Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite
in einem Neu-Jahrs-Gedichte.
Es sind der Menschen Körper ja, auf eine solche Art,
gebauet,

Daß man beständig einen Abgang, an dessen Bau und
Wesen, schauet.

Wir sind daher auf eine Erde, von einer solchen Art, gesetzt,
Die, durch die Fruchtbarkeit, die Theile, die wir verlieren,
zu ergänzen,

Bis zur Verwundrung, fähig ist; ja, die zugleich uns
auch ergetzt

Jm lieblichen Gewürz des Hungers. Doch hat dieselbe
solche Gränzen,

Daß sie, durch unsern Beytrag nur, wenn man sie pflü-
get, eget, düngt,

Uns alles das, was wir bedürfen, in einer solchen Maße,
bringt,

Die wieder ihre Maße hat. Denn, sollte sie zu reich-
lich tragen;

Würd', uns zum Schaden, das Getraid', im Preise,
so herunter schlagen,

Daß Bürger, Bauer, Edelmann, beym Ueberfluß, ver-
armen würde,

Und keiner recht bestehen könnte, durch eines armen Reich-
thums Bürde.

Der Bauer kriegte keine Mühe, der Edelmann kein Land,
bezahlt;

Der Bürger hätte nichts zu tauschen. Und kurz: Zu
große Fruchtbarkeit

Brächt', in dem größten Ueberfluß der Erden, eine theure
Zeit.

Woraus denn abermal ein Glanz von einer weisen Vor-
sicht strahlt.
Allein,
in einem Neu-Jahrs-Gedichte.
Es ſind der Menſchen Koͤrper ja, auf eine ſolche Art,
gebauet,

Daß man beſtaͤndig einen Abgang, an deſſen Bau und
Weſen, ſchauet.

Wir ſind daher auf eine Erde, von einer ſolchen Art, geſetzt,
Die, durch die Fruchtbarkeit, die Theile, die wir verlieren,
zu ergaͤnzen,

Bis zur Verwundrung, faͤhig iſt; ja, die zugleich uns
auch ergetzt

Jm lieblichen Gewuͤrz des Hungers. Doch hat dieſelbe
ſolche Graͤnzen,

Daß ſie, durch unſern Beytrag nur, wenn man ſie pfluͤ-
get, eget, duͤngt,

Uns alles das, was wir beduͤrfen, in einer ſolchen Maße,
bringt,

Die wieder ihre Maße hat. Denn, ſollte ſie zu reich-
lich tragen;

Wuͤrd’, uns zum Schaden, das Getraid’, im Preiſe,
ſo herunter ſchlagen,

Daß Buͤrger, Bauer, Edelmann, beym Ueberfluß, ver-
armen wuͤrde,

Und keiner recht beſtehen koͤnnte, durch eines armen Reich-
thums Buͤrde.

Der Bauer kriegte keine Muͤhe, der Edelmann kein Land,
bezahlt;

Der Buͤrger haͤtte nichts zu tauſchen. Und kurz: Zu
große Fruchtbarkeit

Braͤcht’, in dem groͤßten Ueberfluß der Erden, eine theure
Zeit.

