Für mich belebet sich die Scene der Felder, es beseelen sich Die Wälder, Thäler, Berg' und Auen, das Morgen- Gold, das Abend-Roth, Und alles schmücket sich für mich. Jn eines blinden Pöbels Augen ist alles einsam, alles todt: Ein Wald ist eine dunkle Wüste, des hellen Bachs be- schäumter Fall Jst nichts, als Wasser: und der Zephyr ein bloßer Hauch, ein leerer Schall; Jn einem weisen Blick hingegen, der sich durch Ueberlegen hebet, Glänzt alles, alles unterweiset und lehret, alles denkt und lebet. Die klaren Fluthen, bald in Wiesen, bald zwischen Schat- ten-reichen Hügeln, Die werden Wechsels-weise mir zu Welt- und bald zu Himmels-Spiegeln. Sie murmeln mir, auf mancher Stelle, Jm Rieseln, die Vermahnung zu: Gedenk an unsrer großen Quelle! Bald reizt, indem ich so gedenke, ihr sanftes Rauschen mich zur Ruh. Der dunkle Wald belehret mich, und heißt mich mein vergnügtes Denken Auf Den, durch Dessen Wort er ward, mit Lust und Dankbarkeit zu lenken.
Die
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Vernuͤnftiger Gebrauch der Welt.
Fuͤr mich belebet ſich die Scene der Felder, es beſeelen ſich Die Waͤlder, Thaͤler, Berg’ und Auen, das Morgen- Gold, das Abend-Roth, Und alles ſchmuͤcket ſich fuͤr mich. Jn eines blinden Poͤbels Augen iſt alles einſam, alles todt: Ein Wald iſt eine dunkle Wuͤſte, des hellen Bachs be- ſchaͤumter Fall Jſt nichts, als Waſſer: und der Zephyr ein bloßer Hauch, ein leerer Schall; Jn einem weiſen Blick hingegen, der ſich durch Ueberlegen hebet, Glaͤnzt alles, alles unterweiſet und lehret, alles denkt und lebet. Die klaren Fluthen, bald in Wieſen, bald zwiſchen Schat- ten-reichen Huͤgeln, Die werden Wechſels-weiſe mir zu Welt- und bald zu Himmels-Spiegeln. Sie murmeln mir, auf mancher Stelle, Jm Rieſeln, die Vermahnung zu: Gedenk an unſrer großen Quelle! Bald reizt, indem ich ſo gedenke, ihr ſanftes Rauſchen mich zur Ruh. Der dunkle Wald belehret mich, und heißt mich mein vergnuͤgtes Denken Auf Den, durch Deſſen Wort er ward, mit Luſt und Dankbarkeit zu lenken.
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Vernuͤnftiger Gebrauch der Welt.
Fuͤr mich belebet ſich die Scene der Felder, es beſeelen
ſich
Die Waͤlder, Thaͤler, Berg’ und Auen, das Morgen-
Gold, das Abend-Roth,
Und alles ſchmuͤcket ſich fuͤr mich.
Jn eines blinden Poͤbels Augen iſt alles einſam, alles
todt:
Ein Wald iſt eine dunkle Wuͤſte, des hellen Bachs be-
ſchaͤumter Fall
Jſt nichts, als Waſſer: und der Zephyr ein bloßer Hauch,
ein leerer Schall;
Jn einem weiſen Blick hingegen, der ſich durch Ueberlegen
hebet,
Glaͤnzt alles, alles unterweiſet und lehret, alles denkt
und lebet.
Die klaren Fluthen, bald in Wieſen, bald zwiſchen Schat-
ten-reichen Huͤgeln,
Die werden Wechſels-weiſe mir zu Welt- und bald zu
Himmels-Spiegeln.
Sie murmeln mir, auf mancher Stelle,
Jm Rieſeln, die Vermahnung zu:
Gedenk an unſrer großen Quelle!
Bald reizt, indem ich ſo gedenke, ihr ſanftes Rauſchen
mich zur Ruh.
Der dunkle Wald belehret mich, und heißt mich mein
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/227>, abgerufen am 16.02.2025.
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