Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746.Tirsander. Verachte künftig, lieber Mensch, wie es bisher von dir geschehen, Gebessert durch Tirsanders Beyspiel, der Bluhmen Schmuck und Pracht nicht mehr! Tirsander hatt', in seinem Leben, kein' einzge Bluh- me je gesehen, Er wußte nicht, was Bluhmen waren; als einst Be- rander, ungefehr, Jhm Rosen, Anemonen, Liljen, Ranunkeln, Nelken und Sjonkiljen, Die er mit Fleiß, für ihn, gesammlet, auf einmal vor die Augen hielte. Tirsander stutzt', erstarrt für Lust, die seine Seele plötzlich fühlte: Es war, als wenn ein schneller Blitz ihm seinen Geist, durchs Auge, rührte; Als wenn ein Strohm von reiner Wollust sein ganzes Wesen überfloß; Als wenn, für überhäufter Anmuth, die er, aus ihrer Pracht, genoß, Er ein belebend Freuden-Feur, in allen seinen Nerven, spührte. "Mein Gott!" brach er, erstaunet, aus; "mein Gott! was ist das, was ich sehe! "Was für ein Glanz, und was für Farben! O welche künstliche Figuren! "Sind dieses irdische Geschöpfe? wie? oder sind es Creaturen "Aus der gestirnten Himmels-Höhe? "Kein
Tirſander. Verachte kuͤnftig, lieber Menſch, wie es bisher von dir geſchehen, Gebeſſert durch Tirſanders Beyſpiel, der Bluhmen Schmuck und Pracht nicht mehr! Tirſander hatt’, in ſeinem Leben, kein’ einzge Bluh- me je geſehen, Er wußte nicht, was Bluhmen waren; als einſt Be- rander, ungefehr, Jhm Roſen, Anemonen, Liljen, Ranunkeln, Nelken und Sjonkiljen, Die er mit Fleiß, fuͤr ihn, geſammlet, auf einmal vor die Augen hielte. Tirſander ſtutzt’, erſtarrt fuͤr Luſt, die ſeine Seele ploͤtzlich fuͤhlte: Es war, als wenn ein ſchneller Blitz ihm ſeinen Geiſt, durchs Auge, ruͤhrte; Als wenn ein Strohm von reiner Wolluſt ſein ganzes Weſen uͤberfloß; Als wenn, fuͤr uͤberhaͤufter Anmuth, die er, aus ihrer Pracht, genoß, Er ein belebend Freuden-Feur, in allen ſeinen Nerven, ſpuͤhrte. “Mein Gott!” brach er, erſtaunet, aus; “mein Gott! was iſt das, was ich ſehe! “Was fuͤr ein Glanz, und was fuͤr Farben! O welche kuͤnſtliche Figuren! “Sind dieſes irdiſche Geſchoͤpfe? wie? oder ſind es Creaturen “Aus der geſtirnten Himmels-Hoͤhe? “Kein
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Tirſander.
Verachte kuͤnftig, lieber Menſch, wie es bisher von
dir geſchehen,
Gebeſſert durch Tirſanders Beyſpiel, der Bluhmen
Schmuck und Pracht nicht mehr!
Tirſander hatt’, in ſeinem Leben, kein’ einzge Bluh-
me je geſehen,
Er wußte nicht, was Bluhmen waren; als einſt Be-
rander, ungefehr,
Jhm Roſen, Anemonen, Liljen,
Ranunkeln, Nelken und Sjonkiljen,
Die er mit Fleiß, fuͤr ihn, geſammlet, auf einmal vor
die Augen hielte.
Tirſander ſtutzt’, erſtarrt fuͤr Luſt, die ſeine Seele
ploͤtzlich fuͤhlte:
Es war, als wenn ein ſchneller Blitz ihm ſeinen Geiſt,
durchs Auge, ruͤhrte;
Als wenn ein Strohm von reiner Wolluſt ſein ganzes
Weſen uͤberfloß;
Als wenn, fuͤr uͤberhaͤufter Anmuth, die er, aus ihrer
Pracht, genoß,
Er ein belebend Freuden-Feur, in allen ſeinen Nerven,
ſpuͤhrte.
“Mein Gott!” brach er, erſtaunet, aus; “mein
Gott! was iſt das, was ich ſehe!
“Was fuͤr ein Glanz, und was fuͤr Farben! O welche
kuͤnſtliche Figuren!
“Sind dieſes irdiſche Geſchoͤpfe? wie? oder ſind es
Creaturen
“Aus der geſtirnten Himmels-Hoͤhe?
“Kein
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