Oft trauret selber mein Gemüth, Wenn es, im Herbst, bey trübem Wetter, Den Rest der gelblich-grünen Blätter, Durch die beschwitzten Fenster-Scheiben, als wie durch einen Nebel, sieht, Der unser' Augen schwächt und blendet, und worinn ein gedämpftes Licht, An der verdünnten Feuchtigkeit, sich heftet, sich verwirrt und bricht: Worinn die Farben zwar zu sehen, doch die Figur sich ganz verzieht; Den doch, an unterschiednen Stellen, Die Spuhren abgeloffner Tropfen ein wenig theilen und erhellen; Durch deren Striche man die Vorwürf dann alsbald deutlicher bemerkt. Es wird, nach weggenommner Hindrung, das Aug' erheitert und gestärkt. Man sieht, wenn sich der Duft zertheilt, die Vorwürf' alle schön und rein.
Bey diesem ernsten Ueberlegen, fiel mir noch ferner dieses ein:
Laß nicht den Dunst der Leidenschaften An deiner Augen Fenster haften: Denn, ein durch sie bewölkt Gemüth Bemerkt sodann nicht, was es sieht.
Die
Zum Herbſt.
Oft trauret ſelber mein Gemuͤth, Wenn es, im Herbſt, bey truͤbem Wetter, Den Reſt der gelblich-gruͤnen Blaͤtter, Durch die beſchwitzten Fenſter-Scheiben, als wie durch einen Nebel, ſieht, Der unſer’ Augen ſchwaͤcht und blendet, und worinn ein gedaͤmpftes Licht, An der verduͤnnten Feuchtigkeit, ſich heftet, ſich verwirrt und bricht: Worinn die Farben zwar zu ſehen, doch die Figur ſich ganz verzieht; Den doch, an unterſchiednen Stellen, Die Spuhren abgeloffner Tropfen ein wenig theilen und erhellen; Durch deren Striche man die Vorwuͤrf dann alsbald deutlicher bemerkt. Es wird, nach weggenommner Hindrung, das Aug’ erheitert und geſtaͤrkt. Man ſieht, wenn ſich der Duft zertheilt, die Vorwuͤrf’ alle ſchoͤn und rein.
Bey dieſem ernſten Ueberlegen, fiel mir noch ferner dieſes ein:
Laß nicht den Dunſt der Leidenſchaften An deiner Augen Fenſter haften: Denn, ein durch ſie bewoͤlkt Gemuͤth Bemerkt ſodann nicht, was es ſieht.
Die
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0246"n="232"/><divn="3"><head><hirendition="#b">Zum Herbſt.</hi></head><lb/><lgtype="poem"><lgn="1"><l><hirendition="#in">O</hi>ft trauret ſelber mein Gemuͤth,</l><lb/><l>Wenn es, im Herbſt, bey truͤbem Wetter,</l><lb/><l>Den Reſt der gelblich-gruͤnen Blaͤtter,</l><lb/><l>Durch die beſchwitzten Fenſter-Scheiben, als wie durch<lb/><hirendition="#et">einen Nebel, ſieht,</hi></l><lb/><l>Der unſer’ Augen ſchwaͤcht und blendet, und worinn<lb/><hirendition="#et">ein gedaͤmpftes Licht,</hi></l><lb/><l>An der verduͤnnten Feuchtigkeit, ſich heftet, ſich verwirrt<lb/><hirendition="#et">und bricht:</hi></l><lb/><l>Worinn die Farben zwar zu ſehen, doch die Figur ſich<lb/><hirendition="#et">ganz verzieht;</hi></l><lb/><l>Den doch, an unterſchiednen Stellen,</l><lb/><l>Die Spuhren abgeloffner Tropfen ein wenig theilen und<lb/><hirendition="#et">erhellen;</hi></l><lb/><l>Durch deren Striche man die Vorwuͤrf dann alsbald<lb/><hirendition="#et">deutlicher bemerkt.</hi></l><lb/><l>Es wird, nach weggenommner Hindrung, das Aug’<lb/><hirendition="#et">erheitert und geſtaͤrkt.</hi></l><lb/><l>Man ſieht, wenn ſich der Duft zertheilt, die Vorwuͤrf’<lb/><hirendition="#et">alle ſchoͤn und rein.</hi></l></lg><lb/><lgn="2"><l>Bey dieſem ernſten Ueberlegen, fiel mir noch ferner<lb/><hirendition="#et">dieſes ein:</hi></l></lg><lb/><lgn="3"><l><hirendition="#fr">Laß nicht den Dunſt der Leidenſchaften</hi></l><lb/><l><hirendition="#fr">An deiner Augen Fenſter haften:</hi></l><lb/><l><hirendition="#fr">Denn, ein durch ſie bewoͤlkt Gemuͤth</hi></l><lb/><l><hirendition="#fr">Bemerkt ſodann nicht, was es ſieht.</hi></l></lg><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Die</fw><lb/></lg></div></div></div></body></text></TEI>
[232/0246]
Zum Herbſt.
Oft trauret ſelber mein Gemuͤth,
Wenn es, im Herbſt, bey truͤbem Wetter,
Den Reſt der gelblich-gruͤnen Blaͤtter,
Durch die beſchwitzten Fenſter-Scheiben, als wie durch
einen Nebel, ſieht,
Der unſer’ Augen ſchwaͤcht und blendet, und worinn
ein gedaͤmpftes Licht,
An der verduͤnnten Feuchtigkeit, ſich heftet, ſich verwirrt
und bricht:
Worinn die Farben zwar zu ſehen, doch die Figur ſich
ganz verzieht;
Den doch, an unterſchiednen Stellen,
Die Spuhren abgeloffner Tropfen ein wenig theilen und
erhellen;
Durch deren Striche man die Vorwuͤrf dann alsbald
deutlicher bemerkt.
Es wird, nach weggenommner Hindrung, das Aug’
erheitert und geſtaͤrkt.
Man ſieht, wenn ſich der Duft zertheilt, die Vorwuͤrf’
alle ſchoͤn und rein.
Bey dieſem ernſten Ueberlegen, fiel mir noch ferner
dieſes ein:
Laß nicht den Dunſt der Leidenſchaften
An deiner Augen Fenſter haften:
Denn, ein durch ſie bewoͤlkt Gemuͤth
Bemerkt ſodann nicht, was es ſieht.
Die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/246>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.