Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746.die Quelle des menschlichen Unglücks. Als: Du seyst nicht so klug, als er. Gleich wirddein schwülstger Stolz gereizt Zu seiner Selbst-Verthädigung; gleich fängt er Feuer, strebt und spreizt Sich gegen alle fremde Lehre, sie sey so deutlich und so klar, So gründlich und unwidersprechlich, als wie sie woll', und noch so wahr. Der Stolz vergißt recht unvergeblich, daß er sich tausendmal geirret, Daß Vorurtheil und Uebereilung ihn tausend- tausend- mal verwirret. Ja, er vergißt so gar sein Wesen, das bloß so einge- richtet scheint, Daß er nichts, gründlich, wissen soll: daß, wenn er nur vernünftig meynt; Er seiner Absicht schon gemäß, wozu er in der Welt, gelebet. Wo er, die wahre Wissenschaft hier zu erlangen, sich bestrebet, Die, wie es scheint, ein Eigenthum von einer andern Athmosphäre; So will er fliegen, sonder Flügel: da aber ihn, sein' eigne Schwehre, Beständig wieder rückwärts zieht. "Nur die Bewun- derung allein, "Scheint bloß die Absicht und das Ziel, bey allen Sterblichen, zu seyn, "Wohin ihr Geist gelangen kann. Nur durch Be- wundrung dienet er "Sich selbst, ohn allen Zank und Streit. So wird, nicht minder, Gott der Herr, "Bloß J i 3
die Quelle des menſchlichen Ungluͤcks. Als: Du ſeyſt nicht ſo klug, als er. Gleich wirddein ſchwuͤlſtger Stolz gereizt Zu ſeiner Selbſt-Verthaͤdigung; gleich faͤngt er Feuer, ſtrebt und ſpreizt Sich gegen alle fremde Lehre, ſie ſey ſo deutlich und ſo klar, So gruͤndlich und unwiderſprechlich, als wie ſie woll’, und noch ſo wahr. Der Stolz vergißt recht unvergeblich, daß er ſich tauſendmal geirret, Daß Vorurtheil und Uebereilung ihn tauſend- tauſend- mal verwirret. Ja, er vergißt ſo gar ſein Weſen, das bloß ſo einge- richtet ſcheint, Daß er nichts, gruͤndlich, wiſſen ſoll: daß, wenn er nur vernuͤnftig meynt; Er ſeiner Abſicht ſchon gemaͤß, wozu er in der Welt, gelebet. Wo er, die wahre Wiſſenſchaft hier zu erlangen, ſich beſtrebet, Die, wie es ſcheint, ein Eigenthum von einer andern Athmoſphaͤre; So will er fliegen, ſonder Fluͤgel: da aber ihn, ſein’ eigne Schwehre, Beſtaͤndig wieder ruͤckwaͤrts zieht. “Nur die Bewun- derung allein, “Scheint bloß die Abſicht und das Ziel, bey allen Sterblichen, zu ſeyn, “Wohin ihr Geiſt gelangen kann. Nur durch Be- wundrung dienet er “Sich ſelbſt, ohn allen Zank und Streit. So wird, nicht minder, Gott der Herr, “Bloß J i 3
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die Quelle des menſchlichen Ungluͤcks.
Als: Du ſeyſt nicht ſo klug, als er. Gleich wird
dein ſchwuͤlſtger Stolz gereizt
Zu ſeiner Selbſt-Verthaͤdigung; gleich faͤngt er Feuer,
ſtrebt und ſpreizt
Sich gegen alle fremde Lehre, ſie ſey ſo deutlich und ſo klar,
So gruͤndlich und unwiderſprechlich, als wie ſie woll’,
und noch ſo wahr.
Der Stolz vergißt recht unvergeblich, daß er ſich
tauſendmal geirret,
Daß Vorurtheil und Uebereilung ihn tauſend- tauſend-
mal verwirret.
Ja, er vergißt ſo gar ſein Weſen, das bloß ſo einge-
richtet ſcheint,
Daß er nichts, gruͤndlich, wiſſen ſoll: daß, wenn er nur
vernuͤnftig meynt;
Er ſeiner Abſicht ſchon gemaͤß, wozu er in der Welt,
gelebet.
Wo er, die wahre Wiſſenſchaft hier zu erlangen, ſich
beſtrebet,
Die, wie es ſcheint, ein Eigenthum von einer andern
Athmoſphaͤre;
So will er fliegen, ſonder Fluͤgel: da aber ihn, ſein’
eigne Schwehre,
Beſtaͤndig wieder ruͤckwaͤrts zieht. “Nur die Bewun-
derung allein,
“Scheint bloß die Abſicht und das Ziel, bey allen
Sterblichen, zu ſeyn,
“Wohin ihr Geiſt gelangen kann. Nur durch Be-
wundrung dienet er
“Sich ſelbſt, ohn allen Zank und Streit. So wird,
nicht minder, Gott der Herr,
“Bloß
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