Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite
Der frühe Frost.
1741.
Es ragten die noch frisch- und grünen Binsen,
Aus der schon starren Fluth, hervor,
Und streckten, da ihr Fuß gefesselt, die Spitzen aus dem
Eis empor.

Die sonst schon längst gesunknen Wasser-Linsen
Sah man, darob erstaunt, und dennoch mit Vergnügen,
Als im durchsichtigen Chrystall,
Jm glatten Eis, als eingeschmelzet, liegen.
Es ward hiedurch ein grünes Eis formiert.
Es schien das schnell erstarrte Naß
Nicht anders, als ein Spiegel-Glas,
Das man mit grüner Farb' und Rankenwerk geziert,
Und künstlich übermahlt. Jch sahe dieß mit Lust.
Und obgleich die besorgte Brust,
Die zu befürchtende zu frühe Kälte, schreckte,
Die mir, vom vorgen Jahr, noch im Gedächtniß steckte;
So sah ich doch, vergnügt, dieß schöne Schauspiel an,
Und tröstete den bangen Muth,
Mit diesem stillen Ueberlegen:
"Daß Gott es leichtlich ändern kann;
"Und daß, was Er gethan, und thut,
"Unwidersprechlich, gut.


Unter-
Der fruͤhe Froſt.
1741.
Es ragten die noch friſch- und gruͤnen Binſen,
Aus der ſchon ſtarren Fluth, hervor,
Und ſtreckten, da ihr Fuß gefeſſelt, die Spitzen aus dem
Eis empor.

Die ſonſt ſchon laͤngſt geſunknen Waſſer-Linſen
Sah man, darob erſtaunt, und dennoch mit Vergnuͤgen,
Als im durchſichtigen Chryſtall,
Jm glatten Eis, als eingeſchmelzet, liegen.
Es ward hiedurch ein gruͤnes Eis formiert.
Es ſchien das ſchnell erſtarrte Naß
Nicht anders, als ein Spiegel-Glas,
Das man mit gruͤner Farb’ und Rankenwerk geziert,
Und kuͤnſtlich uͤbermahlt. Jch ſahe dieß mit Luſt.
Und obgleich die beſorgte Bruſt,
Die zu befuͤrchtende zu fruͤhe Kaͤlte, ſchreckte,
Die mir, vom vorgen Jahr, noch im Gedaͤchtniß ſteckte;
So ſah ich doch, vergnuͤgt, dieß ſchoͤne Schauſpiel an,
Und troͤſtete den bangen Muth,
Mit dieſem ſtillen Ueberlegen:
“Daß Gott es leichtlich aͤndern kann;
“Und daß, was Er gethan, und thut,
“Unwiderſprechlich, gut.


Unter-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0298" n="284"/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">Der fru&#x0364;he Fro&#x017F;t.<lb/><hi rendition="#g">1741</hi>.</hi> </head><lb/>
            <lg type="poem">
              <lg n="1">
                <l><hi rendition="#in">E</hi>s ragten die noch fri&#x017F;ch- und gru&#x0364;nen Bin&#x017F;en,</l><lb/>
                <l>Aus der &#x017F;chon &#x017F;tarren Fluth, hervor,</l><lb/>
                <l>Und &#x017F;treckten, da ihr Fuß gefe&#x017F;&#x017F;elt, die Spitzen aus dem<lb/><hi rendition="#et">Eis empor.</hi></l><lb/>
                <l>Die &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;chon la&#x0364;ng&#x017F;t ge&#x017F;unknen Wa&#x017F;&#x017F;er-Lin&#x017F;en</l><lb/>
                <l>Sah man, darob er&#x017F;taunt, und dennoch mit Vergnu&#x0364;gen,</l><lb/>
                <l>Als im durch&#x017F;ichtigen Chry&#x017F;tall,</l><lb/>
                <l>Jm glatten Eis, als einge&#x017F;chmelzet, liegen.</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="2">
                <l>Es ward hiedurch ein gru&#x0364;nes Eis formiert.</l><lb/>
                <l>Es &#x017F;chien das &#x017F;chnell er&#x017F;tarrte Naß</l><lb/>
                <l>Nicht anders, als ein Spiegel-Glas,</l><lb/>
                <l>Das man mit gru&#x0364;ner Farb&#x2019; und Rankenwerk geziert,</l><lb/>
                <l>Und ku&#x0364;n&#x017F;tlich u&#x0364;bermahlt. Jch &#x017F;ahe dieß mit Lu&#x017F;t.</l><lb/>
                <l>Und obgleich die be&#x017F;orgte Bru&#x017F;t,</l><lb/>
                <l>Die zu befu&#x0364;rchtende zu fru&#x0364;he Ka&#x0364;lte, &#x017F;chreckte,</l><lb/>
                <l>Die mir, vom vorgen Jahr, noch im Geda&#x0364;chtniß &#x017F;teckte;</l><lb/>
                <l>So &#x017F;ah ich doch, vergnu&#x0364;gt, dieß &#x017F;cho&#x0364;ne Schau&#x017F;piel an,</l><lb/>
                <l>Und tro&#x0364;&#x017F;tete den bangen Muth,</l><lb/>
                <l>Mit die&#x017F;em &#x017F;tillen Ueberlegen:</l><lb/>
                <l>&#x201C;Daß Gott es leichtlich a&#x0364;ndern kann;</l><lb/>
                <l>&#x201C;Und daß, was Er gethan, und thut,</l><lb/>
                <l>&#x201C;Unwider&#x017F;prechlich, gut.</l>
              </lg>
            </lg>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b">Unter-</hi> </fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[284/0298] Der fruͤhe Froſt. 1741. Es ragten die noch friſch- und gruͤnen Binſen, Aus der ſchon ſtarren Fluth, hervor, Und ſtreckten, da ihr Fuß gefeſſelt, die Spitzen aus dem Eis empor. Die ſonſt ſchon laͤngſt geſunknen Waſſer-Linſen Sah man, darob erſtaunt, und dennoch mit Vergnuͤgen, Als im durchſichtigen Chryſtall, Jm glatten Eis, als eingeſchmelzet, liegen. Es ward hiedurch ein gruͤnes Eis formiert. Es ſchien das ſchnell erſtarrte Naß Nicht anders, als ein Spiegel-Glas, Das man mit gruͤner Farb’ und Rankenwerk geziert, Und kuͤnſtlich uͤbermahlt. Jch ſahe dieß mit Luſt. Und obgleich die beſorgte Bruſt, Die zu befuͤrchtende zu fruͤhe Kaͤlte, ſchreckte, Die mir, vom vorgen Jahr, noch im Gedaͤchtniß ſteckte; So ſah ich doch, vergnuͤgt, dieß ſchoͤne Schauſpiel an, Und troͤſtete den bangen Muth, Mit dieſem ſtillen Ueberlegen: “Daß Gott es leichtlich aͤndern kann; “Und daß, was Er gethan, und thut, “Unwiderſprechlich, gut. Unter-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/298
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/298>, abgerufen am 24.11.2024.