Hingegen ward ein' andre Stadt, an einem andern Ort, gebauet, Wo man, auf einem dürren Sande, nur starr' und dürre Dornen schauet; Wo nichts, als kalter Kieselstein, verfaultes Mooß, und trübe Luft, Jm Schatten eines schroffen Felsens; wo den nicht leicht zertheilten Duft Die Sonne kaum zu Mittag theilet. Hier wird ein schwirrendes Getön Beständig, Tag und Nacht, gehört. Nur Handwerks- Hütten sind zu sehn; Beschmutzte Buden, niedre Dächer. Die Bürger die- ser armen Stadt Sind Handwerks-Arbeits-Acker-Leute, nie ruhig, stets von Arbeit matt.
Nun laßt uns einst, mit ernstem Fleiß, auf das Be- tragen und das Leben Der Seligen der ersten Stadt, wo nichts als Reichthum, Achtung geben. Wie lange wird die Freude dauren, wie lange die Zufrie- denheit? So bald die Mittags-Zeit erscheinet, entfernt sich die Bequemlichkeit: Kein Koch, kein Diener, ist zugegen, kein Essen gaar, kein Tisch gedeckt. Da sich, zu einer Mahlzeit nur, die Zahl der Hände weit erstreckt, Die alle dazu nöthig sind; so ist kein' einzige vorhanden. Viel güldne Schüsseln, Teller, Aufsätz' und silberne Ge- fäße standen,
Jn
Nutzen des Mangels,
Hingegen ward ein’ andre Stadt, an einem andern Ort, gebauet, Wo man, auf einem duͤrren Sande, nur ſtarr’ und duͤrre Dornen ſchauet; Wo nichts, als kalter Kieſelſtein, verfaultes Mooß, und truͤbe Luft, Jm Schatten eines ſchroffen Felſens; wo den nicht leicht zertheilten Duft Die Sonne kaum zu Mittag theilet. Hier wird ein ſchwirrendes Getoͤn Beſtaͤndig, Tag und Nacht, gehoͤrt. Nur Handwerks- Huͤtten ſind zu ſehn; Beſchmutzte Buden, niedre Daͤcher. Die Buͤrger die- ſer armen Stadt Sind Handwerks-Arbeits-Acker-Leute, nie ruhig, ſtets von Arbeit matt.
Nun laßt uns einſt, mit ernſtem Fleiß, auf das Be- tragen und das Leben Der Seligen der erſten Stadt, wo nichts als Reichthum, Achtung geben. Wie lange wird die Freude dauren, wie lange die Zufrie- denheit? So bald die Mittags-Zeit erſcheinet, entfernt ſich die Bequemlichkeit: Kein Koch, kein Diener, iſt zugegen, kein Eſſen gaar, kein Tiſch gedeckt. Da ſich, zu einer Mahlzeit nur, die Zahl der Haͤnde weit erſtreckt, Die alle dazu noͤthig ſind; ſo iſt kein’ einzige vorhanden. Viel guͤldne Schuͤſſeln, Teller, Aufſaͤtz’ und ſilberne Ge- faͤße ſtanden,
Jn
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Nutzen des Mangels,
Hingegen ward ein’ andre Stadt, an einem andern
Ort, gebauet,
Wo man, auf einem duͤrren Sande, nur ſtarr’ und duͤrre
Dornen ſchauet;
Wo nichts, als kalter Kieſelſtein, verfaultes Mooß, und
truͤbe Luft,
Jm Schatten eines ſchroffen Felſens; wo den nicht leicht
zertheilten Duft
Die Sonne kaum zu Mittag theilet. Hier wird ein
ſchwirrendes Getoͤn
Beſtaͤndig, Tag und Nacht, gehoͤrt. Nur Handwerks-
Huͤtten ſind zu ſehn;
Beſchmutzte Buden, niedre Daͤcher. Die Buͤrger die-
ſer armen Stadt
Sind Handwerks-Arbeits-Acker-Leute, nie ruhig, ſtets
von Arbeit matt.
Nun laßt uns einſt, mit ernſtem Fleiß, auf das Be-
tragen und das Leben
Der Seligen der erſten Stadt, wo nichts als Reichthum,
Achtung geben.
Wie lange wird die Freude dauren, wie lange die Zufrie-
denheit?
So bald die Mittags-Zeit erſcheinet, entfernt ſich die
Bequemlichkeit:
Kein Koch, kein Diener, iſt zugegen, kein Eſſen gaar,
kein Tiſch gedeckt.
Da ſich, zu einer Mahlzeit nur, die Zahl der Haͤnde
weit erſtreckt,
Die alle dazu noͤthig ſind; ſo iſt kein’ einzige vorhanden.
Viel guͤldne Schuͤſſeln, Teller, Aufſaͤtz’ und ſilberne Ge-
faͤße ſtanden,
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/308>, abgerufen am 27.06.2024.
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