Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746.Neu-Jahrs-Gedicht auf das 1745ste Jahr. "Nichts kann unsers eignen Wesens Stand und Größ' uns mehr enthüllen, "Als wenn Seiner Creaturen Größen unsre Seelen füllen, "Und sie dadurch selbst vergrößern." Um uns selbst nun zu erhöhn, Jn des Schöpfers Wunder-Werken, wenn wir Jhn darinn ersehn; Tret' ich eine neue Bahn, "(gieb, o Gott, daß es gelinge, "Wenn ich in der Allmacht Tiefen, mit erstaunter Ehr- furcht, dringe!) Durch ein neues Dichten, an. Vorurtheile zu bekämpfen, Und, nach aller Möglichkeit, die Unachtsamkeit zu dämpfen; Auch zugleich von Gottes Wundern, wie Er Sich, auf dieser Welt, Jn denselben, so unendlich majestätisch dargestellt, Ob es viele gleich nicht merken, etwas würdigs zu erzehlen: Jst, bey folgender Geschicht, bloß die Absicht meiner Seelen. Erzehlung. Der weise Silvius, verfolgt von falschen Freunden, Beneidet und gehaßt von ungerechten Feinden, Hatt' eine lange Zeit, in einer weiten Höhle, An eines Berges Fuß, der sein verwegnes Haupt Bis an die Wolken streckt, von Fichten rings belaubt, Den jungen Cernamir erzogen: dessen Seele, Von der Natur, zum Sitz der Wissenschaft bestimmt, Worinn der Weisheit Feur von Jugend auf geglimmt; Und der, seit kurzem nur, ins siebenzehnte Jahr Nunmehr getreten war. Die
Neu-Jahrs-Gedicht auf das 1745ſte Jahr. “Nichts kann unſers eignen Weſens Stand und Groͤß’ uns mehr enthuͤllen, “Als wenn Seiner Creaturen Groͤßen unſre Seelen fuͤllen, “Und ſie dadurch ſelbſt vergroͤßern.„ Um uns ſelbſt nun zu erhoͤhn, Jn des Schoͤpfers Wunder-Werken, wenn wir Jhn darinn erſehn; Tret’ ich eine neue Bahn, “(gieb, o Gott, daß es gelinge, “Wenn ich in der Allmacht Tiefen, mit erſtaunter Ehr- furcht, dringe!) Durch ein neues Dichten, an. Vorurtheile zu bekaͤmpfen, Und, nach aller Moͤglichkeit, die Unachtſamkeit zu daͤmpfen; Auch zugleich von Gottes Wundern, wie Er Sich, auf dieſer Welt, Jn denſelben, ſo unendlich majeſtaͤtiſch dargeſtellt, Ob es viele gleich nicht merken, etwas wuͤrdigs zu erzehlen: Jſt, bey folgender Geſchicht, bloß die Abſicht meiner Seelen. Erzehlung. Der weiſe Silvius, verfolgt von falſchen Freunden, Beneidet und gehaßt von ungerechten Feinden, Hatt’ eine lange Zeit, in einer weiten Hoͤhle, An eines Berges Fuß, der ſein verwegnes Haupt Bis an die Wolken ſtreckt, von Fichten rings belaubt, Den jungen Cernamir erzogen: deſſen Seele, Von der Natur, zum Sitz der Wiſſenſchaft beſtimmt, Worinn der Weisheit Feur von Jugend auf geglimmt; Und der, ſeit kurzem nur, ins ſiebenzehnte Jahr Nunmehr getreten war. Die
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0427" n="413"/> <fw place="top" type="header">Neu-Jahrs-Gedicht auf das 1745ſte Jahr.</fw><lb/> <lg n="1"> <l>“Nichts kann unſers eignen Weſens Stand und Groͤß’<lb/><hi rendition="#et">uns mehr enthuͤllen,</hi></l><lb/> <l>“Als wenn Seiner Creaturen Groͤßen unſre Seelen<lb/><hi rendition="#et">fuͤllen,</hi></l><lb/> <l>“Und ſie dadurch ſelbſt vergroͤßern.