Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746.Neu-Jahrs-Gedicht, Ach laß doch, so oft wir, in Deinen Geschöpfen, Dich, und Dein herrlichs Wesen, sehn, Die Lieder, die von uns erkenntlichst erschallen, Dir, ewiges, einiges Alles in allen, Aus Lieb' und Erbarmung, zum Opfer, ge- fallen! Nun wend' ich mich zu meiner Lieder besondrer Absicht, und erkenne, Wie viel, wie fast unzählich viel, von Glück und Gutem, Gott mir gönne; Wie groß die Menge Seiner Gaben, die kaum zu zäh- len, kaum zu fassen, Er mir im vorgen Jahr geschenkt, und mir im vorgen Jahr gelassen. Wenn ich, so wie ich schuldig wär, sie, in der Ordnung, sollte zählen; So würde mir das Ende fast, und die Geduld dem Le- ser, fehlen. Da ausser dem, was uns nicht angeht, uns selten auch zu rühren pflegt; So deucht mich, daß es besser sey, wenn sie mein Geist für sich erwegt, Und, in der Stille, meinem Schöpfer zum Ruhm, sie bey mir überlegt; Jhm herzlich dank', Jhn lob' und preise, und, mit ge- rührter Seel', erkenne, Daß ich das Gute nicht verdient, und Er mirs bloß aus Gnaden gönne. Wann
Neu-Jahrs-Gedicht, Ach laß doch, ſo oft wir, in Deinen Geſchoͤpfen, Dich, und Dein herrlichs Weſen, ſehn, Die Lieder, die von uns erkenntlichſt erſchallen, Dir, ewiges, einiges Alles in allen, Aus Lieb’ und Erbarmung, zum Opfer, ge- fallen! Nun wend’ ich mich zu meiner Lieder beſondrer Abſicht, und erkenne, Wie viel, wie faſt unzaͤhlich viel, von Gluͤck und Gutem, Gott mir goͤnne; Wie groß die Menge Seiner Gaben, die kaum zu zaͤh- len, kaum zu faſſen, Er mir im vorgen Jahr geſchenkt, und mir im vorgen Jahr gelaſſen. Wenn ich, ſo wie ich ſchuldig waͤr, ſie, in der Ordnung, ſollte zaͤhlen; So wuͤrde mir das Ende faſt, und die Geduld dem Le- ſer, fehlen. Da auſſer dem, was uns nicht angeht, uns ſelten auch zu ruͤhren pflegt; So deucht mich, daß es beſſer ſey, wenn ſie mein Geiſt fuͤr ſich erwegt, Und, in der Stille, meinem Schoͤpfer zum Ruhm, ſie bey mir uͤberlegt; Jhm herzlich dank’, Jhn lob’ und preiſe, und, mit ge- ruͤhrter Seel’, erkenne, Daß ich das Gute nicht verdient, und Er mirs bloß aus Gnaden goͤnne. Wann
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Neu-Jahrs-Gedicht,
Ach laß doch, ſo oft wir, in Deinen Geſchoͤpfen,
Dich, und Dein herrlichs Weſen, ſehn,
Die Lieder, die von uns erkenntlichſt erſchallen,
Dir, ewiges, einiges Alles in allen,
Aus Lieb’ und Erbarmung, zum Opfer, ge-
fallen!
Nun wend’ ich mich zu meiner Lieder beſondrer Abſicht,
und erkenne,
Wie viel, wie faſt unzaͤhlich viel, von Gluͤck und Gutem,
Gott mir goͤnne;
Wie groß die Menge Seiner Gaben, die kaum zu zaͤh-
len, kaum zu faſſen,
Er mir im vorgen Jahr geſchenkt, und mir im vorgen
Jahr gelaſſen.
Wenn ich, ſo wie ich ſchuldig waͤr, ſie, in der Ordnung,
ſollte zaͤhlen;
So wuͤrde mir das Ende faſt, und die Geduld dem Le-
ſer, fehlen.
Da auſſer dem, was uns nicht angeht, uns ſelten auch
zu ruͤhren pflegt;
So deucht mich, daß es beſſer ſey, wenn ſie mein Geiſt
fuͤr ſich erwegt,
Und, in der Stille, meinem Schoͤpfer zum Ruhm, ſie
bey mir uͤberlegt;
Jhm herzlich dank’, Jhn lob’ und preiſe, und, mit ge-
ruͤhrter Seel’, erkenne,
Daß ich das Gute nicht verdient, und Er mirs bloß
aus Gnaden goͤnne.
Wann
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