Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite
Betrachtung der Meeres-Tiefe.
Des Meeres innrer Zustand ist zwar unsern Augen unent-
decket;
Allein, wir können, wenn wir wollen, aus mancherley Er-
fahrung sehen,
Wie es in seinen tiefen Gründen doch ungefehr wol müsse
stehen,
Und wie die hohle Schooß der See voll ungemeiner Wunder
stecket.
Auf! laßt uns in Gedanken denn einst in des Meeres
Abgrund steigen,
Um die daselbst verborgne Werke, Dem, Der sie wirkt, zum
Ruhm, zu zeigen.


So senk |ich| denn, in GOttes Namen, zu GOttes Ehren,
meinen Geist
Hier in des Meeres dunkle Tiefe. Doch halt! werd ich auch
ohne Grauen,
Was mir des Abgrunds hohler Schlund für einen fremden
Zustand weist,
Die ungeheure Wasser-Last, des Meeres wilde Wunder
schauen?
Hier hangen ausgehöhlte Lasten von Felsen, die den Augen-
blick
Von oben abzustürzen drohn. Ein Meilen lang- und dickes
Stück,
Ja, welches wegen seiner Grösse sich gar nicht übersehen läßt,
Jst öfters gleichsam sonder Stützen, und scheinet offen, gar
nicht vest.
Ja, ja, ich sink! itzt bin ich da. Mein GOtt! was hör und
seh ich hier!
Mich
7 Theil. F
Betrachtung der Meeres-Tiefe.
Des Meeres innrer Zuſtand iſt zwar unſern Augen unent-
decket;
Allein, wir koͤnnen, wenn wir wollen, aus mancherley Er-
fahrung ſehen,
Wie es in ſeinen tiefen Gruͤnden doch ungefehr wol muͤſſe
ſtehen,
Und wie die hohle Schooß der See voll ungemeiner Wunder
ſtecket.
Auf! laßt uns in Gedanken denn einſt in des Meeres
Abgrund ſteigen,
Um die daſelbſt verborgne Werke, Dem, Der ſie wirkt, zum
Ruhm, zu zeigen.


