Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Honig-Bluhme.
Da du, fast aller Bluhmen Pracht, besehn, bewun-
dert, und beschrieben;

Sprich, warum willt denn du,
Bevor der Frost mich aufgerieben,
Auch meiner Farben Schmuck nicht sehn? rief mir die
Honig-Bluhme zu:

Als ich, wie ich bisher gethan,
Sie nur unachtsam angeblicket, sie unbemerkt vorbey
zu gehn,

Mich im Begriff befand;
Da ich, durch ihren sanften Ruf gerühret, bey ihr stille
stand,

Um, mit Bedachtsamkeit, auch ihren Schmuck zu sehn.
Jch stutzt', und schämte mich, daß ihres Purpurs
Pracht

Mich, bis dahero, nicht aufmerksamer gemacht;
Da er jedoch recht brennend schön.
Jhr ernsthaft Wesen schiene mir was Majestätisches
zu zeigen.

Der dunkle Schmuck, der ihren Blättern eigen,
Kam, in der düstern Röthe, mir,
Als wie ein Kleid, das Kronen schmücket, für.
Jch schnitte dann verschiedne Bluhmen, den Bau recht
zu betrachten, ab;

Wovon ein' jede zur Bewundrung Gelegenheit und An-
laß gab.
Die-
Q 2
Die Honig-Bluhme.
Da du, faſt aller Bluhmen Pracht, beſehn, bewun-
dert, und beſchrieben;

Sprich, warum willt denn du,
Bevor der Froſt mich aufgerieben,
Auch meiner Farben Schmuck nicht ſehn? rief mir die
Honig-Bluhme zu:

Als ich, wie ich bisher gethan,
Sie nur unachtſam angeblicket, ſie unbemerkt vorbey
zu gehn,

Mich im Begriff befand;
Da ich, durch ihren ſanften Ruf geruͤhret, bey ihr ſtille
ſtand,

Um, mit Bedachtſamkeit, auch ihren Schmuck zu ſehn.
Jch ſtutzt’, und ſchaͤmte mich, daß ihres Purpurs
Pracht

Mich, bis dahero, nicht aufmerkſamer gemacht;
Da er jedoch recht brennend ſchoͤn.
Jhr ernſthaft Weſen ſchiene mir was Majeſtaͤtiſches
zu zeigen.

Der dunkle Schmuck, der ihren Blaͤttern eigen,
Kam, in der duͤſtern Roͤthe, mir,
Als wie ein Kleid, das Kronen ſchmuͤcket, fuͤr.
Jch ſchnitte dann verſchiedne Bluhmen, den Bau recht
zu betrachten, ab;

Wovon ein’ jede zur Bewundrung Gelegenheit und An-
laß gab.
Die-
Q 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0257" n="243"/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">Die Honig-Bluhme.</hi> </head><lb/>
            <lg type="poem">
              <lg n="1">
                <l><hi rendition="#in">D</hi>a du, fa&#x017F;t aller Bluhmen Pracht, be&#x017F;ehn, bewun-<lb/><hi rendition="#et">dert, und be&#x017F;chrieben;</hi></l><lb/>
                <l>Sprich, warum willt denn du,</l><lb/>
                <l>Bevor der Fro&#x017F;t mich aufgerieben,</l><lb/>
                <l>Auch meiner Farben Schmuck nicht &#x017F;ehn? rief mir die<lb/><hi rendition="#et">Honig-Bluhme zu:</hi></l><lb/>
                <l>Als ich, wie ich bisher gethan,</l><lb/>
                <l>Sie nur unacht&#x017F;am angeblicket, &#x017F;ie unbemerkt vorbey<lb/><hi rendition="#et">zu gehn,</hi></l><lb/>
                <l>Mich im Begriff befand;</l><lb/>
                <l>Da ich, durch ihren &#x017F;anften Ruf geru&#x0364;hret, bey ihr &#x017F;tille<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;tand,</hi></l><lb/>
                <l>Um, mit Bedacht&#x017F;amkeit, auch ihren Schmuck zu &#x017F;ehn.</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="2">
                <l>Jch &#x017F;tutzt&#x2019;, und &#x017F;cha&#x0364;mte mich, daß ihres Purpurs<lb/><hi rendition="#et">Pracht</hi></l><lb/>
                <l>Mich, bis dahero, nicht aufmerk&#x017F;amer gemacht;</l><lb/>
                <l>Da er jedoch recht brennend &#x017F;cho&#x0364;n.</l><lb/>
                <l>Jhr ern&#x017F;thaft We&#x017F;en &#x017F;chiene mir was Maje&#x017F;ta&#x0364;ti&#x017F;ches<lb/><hi rendition="#et">zu zeigen.</hi></l><lb/>
                <l>Der dunkle Schmuck, der ihren Bla&#x0364;ttern eigen,</l><lb/>
                <l>Kam, in der du&#x0364;&#x017F;tern Ro&#x0364;the, mir,</l><lb/>
                <l>Als wie ein Kleid, das Kronen &#x017F;chmu&#x0364;cket, fu&#x0364;r.</l><lb/>
                <l>Jch &#x017F;chnitte dann ver&#x017F;chiedne Bluhmen, den Bau recht<lb/><hi rendition="#et">zu betrachten, ab;</hi></l><lb/>
                <l>Wovon ein&#x2019; jede zur Bewundrung Gelegenheit und An-<lb/><hi rendition="#et">laß gab.</hi></l>
              </lg><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig">Q 2</fw>
              <fw place="bottom" type="catch">Die-</fw><lb/>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[243/0257] Die Honig-Bluhme. Da du, faſt aller Bluhmen Pracht, beſehn, bewun- dert, und beſchrieben; Sprich, warum willt denn du, Bevor der Froſt mich aufgerieben, Auch meiner Farben Schmuck nicht ſehn? rief mir die Honig-Bluhme zu: Als ich, wie ich bisher gethan, Sie nur unachtſam angeblicket, ſie unbemerkt vorbey zu gehn, Mich im Begriff befand; Da ich, durch ihren ſanften Ruf geruͤhret, bey ihr ſtille ſtand, Um, mit Bedachtſamkeit, auch ihren Schmuck zu ſehn. Jch ſtutzt’, und ſchaͤmte mich, daß ihres Purpurs Pracht Mich, bis dahero, nicht aufmerkſamer gemacht; Da er jedoch recht brennend ſchoͤn. Jhr ernſthaft Weſen ſchiene mir was Majeſtaͤtiſches zu zeigen. Der dunkle Schmuck, der ihren Blaͤttern eigen, Kam, in der duͤſtern Roͤthe, mir, Als wie ein Kleid, das Kronen ſchmuͤcket, fuͤr. Jch ſchnitte dann verſchiedne Bluhmen, den Bau recht zu betrachten, ab; Wovon ein’ jede zur Bewundrung Gelegenheit und An- laß gab. Die- Q 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/257
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/257>, abgerufen am 22.11.2024.