Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746.Das Kletten-Kraut. Um mich nun immer mehr noch zu entzünden, Um ihn noch immer mehr zu suchen, und zu finden; Besah ich überall der Kräuter Zierlichkeit, Der Farb' und Bildungen unzählbarn Unterscheid. Da ich dann ungefehr, zu meiner rechten Hand, Ein prächtiges Gewächs vor vielen andern fand. Dieß Kraut hatt' Ellen-lange Blätter, meist einer halben Elle breit, Die, in besondrer Zierlichkeit, Sich auf dem Rande falteten; wo sie sich oft zusammen zogen, Bald hier sich hebten, dort sich bogen: Wodurch hier, viel erhabne Stellen, viel hohle Tiefen dort, entstunden, Und überall sich Linien, von nett gezognen Adern, funden. Die viel- und manchen Biegungen, die diese krausen Blätter zeigen, Formieren so viel schöne Lichter, formieren so viel schöne Schatten, Die hier, auf so verschiedne Art, sich brechen, biegen, trennen, gatten, Daß die, in der so edlen Kunst der Mahlerey, erfahrnen Seelen, Zu ihrer Schildereyen Schmuck, im Vorgrund, immer dieses Kraut, Vor allen andern Kräutern, wählen, Als eins der zierlichsten, an welchem die Structur, Die wilde zwar, dennoch symmetrische Figur, Vor vielen Pflanzen, in der That, Was Prächtigs und was Großes har. Jndem 8 Theil. J
Das Kletten-Kraut. Um mich nun immer mehr noch zu entzuͤnden, Um ihn noch immer mehr zu ſuchen, und zu finden; Beſah ich uͤberall der Kraͤuter Zierlichkeit, Der Farb’ und Bildungen unzaͤhlbarn Unterſcheid. Da ich dann ungefehr, zu meiner rechten Hand, Ein praͤchtiges Gewaͤchs vor vielen andern fand. Dieß Kraut hatt’ Ellen-lange Blaͤtter, meiſt einer halben Elle breit, Die, in beſondrer Zierlichkeit, Sich auf dem Rande falteten; wo ſie ſich oft zuſammen zogen, Bald hier ſich hebten, dort ſich bogen: Wodurch hier, viel erhabne Stellen, viel hohle Tiefen dort, entſtunden, Und uͤberall ſich Linien, von nett gezognen Adern, funden. Die viel- und manchen Biegungen, die dieſe krauſen Blaͤtter zeigen, Formieren ſo viel ſchoͤne Lichter, formieren ſo viel ſchoͤne Schatten, Die hier, auf ſo verſchiedne Art, ſich brechen, biegen, trennen, gatten, Daß die, in der ſo edlen Kunſt der Mahlerey, erfahrnen Seelen, Zu ihrer Schildereyen Schmuck, im Vorgrund, immer dieſes Kraut, Vor allen andern Kraͤutern, waͤhlen, Als eins der zierlichſten, an welchem die Structur, Die wilde zwar, dennoch ſymmetriſche Figur, Vor vielen Pflanzen, in der That, Was Praͤchtigs und was Großes har. Jndem 8 Theil. J
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Das Kletten-Kraut.
Um mich nun immer mehr noch zu entzuͤnden,
Um ihn noch immer mehr zu ſuchen, und zu finden;
Beſah ich uͤberall der Kraͤuter Zierlichkeit,
Der Farb’ und Bildungen unzaͤhlbarn Unterſcheid.
Da ich dann ungefehr, zu meiner rechten Hand,
Ein praͤchtiges Gewaͤchs vor vielen andern fand.
Dieß Kraut hatt’ Ellen-lange Blaͤtter, meiſt einer
halben Elle breit,
Die, in beſondrer Zierlichkeit,
Sich auf dem Rande falteten; wo ſie ſich oft zuſammen
zogen,
Bald hier ſich hebten, dort ſich bogen:
Wodurch hier, viel erhabne Stellen, viel hohle Tiefen dort,
entſtunden,
Und uͤberall ſich Linien, von nett gezognen Adern, funden.
Die viel- und manchen Biegungen, die dieſe krauſen
Blaͤtter zeigen,
Formieren ſo viel ſchoͤne Lichter, formieren ſo viel ſchoͤne
Schatten,
Die hier, auf ſo verſchiedne Art, ſich brechen, biegen,
trennen, gatten,
Daß die, in der ſo edlen Kunſt der Mahlerey, erfahrnen
Seelen,
Zu ihrer Schildereyen Schmuck, im Vorgrund, immer
dieſes Kraut,
Vor allen andern Kraͤutern, waͤhlen,
Als eins der zierlichſten, an welchem die Structur,
Die wilde zwar, dennoch ſymmetriſche Figur,
Vor vielen Pflanzen, in der That,
Was Praͤchtigs und was Großes har.
Jndem
8 Theil. J
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