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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746.

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Die unerlaubte Grübeley.
Aus dem, was Er gewirkt, verstehn.
Ein mehrers von Jhm zu ergrübeln,
Als wie Er Selbst erkannt will seyn,
Geschicht aus Hochmuth bloß allein,
Und ist daher uns zu verübeln.

Könnt' auch sogar bey uns auf Erden
Ein Fürst dadurch geehret werden,
Wenn seine Unterthanen dessen,
Womit Er sie beschenkt, vergessen,
Und all ihr ämsiges Bemühn
Auf nichts bestrebeten zu ziehn,
Als wie sie seinen Geist und ihn,
Auf welche Weise er regierte,
Was er für eine Absicht führte,
Vermögten aus- und abzumessen?
Wie viel unmöglicher ist nun,
Was wir in Ansehn Gottes thun?
Wie viel unbilliger daneben,
Daß, statt Jhm Ehrfurcht, Lob und Preis,
Bewunderung und Dank zu geben,
Wir denken, zanken, grübeln, häuffen,
Sein wahres Wesen zu begreiffen.


Aus des vortrefflichen Tit. Herrn Ribow habe ich
die hieher gehörige schöne Stelle herzusetzen nicht
unterlassen können:

Die heilige Schrift berichtet uns an einem Orte Es. 45,
15. Daß Gott ein Gott sey, der sich verbürge,
oder ein verborgener Gott. Und in einer andern Stelle
saget sie uns: Gott offenbahre sich, und lasse sich gleich-
sam vor Augen sehen. Röm. 1, 19. 20. Diese zwo Arten,

uns

Die unerlaubte Gruͤbeley.
Aus dem, was Er gewirkt, verſtehn.
Ein mehrers von Jhm zu ergruͤbeln,
Als wie Er Selbſt erkannt will ſeyn,
Geſchicht aus Hochmuth bloß allein,
Und iſt daher uns zu veruͤbeln.

Koͤnnt’ auch ſogar bey uns auf Erden
Ein Fuͤrſt dadurch geehret werden,
Wenn ſeine Unterthanen deſſen,
Womit Er ſie beſchenkt, vergeſſen,
Und all ihr aͤmſiges Bemuͤhn
Auf nichts beſtrebeten zu ziehn,
Als wie ſie ſeinen Geiſt und ihn,
Auf welche Weiſe er regierte,
Was er fuͤr eine Abſicht fuͤhrte,
Vermoͤgten aus- und abzumeſſen?
Wie viel unmoͤglicher iſt nun,
Was wir in Anſehn Gottes thun?
Wie viel unbilliger daneben,
Daß, ſtatt Jhm Ehrfurcht, Lob und Preis,
Bewunderung und Dank zu geben,
Wir denken, zanken, gruͤbeln, haͤuffen,
Sein wahres Weſen zu begreiffen.


Aus des vortrefflichen Tit. Herrn Ribow habe ich
die hieher gehoͤrige ſchoͤne Stelle herzuſetzen nicht
unterlaſſen koͤnnen:

Die heilige Schrift berichtet uns an einem Orte Eſ. 45,
15. Daß Gott ein Gott ſey, der ſich verbuͤrge,
oder ein verborgener Gott. Und in einer andern Stelle
ſaget ſie uns: Gott offenbahre ſich, und laſſe ſich gleich-
ſam vor Augen ſehen. Roͤm. 1, 19. 20. Dieſe zwo Arten,

uns
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[608/0622] Die unerlaubte Gruͤbeley. Aus dem, was Er gewirkt, verſtehn. Ein mehrers von Jhm zu ergruͤbeln, Als wie Er Selbſt erkannt will ſeyn, Geſchicht aus Hochmuth bloß allein, Und iſt daher uns zu veruͤbeln. Koͤnnt’ auch ſogar bey uns auf Erden Ein Fuͤrſt dadurch geehret werden, Wenn ſeine Unterthanen deſſen, Womit Er ſie beſchenkt, vergeſſen, Und all ihr aͤmſiges Bemuͤhn Auf nichts beſtrebeten zu ziehn, Als wie ſie ſeinen Geiſt und ihn, Auf welche Weiſe er regierte, Was er fuͤr eine Abſicht fuͤhrte, Vermoͤgten aus- und abzumeſſen? Wie viel unmoͤglicher iſt nun, Was wir in Anſehn Gottes thun? Wie viel unbilliger daneben, Daß, ſtatt Jhm Ehrfurcht, Lob und Preis, Bewunderung und Dank zu geben, Wir denken, zanken, gruͤbeln, haͤuffen, Sein wahres Weſen zu begreiffen. Aus des vortrefflichen Tit. Herrn Ribow habe ich die hieher gehoͤrige ſchoͤne Stelle herzuſetzen nicht unterlaſſen koͤnnen: Die heilige Schrift berichtet uns an einem Orte Eſ. 45, 15. Daß Gott ein Gott ſey, der ſich verbuͤrge, oder ein verborgener Gott. Und in einer andern Stelle ſaget ſie uns: Gott offenbahre ſich, und laſſe ſich gleich- ſam vor Augen ſehen. Roͤm. 1, 19. 20. Dieſe zwo Arten, uns

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 608. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/622>, abgerufen am 26.11.2024.