Woraus denn abermal ein Glanz von einer weiſen Vor-
ſicht ſtrahlt.
Allein,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <pb facs="#f0315" n="301"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">in einem Neu-Jahrs-Gedichte.</hi> </fw><lb/>
              <lg n="30">
                <l>Es &#x017F;ind der Men&#x017F;chen Ko&#x0364;rper ja, auf eine &#x017F;olche Art,<lb/><hi rendition="#et">gebauet,</hi></l><lb/>
                <l>Daß man be&#x017F;ta&#x0364;ndig einen Abgang, an de&#x017F;&#x017F;en Bau und<lb/><hi rendition="#et">We&#x017F;en, &#x017F;chauet.</hi></l><lb/>
                <l>Wir &#x017F;ind daher auf eine Erde, von einer &#x017F;olchen Art, ge&#x017F;etzt,</l><lb/>
                <l>Die, durch die Fruchtbarkeit, die Theile, die wir verlieren,<lb/><hi rendition="#et">zu erga&#x0364;nzen,</hi></l><lb/>
                <l>Bis zur Verwundrung, fa&#x0364;hig i&#x017F;t; ja, die zugleich uns<lb/><hi rendition="#et">auch ergetzt</hi></l><lb/>
                <l>Jm lieblichen Gewu&#x0364;rz des Hungers. Doch hat die&#x017F;elbe<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;olche Gra&#x0364;nzen,</hi></l><lb/>
                <l>Daß &#x017F;ie, durch un&#x017F;ern Beytrag nur, wenn man &#x017F;ie pflu&#x0364;-<lb/><hi rendition="#et">get, eget, du&#x0364;ngt,</hi></l><lb/>
                <l>Uns alles das, was wir bedu&#x0364;rfen, in einer &#x017F;olchen Maße,<lb/><hi rendition="#et">bringt,</hi></l><lb/>
                <l>Die wieder ihre Maße hat. Denn, &#x017F;ollte &#x017F;ie zu reich-<lb/><hi rendition="#et">lich tragen;</hi></l><lb/>
                <l>Wu&#x0364;rd&#x2019;, uns zum Schaden, das Getraid&#x2019;, im Prei&#x017F;e,<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;o herunter &#x017F;chlagen,</hi></l><lb/>
                <l>Daß Bu&#x0364;rger, Bauer, Edelmann, beym Ueberfluß, ver-<lb/><hi rendition="#et">armen wu&#x0364;rde,</hi></l><lb/>
                <l>Und keiner recht be&#x017F;tehen ko&#x0364;nnte, durch eines armen Reich-<lb/><hi rendition="#et">thums Bu&#x0364;rde.</hi></l><lb/>
                <l>Der Bauer kriegte keine Mu&#x0364;he, der Edelmann kein Land,<lb/><hi rendition="#et">bezahlt;</hi></l><lb/>
                <l>Der Bu&#x0364;rger ha&#x0364;tte nichts zu tau&#x017F;chen. Und kurz: Zu<lb/><hi rendition="#et">große Fruchtbarkeit</hi></l><lb/>
                <l>Bra&#x0364;cht&#x2019;, in dem gro&#x0364;ßten Ueberfluß der Erden, eine theure<lb/><hi rendition="#et">Zeit.</hi></l><lb/>
                <l>Woraus denn abermal ein Glanz von einer wei&#x017F;en Vor-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;icht &#x017F;trahlt.</hi></l>
              </lg><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">Allein,</fw><lb/>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[301/0315] in einem Neu-Jahrs-Gedichte. Es ſind der Menſchen Koͤrper ja, auf eine ſolche Art, gebauet, Daß man beſtaͤndig einen Abgang, an deſſen Bau und Weſen, ſchauet. Wir ſind daher auf eine Erde, von einer ſolchen Art, geſetzt, Die, durch die Fruchtbarkeit, die Theile, die wir verlieren, zu ergaͤnzen, Bis zur Verwundrung, faͤhig iſt; ja, die zugleich uns auch ergetzt Jm lieblichen Gewuͤrz des Hungers. Doch hat dieſelbe ſolche Graͤnzen, Daß ſie, durch unſern Beytrag nur, wenn man ſie pfluͤ- get, eget, duͤngt, Uns alles das, was wir beduͤrfen, in einer ſolchen Maße, bringt, Die wieder ihre Maße hat. Denn, ſollte ſie zu reich- lich tragen; Wuͤrd’, uns zum Schaden, das Getraid’, im Preiſe, ſo herunter ſchlagen, Daß Buͤrger, Bauer, Edelmann, beym Ueberfluß, ver- armen wuͤrde, Und keiner recht beſtehen koͤnnte, durch eines armen Reich- thums Buͤrde. Der Bauer kriegte keine Muͤhe, der Edelmann kein Land, bezahlt; Der Buͤrger haͤtte nichts zu tauſchen. Und kurz: Zu große Fruchtbarkeit Braͤcht’, in dem groͤßten Ueberfluß der Erden, eine theure Zeit. Woraus denn abermal ein Glanz von einer weiſen Vor- ſicht ſtrahlt. Allein,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/315
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/315>, abgerufen am 24.11.2024.