So ſenk |ich| denn, in GOttes Namen, zu GOttes Ehren,
meinen Geiſt
Hier in des Meeres dunkle Tiefe. Doch halt! werd ich auch
ohne Grauen,
Was mir des Abgrunds hohler Schlund fuͤr einen fremden
Zuſtand weiſt,
Die ungeheure Waſſer-Laſt, des Meeres wilde Wunder
ſchauen?
Hier hangen ausgehoͤhlte Laſten von Felſen, die den Augen-
blick
Von oben abzuſtuͤrzen drohn. Ein Meilen lang- und dickes
Stuͤck,
Ja, welches wegen ſeiner Groͤſſe ſich gar nicht uͤberſehen laͤßt,
Jſt oͤfters gleichſam ſonder Stuͤtzen, und ſcheinet offen, gar
nicht veſt.
Ja, ja, ich ſink! itzt bin ich da. Mein GOtt! was hoͤr und
ſeh ich hier!
Mich
7 Theil. F
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <pb facs="#f0099" n="81"/>
              <fw place="top" type="header">Betrachtung der Meeres-Tiefe.</fw><lb/>
              <lg n="2">
                <l>Des Meeres innrer Zu&#x017F;tand i&#x017F;t zwar un&#x017F;ern Augen unent-</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">decket;</hi> </l><lb/>
                <l>Allein, wir ko&#x0364;nnen, wenn wir wollen, aus mancherley Er-</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">fahrung &#x017F;ehen,</hi> </l><lb/>
                <l>Wie es in &#x017F;einen tiefen Gru&#x0364;nden doch ungefehr wol mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">&#x017F;tehen,</hi> </l><lb/>
                <l>Und wie die hohle Schooß der See voll ungemeiner Wunder</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">&#x017F;tecket.</hi> </l><lb/>
                <l>Auf! laßt uns in Gedanken denn ein&#x017F;t in des Meeres</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">Abgrund &#x017F;teigen,</hi> </l><lb/>
                <l>Um die da&#x017F;elb&#x017F;t verborgne Werke, Dem, Der &#x017F;ie wirkt, zum</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">Ruhm, zu zeigen.</hi> </l>
              </lg><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
              <lg n="3">
                <l>So &#x017F;enk |ich| denn, in GOttes Namen, zu GOttes Ehren,</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">meinen Gei&#x017F;t</hi> </l><lb/>
                <l>Hier in des Meeres dunkle Tiefe. Doch halt! werd ich auch</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">ohne Grauen,</hi> </l><lb/>
                <l>Was mir des Abgrunds hohler Schlund fu&#x0364;r einen fremden</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">Zu&#x017F;tand wei&#x017F;t,</hi> </l><lb/>
                <l>Die ungeheure Wa&#x017F;&#x017F;er-La&#x017F;t, des Meeres wilde Wunder</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">&#x017F;chauen?</hi> </l><lb/>
                <l>Hier hangen ausgeho&#x0364;hlte La&#x017F;ten von Fel&#x017F;en, die den Augen-</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">blick</hi> </l><lb/>
                <l>Von oben abzu&#x017F;tu&#x0364;rzen drohn. Ein Meilen lang- und dickes</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">Stu&#x0364;ck,</hi> </l><lb/>
                <l>Ja, welches wegen &#x017F;einer Gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ich gar nicht u&#x0364;ber&#x017F;ehen la&#x0364;ßt,</l><lb/>
                <l>J&#x017F;t o&#x0364;fters gleich&#x017F;am &#x017F;onder Stu&#x0364;tzen, und &#x017F;cheinet offen, gar</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">nicht ve&#x017F;t.</hi> </l><lb/>
                <l>Ja, ja, ich &#x017F;ink! itzt bin ich da. Mein GOtt! was ho&#x0364;r und</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">&#x017F;eh ich hier!</hi> </l><lb/>
                <fw place="bottom" type="sig">7 <hi rendition="#fr">Theil.</hi> F</fw>
                <fw place="bottom" type="catch">Mich</fw><lb/>
              </lg>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[81/0099] Betrachtung der Meeres-Tiefe. Des Meeres innrer Zuſtand iſt zwar unſern Augen unent- decket; Allein, wir koͤnnen, wenn wir wollen, aus mancherley Er- fahrung ſehen, Wie es in ſeinen tiefen Gruͤnden doch ungefehr wol muͤſſe ſtehen, Und wie die hohle Schooß der See voll ungemeiner Wunder ſtecket. Auf! laßt uns in Gedanken denn einſt in des Meeres Abgrund ſteigen, Um die daſelbſt verborgne Werke, Dem, Der ſie wirkt, zum Ruhm, zu zeigen. So ſenk |ich| denn, in GOttes Namen, zu GOttes Ehren, meinen Geiſt Hier in des Meeres dunkle Tiefe. Doch halt! werd ich auch ohne Grauen, Was mir des Abgrunds hohler Schlund fuͤr einen fremden Zuſtand weiſt, Die ungeheure Waſſer-Laſt, des Meeres wilde Wunder ſchauen? Hier hangen ausgehoͤhlte Laſten von Felſen, die den Augen- blick Von oben abzuſtuͤrzen drohn. Ein Meilen lang- und dickes Stuͤck, Ja, welches wegen ſeiner Groͤſſe ſich gar nicht uͤberſehen laͤßt, Jſt oͤfters gleichſam ſonder Stuͤtzen, und ſcheinet offen, gar nicht veſt. Ja, ja, ich ſink! itzt bin ich da. Mein GOtt! was hoͤr und ſeh ich hier! Mich 7 Theil. F

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/99
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/99>, abgerufen am 28.11.2024.