing die Gemahlinn mit der ihr eigenen und gewohn- ten Leutseligkeit an: Sie glaube nicht, daß ein ein- ziger Punkt in ihren Lebens-Regeln vorhanden wäre, welcher von allen, so sich in der Welt befänden, nicht sollte können gebrauchet werden. Jhr wäre die Welt, nebst allen denjenigen Unruhen und mühseligen Be- schäfftigungen, welche einem jeden Stande gleichsam eigen und fast nicht davon zu trennen, noch, mehr als zu wohl bekannt. Sie hätte verschiedene Jahre bey Hofe zugebracht; dennoch getraue sie sich zu erweisen, daß auch alle daselbst insgemein herrschende Eitelkei- ten, ihre Lehr-Sätze vollkommen zulassen könnten. Wie viel weniger werden sie in andern Ständen eine Zerrüttung machen; indem von dem höchsten bis zu dem niedrigsten, ja so gar dem Bauren-Stande, es die Menschen nicht hindern könnte, ihre Sinnen
mit
Eine Lehr-reiche Geſchichte.
der Vorwuͤrfe Mannigfaltigkeit unſere zu Betrach- tungen gewohnten Seelen von ſtets neuen Gedanken gleichſam uͤberquellen. Wenn wir nun darauf die untergehende Sonne, und endlich den geſtirneten Him- mel, mit ſo vieler Ehrfurcht als Vergnuͤgungen be- trachtet, und ein leichtes Abend-Brodt verzehret ha- ben; ſo legen wir uns zur Ruhe, und erwarten eines froͤhlichen Morgens, um unſer Vergnuͤgen von neuem wieder anzufangen.
Nachdem Mirander, durch die Buͤndigkeit dieſes Vortrages, ganz eingenommen, denſelben bewundert, und nebſt einer dienſtlichen Dankſagung fuͤr deſſen Mit- theilung, ſelbige mit dieſem herzlichen Wunſche beglei- tet: daß doch dieſe guten Lehren ſo beſchaffen ſeyn moͤchten, daß ſie auch denen in der Welt lebenden Menſchen koͤnnten brauchbar gemacht werden; ſo fing die Gemahlinn mit der ihr eigenen und gewohn- ten Leutſeligkeit an: Sie glaube nicht, daß ein ein- ziger Punkt in ihren Lebens-Regeln vorhanden waͤre, welcher von allen, ſo ſich in der Welt befaͤnden, nicht ſollte koͤnnen gebrauchet werden. Jhr waͤre die Welt, nebſt allen denjenigen Unruhen und muͤhſeligen Be- ſchaͤfftigungen, welche einem jeden Stande gleichſam eigen und faſt nicht davon zu trennen, noch, mehr als zu wohl bekannt. Sie haͤtte verſchiedene Jahre bey Hofe zugebracht; dennoch getraue ſie ſich zu erweiſen, daß auch alle daſelbſt insgemein herrſchende Eitelkei- ten, ihre Lehr-Saͤtze vollkommen zulaſſen koͤnnten. Wie viel weniger werden ſie in andern Staͤnden eine Zerruͤttung machen; indem von dem hoͤchſten bis zu dem niedrigſten, ja ſo gar dem Bauren-Stande, es die Menſchen nicht hindern koͤnnte, ihre Sinnen
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Eine Lehr-reiche Geſchichte.
der Vorwuͤrfe Mannigfaltigkeit unſere zu Betrach-
tungen gewohnten Seelen von ſtets neuen Gedanken
gleichſam uͤberquellen. Wenn wir nun darauf die
untergehende Sonne, und endlich den geſtirneten Him-
mel, mit ſo vieler Ehrfurcht als Vergnuͤgungen be-
trachtet, und ein leichtes Abend-Brodt verzehret ha-
ben; ſo legen wir uns zur Ruhe, und erwarten eines
froͤhlichen Morgens, um unſer Vergnuͤgen von neuem
wieder anzufangen.
Nachdem Mirander, durch die Buͤndigkeit dieſes
Vortrages, ganz eingenommen, denſelben bewundert,
und nebſt einer dienſtlichen Dankſagung fuͤr deſſen Mit-
theilung, ſelbige mit dieſem herzlichen Wunſche beglei-
tet: daß doch dieſe guten Lehren ſo beſchaffen ſeyn
moͤchten, daß ſie auch denen in der Welt lebenden
Menſchen koͤnnten brauchbar gemacht werden; ſo
fing die Gemahlinn mit der ihr eigenen und gewohn-
ten Leutſeligkeit an: Sie glaube nicht, daß ein ein-
ziger Punkt in ihren Lebens-Regeln vorhanden waͤre,
welcher von allen, ſo ſich in der Welt befaͤnden, nicht
ſollte koͤnnen gebrauchet werden. Jhr waͤre die Welt,
nebſt allen denjenigen Unruhen und muͤhſeligen Be-
ſchaͤfftigungen, welche einem jeden Stande gleichſam
eigen und faſt nicht davon zu trennen, noch, mehr als
zu wohl bekannt. Sie haͤtte verſchiedene Jahre bey
Hofe zugebracht; dennoch getraue ſie ſich zu erweiſen,
daß auch alle daſelbſt insgemein herrſchende Eitelkei-
ten, ihre Lehr-Saͤtze vollkommen zulaſſen koͤnnten.
Wie viel weniger werden ſie in andern Staͤnden eine
Zerruͤttung machen; indem von dem hoͤchſten bis zu
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 635. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/649>, abgerufen am 25.11.2024.
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