"Der schönen Lettern angesehn, viel minder darinn buch- stabiert, "Noch weniger darinn studiert, "Den Jnhalt, der der wahre Gott, in seinen großen Wunder-Werken, "Die dieses Buches Lettern sind, zu überlegen, zu be- merken; "Und meynen doch, die weise Schrift, und den darinn verborgnen Schein, "Durch unsrer Augen Brillen bloß, zu lesen, schon ge- schickt zu seyn.
"Wahrhaftig, es sind unser' Augen, wenn unser Geist nicht lesen kann, "Nichts, als ein bloßes Brillen-Glas. Wir sehn den Kreis der Erden an, "Als einer, der nicht liest, ein Buch; obgleich, in des- sen klugen Zügen, "Der allertiefsten Weisheit Schätze enthalten, und ver- borgen liegen.
Stunden
Menſchliche Unwiſſenheit im Buche der Natur.
“Der ſchoͤnen Lettern angeſehn, viel minder darinn buch- ſtabiert, “Noch weniger darinn ſtudiert, “Den Jnhalt, der der wahre Gott, in ſeinen großen Wunder-Werken, “Die dieſes Buches Lettern ſind, zu uͤberlegen, zu be- merken; “Und meynen doch, die weiſe Schrift, und den darinn verborgnen Schein, “Durch unſrer Augen Brillen bloß, zu leſen, ſchon ge- ſchickt zu ſeyn.
“Wahrhaftig, es ſind unſer’ Augen, wenn unſer Geiſt nicht leſen kann, “Nichts, als ein bloßes Brillen-Glas. Wir ſehn den Kreis der Erden an, “Als einer, der nicht lieſt, ein Buch; obgleich, in deſ- ſen klugen Zuͤgen, “Der allertiefſten Weisheit Schaͤtze enthalten, und ver- borgen liegen.
Stunden
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Menſchliche Unwiſſenheit im Buche der Natur.
“Der ſchoͤnen Lettern angeſehn, viel minder darinn buch-
ſtabiert,
“Noch weniger darinn ſtudiert,
“Den Jnhalt, der der wahre Gott, in ſeinen großen
Wunder-Werken,
“Die dieſes Buches Lettern ſind, zu uͤberlegen, zu be-
merken;
“Und meynen doch, die weiſe Schrift, und den darinn
verborgnen Schein,
“Durch unſrer Augen Brillen bloß, zu leſen, ſchon ge-
ſchickt zu ſeyn.
“Wahrhaftig, es ſind unſer’ Augen, wenn unſer Geiſt
nicht leſen kann,
“Nichts, als ein bloßes Brillen-Glas. Wir ſehn den
Kreis der Erden an,
“Als einer, der nicht lieſt, ein Buch; obgleich, in deſ-
ſen klugen Zuͤgen,
“Der allertiefſten Weisheit Schaͤtze enthalten, und ver-
borgen liegen.
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 461. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/475>, abgerufen am 24.11.2024.
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