„ Um uns ſelbſt<lb/><hi rendition="#et">nun zu erhoͤhn,</hi></l><lb/> <l>Jn des Schoͤpfers Wunder-Werken, wenn wir Jhn<lb/><hi rendition="#et">darinn erſehn;</hi></l><lb/> <l>Tret’ ich eine neue Bahn, “(gieb, o Gott, daß es<lb/><hi rendition="#et">gelinge,</hi></l><lb/> <l>“Wenn ich in der Allmacht Tiefen, mit erſtaunter Ehr-<lb/><hi rendition="#et">furcht, dringe!)</hi></l><lb/> <l>Durch ein neues Dichten, an. Vorurtheile zu bekaͤmpfen,</l><lb/> <l>Und, nach aller Moͤglichkeit, die Unachtſamkeit zu daͤmpfen;</l><lb/> <l>Auch zugleich von Gottes Wundern, wie Er Sich, auf<lb/><hi rendition="#et">dieſer Welt,</hi></l><lb/> <l>Jn denſelben, ſo unendlich majeſtaͤtiſch dargeſtellt,</l><lb/> <l>Ob es viele gleich nicht merken, etwas wuͤrdigs zu erzehlen:</l><lb/> <l>Jſt, bey folgender Geſchicht, bloß die Abſicht meiner<lb/><hi rendition="#et">Seelen.</hi></l> </lg> </lg><lb/> <div n="4"> <head> <hi rendition="#b">Erzehlung.</hi> </head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">D</hi>er weiſe <hi rendition="#fr">Silvius,</hi> verfolgt von falſchen Freunden,</l><lb/> <l>Beneidet und gehaßt von ungerechten Feinden,</l><lb/> <l>Hatt’ eine lange Zeit, in einer weiten Hoͤhle,</l><lb/> <l>An eines Berges Fuß, der ſein verwegnes Haupt</l><lb/> <l>Bis an die Wolken ſtreckt, von Fichten rings belaubt,</l><lb/> <l>Den jungen <hi rendition="#fr">Cernamir</hi> erzogen: deſſen Seele,</l><lb/> <l>Von der Natur, zum Sitz der Wiſſenſchaft beſtimmt,</l><lb/> <l>Worinn der Weisheit Feur von Jugend auf geglimmt;</l><lb/> <l>Und der, ſeit kurzem nur, ins ſiebenzehnte Jahr</l><lb/> <l>Nunmehr getreten war.</l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/> </lg> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [413/0427]
Neu-Jahrs-Gedicht auf das 1745ſte Jahr.
“Nichts kann unſers eignen Weſens Stand und Groͤß’
uns mehr enthuͤllen,
“Als wenn Seiner Creaturen Groͤßen unſre Seelen
fuͤllen,
“Und ſie dadurch ſelbſt vergroͤßern.„ Um uns ſelbſt
nun zu erhoͤhn,
Jn des Schoͤpfers Wunder-Werken, wenn wir Jhn
darinn erſehn;
Tret’ ich eine neue Bahn, “(gieb, o Gott, daß es
gelinge,
“Wenn ich in der Allmacht Tiefen, mit erſtaunter Ehr-
furcht, dringe!)
Durch ein neues Dichten, an. Vorurtheile zu bekaͤmpfen,
Und, nach aller Moͤglichkeit, die Unachtſamkeit zu daͤmpfen;
Auch zugleich von Gottes Wundern, wie Er Sich, auf
dieſer Welt,
Jn denſelben, ſo unendlich majeſtaͤtiſch dargeſtellt,
Ob es viele gleich nicht merken, etwas wuͤrdigs zu erzehlen:
Jſt, bey folgender Geſchicht, bloß die Abſicht meiner
Seelen.
Erzehlung.
Der weiſe Silvius, verfolgt von falſchen Freunden,
Beneidet und gehaßt von ungerechten Feinden,
Hatt’ eine lange Zeit, in einer weiten Hoͤhle,
An eines Berges Fuß, der ſein verwegnes Haupt
Bis an die Wolken ſtreckt, von Fichten rings belaubt,
Den jungen Cernamir erzogen: deſſen Seele,
Von der Natur, zum Sitz der Wiſſenſchaft beſtimmt,
Worinn der Weisheit Feur von Jugend auf geglimmt;
Und der, ſeit kurzem nur, ins ſiebenzehnte Jahr
Nunmehr getreten war.
Die
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |