Unempfindlichkeit über Göttliche Wohlthaten, ein Verbrechen.
Wenn ich den Menschen recht mit Ernst, was um und an ihm ist, erwege, Und, daß er eigentlich ein Wesen, ein solches Wesen, überlege, Das riechen, schmecken, fühlen, hören, auch sehen, und gedenken, kann; So seh' ich ihn nicht anders an, Als daß ihm, hier in diesem Leben, Die Sinnen, nebst der Kraft zu denken, zum sicheren Beweis gegeben: Daß, Der sie ihm gegeben, wolle, Daß er sie anders, als ein Thier, das nicht gedenket, brauchen solle.
Soll denn die Absicht, Pflicht und Vorzug, von einer so begabten Seelen, Allein, um Reichthum zu erwerben, Metall zu häufen, Geld zu zählen, Wie es doch meist geschicht, bestehn? "Was kann denn für ein Endzweck seyn, "Daß wir so vielerley erhalten, in diesem Leben, als allein: "Zu Dessen Preis und Ruhm und Ehren, "Der uns dieß alles wollen schenken, "Bedachtsam, süße Bluhmen riechen; was schön ist, sehen; Töne hören; "Was sanft ist, fühlen; Früchte schmecken, mit An- muth; und dabey gedenken:
"Daß
Unempfindlichkeit uͤber Goͤttliche Wohlthaten, ein Verbrechen.
Wenn ich den Menſchen recht mit Ernſt, was um und an ihm iſt, erwege, Und, daß er eigentlich ein Weſen, ein ſolches Weſen, uͤberlege, Das riechen, ſchmecken, fuͤhlen, hoͤren, auch ſehen, und gedenken, kann; So ſeh’ ich ihn nicht anders an, Als daß ihm, hier in dieſem Leben, Die Sinnen, nebſt der Kraft zu denken, zum ſicheren Beweis gegeben: Daß, Der ſie ihm gegeben, wolle, Daß er ſie anders, als ein Thier, das nicht gedenket, brauchen ſolle.
Soll denn die Abſicht, Pflicht und Vorzug, von einer ſo begabten Seelen, Allein, um Reichthum zu erwerben, Metall zu haͤufen, Geld zu zaͤhlen, Wie es doch meiſt geſchicht, beſtehn? “Was kann denn fuͤr ein Endzweck ſeyn, “Daß wir ſo vielerley erhalten, in dieſem Leben, als allein: “Zu Deſſen Preis und Ruhm und Ehren, “Der uns dieß alles wollen ſchenken, “Bedachtſam, ſuͤße Bluhmen riechen; was ſchoͤn iſt, ſehen; Toͤne hoͤren; “Was ſanft iſt, fuͤhlen; Fruͤchte ſchmecken, mit An- muth; und dabey gedenken:
“Daß
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Unempfindlichkeit
uͤber Goͤttliche Wohlthaten,
ein Verbrechen.
Wenn ich den Menſchen recht mit Ernſt, was um
und an ihm iſt, erwege,
Und, daß er eigentlich ein Weſen, ein ſolches Weſen, uͤberlege,
Das riechen, ſchmecken, fuͤhlen, hoͤren, auch ſehen, und
gedenken, kann;
So ſeh’ ich ihn nicht anders an,
Als daß ihm, hier in dieſem Leben,
Die Sinnen, nebſt der Kraft zu denken, zum ſicheren
Beweis gegeben:
Daß, Der ſie ihm gegeben, wolle,
Daß er ſie anders, als ein Thier, das nicht gedenket,
brauchen ſolle.
Soll denn die Abſicht, Pflicht und Vorzug, von einer
ſo begabten Seelen,
Allein, um Reichthum zu erwerben, Metall zu haͤufen,
Geld zu zaͤhlen,
Wie es doch meiſt geſchicht, beſtehn?
“Was kann denn fuͤr ein Endzweck ſeyn,
“Daß wir ſo vielerley erhalten, in dieſem Leben, als allein:
“Zu Deſſen Preis und Ruhm und Ehren,
“Der uns dieß alles wollen ſchenken,
“Bedachtſam, ſuͤße Bluhmen riechen; was ſchoͤn iſt,
ſehen; Toͤne hoͤren;
“Was ſanft iſt, fuͤhlen; Fruͤchte ſchmecken, mit An-
muth; und dabey gedenken:
“Daß
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 504. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/518>, abgerufen am 16.02.2025.
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