"Da Seine Liebe, Weisheit, Ehre, ja sehr darunter leiden müßte, "Daß Er, da Er, zu Seiner Ehr, die Creatur her- vorgebracht, "Er Sich, in alle Ewigkeit, davon sodann verlästert wüßte: "Es hätte ja, die ewge Weisheit, hiedurch, den gan- zen Zweck verlohrn; "Es hätte ja, die ewge Liebe, fast einen ewgen Haß gebohrn.
"Wenn Göttliche Gerechtigkeit von solchen Eigen- schaften wäre, "Daß, bloß durch sie, des Schöpfers Absicht, als Seine Lieb' und Seine Ehre, "Des großen Zwecks verfehlen müßte; und Gott, so wie es würd' ergehen, "Unstreitig, ja vorher gesehen; "So kann die menschliche Vernunft unmöglich etwas anders fassen, "Als dieß: Die ewge Liebe würde nie Menschen haben werden lassen. Wie weit nun aber die Vernunft, in Glaubens- Sachen, anzuhören, Das werden deutlicher, als ich, vernünftge Geist- lichen erklären.
Noth-
Schluͤſſe der Vernunft.
“Da Seine Liebe, Weisheit, Ehre, ja ſehr darunter leiden muͤßte, “Daß Er, da Er, zu Seiner Ehr, die Creatur her- vorgebracht, “Er Sich, in alle Ewigkeit, davon ſodann verlaͤſtert wuͤßte: “Es haͤtte ja, die ewge Weisheit, hiedurch, den gan- zen Zweck verlohrn; “Es haͤtte ja, die ewge Liebe, faſt einen ewgen Haß gebohrn.
“Wenn Goͤttliche Gerechtigkeit von ſolchen Eigen- ſchaften waͤre, “Daß, bloß durch ſie, des Schoͤpfers Abſicht, als Seine Lieb’ und Seine Ehre, “Des großen Zwecks verfehlen muͤßte; und Gott, ſo wie es wuͤrd’ ergehen, “Unſtreitig, ja vorher geſehen; “So kann die menſchliche Vernunft unmoͤglich etwas anders faſſen, “Als dieß: Die ewge Liebe wuͤrde nie Menſchen haben werden laſſen. Wie weit nun aber die Vernunft, in Glaubens- Sachen, anzuhoͤren, Das werden deutlicher, als ich, vernuͤnftge Geiſt- lichen erklaͤren.
Noth-
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Schluͤſſe der Vernunft.
“Da Seine Liebe, Weisheit, Ehre, ja ſehr darunter
leiden muͤßte,
“Daß Er, da Er, zu Seiner Ehr, die Creatur her-
vorgebracht,
“Er Sich, in alle Ewigkeit, davon ſodann verlaͤſtert
wuͤßte:
“Es haͤtte ja, die ewge Weisheit, hiedurch, den gan-
zen Zweck verlohrn;
“Es haͤtte ja, die ewge Liebe, faſt einen ewgen Haß
gebohrn.
“Wenn Goͤttliche Gerechtigkeit von ſolchen Eigen-
ſchaften waͤre,
“Daß, bloß durch ſie, des Schoͤpfers Abſicht, als
Seine Lieb’ und Seine Ehre,
“Des großen Zwecks verfehlen muͤßte; und Gott, ſo
wie es wuͤrd’ ergehen,
“Unſtreitig, ja vorher geſehen;
“So kann die menſchliche Vernunft unmoͤglich etwas
anders faſſen,
“Als dieß: Die ewge Liebe wuͤrde nie Menſchen haben
werden laſſen.
Wie weit nun aber die Vernunft, in Glaubens-
Sachen, anzuhoͤren,
Das werden deutlicher, als ich, vernuͤnftge Geiſt-
lichen erklaͤren.
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 543. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/557>, abgerufen am 23.11.2024.
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