Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746.Nutzen des Mangels, Hingegen ward ein' andre Stadt, an einem andern Ort, gebauet, Wo man, auf einem dürren Sande, nur starr' und dürre Dornen schauet; Wo nichts, als kalter Kieselstein, verfaultes Mooß, und trübe Luft, Jm Schatten eines schroffen Felsens; wo den nicht leicht zertheilten Duft Die Sonne kaum zu Mittag theilet. Hier wird ein schwirrendes Getön Beständig, Tag und Nacht, gehört. Nur Handwerks- Hütten sind zu sehn; Beschmutzte Buden, niedre Dächer. Die Bürger die- ser armen Stadt Sind Handwerks-Arbeits-Acker-Leute, nie ruhig, stets von Arbeit matt. Nun laßt uns einst, mit ernstem Fleiß, auf das Be- tragen und das Leben Der Seligen der ersten Stadt, wo nichts als Reichthum, Achtung geben. Wie lange wird die Freude dauren, wie lange die Zufrie- denheit? So bald die Mittags-Zeit erscheinet, entfernt sich die Bequemlichkeit: Kein Koch, kein Diener, ist zugegen, kein Essen gaar, kein Tisch gedeckt. Da sich, zu einer Mahlzeit nur, die Zahl der Hände weit erstreckt, Die alle dazu nöthig sind; so ist kein' einzige vorhanden. Viel güldne Schüsseln, Teller, Aufsätz' und silberne Ge- fäße standen, Jn
Nutzen des Mangels, Hingegen ward ein’ andre Stadt, an einem andern Ort, gebauet, Wo man, auf einem duͤrren Sande, nur ſtarr’ und duͤrre Dornen ſchauet; Wo nichts, als kalter Kieſelſtein, verfaultes Mooß, und truͤbe Luft, Jm Schatten eines ſchroffen Felſens; wo den nicht leicht zertheilten Duft Die Sonne kaum zu Mittag theilet. Hier wird ein ſchwirrendes Getoͤn Beſtaͤndig, Tag und Nacht, gehoͤrt. Nur Handwerks- Huͤtten ſind zu ſehn; Beſchmutzte Buden, niedre Daͤcher. Die Buͤrger die- ſer armen Stadt Sind Handwerks-Arbeits-Acker-Leute, nie ruhig, ſtets von Arbeit matt. Nun laßt uns einſt, mit ernſtem Fleiß, auf das Be- tragen und das Leben Der Seligen der erſten Stadt, wo nichts als Reichthum, Achtung geben. Wie lange wird die Freude dauren, wie lange die Zufrie- denheit? So bald die Mittags-Zeit erſcheinet, entfernt ſich die Bequemlichkeit: Kein Koch, kein Diener, iſt zugegen, kein Eſſen gaar, kein Tiſch gedeckt. Da ſich, zu einer Mahlzeit nur, die Zahl der Haͤnde weit erſtreckt, Die alle dazu noͤthig ſind; ſo iſt kein’ einzige vorhanden. Viel guͤldne Schuͤſſeln, Teller, Aufſaͤtz’ und ſilberne Ge- faͤße ſtanden, Jn
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Nutzen des Mangels,
Hingegen ward ein’ andre Stadt, an einem andern
Ort, gebauet,
Wo man, auf einem duͤrren Sande, nur ſtarr’ und duͤrre
Dornen ſchauet;
Wo nichts, als kalter Kieſelſtein, verfaultes Mooß, und
truͤbe Luft,
Jm Schatten eines ſchroffen Felſens; wo den nicht leicht
zertheilten Duft
Die Sonne kaum zu Mittag theilet. Hier wird ein
ſchwirrendes Getoͤn
Beſtaͤndig, Tag und Nacht, gehoͤrt. Nur Handwerks-
Huͤtten ſind zu ſehn;
Beſchmutzte Buden, niedre Daͤcher. Die Buͤrger die-
ſer armen Stadt
Sind Handwerks-Arbeits-Acker-Leute, nie ruhig, ſtets
von Arbeit matt.
Nun laßt uns einſt, mit ernſtem Fleiß, auf das Be-
tragen und das Leben
Der Seligen der erſten Stadt, wo nichts als Reichthum,
Achtung geben.
Wie lange wird die Freude dauren, wie lange die Zufrie-
denheit?
So bald die Mittags-Zeit erſcheinet, entfernt ſich die
Bequemlichkeit:
Kein Koch, kein Diener, iſt zugegen, kein Eſſen gaar,
kein Tiſch gedeckt.
Da ſich, zu einer Mahlzeit nur, die Zahl der Haͤnde
weit erſtreckt,
Die alle dazu noͤthig ſind; ſo iſt kein’ einzige vorhanden.
Viel guͤldne Schuͤſſeln, Teller, Aufſaͤtz’ und ſilberne Ge-
faͤße ſtanden,
Jn
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