Nein, da fast jedes Blatt, So lang' es jung und zart, verschiedne Farben hat, Die theils im roht-im grün- und gelben Schimmer stehn, Worauf noch überdem ein stärkrer Glanz zu sehn, Als auf dem andern Laub. Durch dieser Farben Menge, Da vielfach roht und gelb und grün Fast um den Vorzug recht zu kämpfen schien, Entstand im ganzen Wald ein schimmerndes Gepränge. Er schien mit solchem Glanz und buntem Licht geziert, Als wär' er überall illuminirt. Nicht durch die Farben nur, auch durch die klaren Schatten, Die hier, in zärtlichem Gemisch, sich lieblich gatten, Wird auch, so bald er es verspürt, Der Unaufmerksamste gerührt. Es dringt ein solch durchläuchtig bunter Schein Jns undurchdringlichste Gemüht, Das alle Dinge sonst, ohn' Achtsamkeit, besieht, Mit nie gespürter Lust hinein, Und kurz: Fast alles, was zu sehn, War unausdrücklich schön. Die Augen-Lust ward, durch das zwitschernde Getön Der Vögel, welche man an vielen Orten höret, Noch um ein merkliches vermehret. Zuweilen schien, von ihrem hellen Singen, Das ganze Wäldgen recht zu klingen. Wobey der Guckguck dann Sein lehrendes Getön: Guck! Guck! die Welt doch an, Gar oft erschallen ließ. Jch hab', an diesem holden Ort, von eines schönen Waldes Pracht, Und seiner grünen Schatten Nacht, Noch etwas zu Papier zu bringen,
Und
Der neue Wald.
Nein, da faſt jedes Blatt, So lang’ es jung und zart, verſchiedne Farben hat, Die theils im roht-im gruͤn- und gelben Schimmer ſtehn, Worauf noch uͤberdem ein ſtaͤrkrer Glanz zu ſehn, Als auf dem andern Laub. Durch dieſer Farben Menge, Da vielfach roht und gelb und gruͤn Faſt um den Vorzug recht zu kaͤmpfen ſchien, Entſtand im ganzen Wald ein ſchimmerndes Gepraͤnge. Er ſchien mit ſolchem Glanz und buntem Licht geziert, Als waͤr’ er uͤberall illuminirt. Nicht durch die Farben nur, auch durch die klaren Schatten, Die hier, in zaͤrtlichem Gemiſch, ſich lieblich gatten, Wird auch, ſo bald er es verſpuͤrt, Der Unaufmerkſamſte geruͤhrt. Es dringt ein ſolch durchlaͤuchtig bunter Schein Jns undurchdringlichſte Gemuͤht, Das alle Dinge ſonſt, ohn’ Achtſamkeit, beſieht, Mit nie geſpuͤrter Luſt hinein, Und kurz: Faſt alles, was zu ſehn, War unausdruͤcklich ſchoͤn. Die Augen-Luſt ward, durch das zwitſchernde Getoͤn Der Voͤgel, welche man an vielen Orten hoͤret, Noch um ein merkliches vermehret. Zuweilen ſchien, von ihrem hellen Singen, Das ganze Waͤldgen recht zu klingen. Wobey der Guckguck dann Sein lehrendes Getoͤn: Guck! Guck! die Welt doch an, Gar oft erſchallen ließ. Jch hab’, an dieſem holden Ort, von eines ſchoͤnen Waldes Pracht, Und ſeiner gruͤnen Schatten Nacht, Noch etwas zu Papier zu bringen,
Und
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Der neue Wald.
Nein, da faſt jedes Blatt,
So lang’ es jung und zart, verſchiedne Farben hat,
Die theils im roht-im gruͤn- und gelben Schimmer ſtehn,
Worauf noch uͤberdem ein ſtaͤrkrer Glanz zu ſehn,
Als auf dem andern Laub. Durch dieſer Farben Menge,
Da vielfach roht und gelb und gruͤn
Faſt um den Vorzug recht zu kaͤmpfen ſchien,
Entſtand im ganzen Wald ein ſchimmerndes Gepraͤnge.
Er ſchien mit ſolchem Glanz und buntem Licht geziert,
Als waͤr’ er uͤberall illuminirt.
Nicht durch die Farben nur, auch durch die klaren Schatten,
Die hier, in zaͤrtlichem Gemiſch, ſich lieblich gatten,
Wird auch, ſo bald er es verſpuͤrt,
Der Unaufmerkſamſte geruͤhrt.
Es dringt ein ſolch durchlaͤuchtig bunter Schein
Jns undurchdringlichſte Gemuͤht,
Das alle Dinge ſonſt, ohn’ Achtſamkeit, beſieht,
Mit nie geſpuͤrter Luſt hinein,
Und kurz: Faſt alles, was zu ſehn,
War unausdruͤcklich ſchoͤn.
Die Augen-Luſt ward, durch das zwitſchernde Getoͤn
Der Voͤgel, welche man an vielen Orten hoͤret,
Noch um ein merkliches vermehret.
Zuweilen ſchien, von ihrem hellen Singen,
Das ganze Waͤldgen recht zu klingen.
Wobey der Guckguck dann
Sein lehrendes Getoͤn: Guck! Guck! die Welt doch an,
Gar oft erſchallen ließ.
Jch hab’, an dieſem holden Ort, von eines ſchoͤnen Waldes
Pracht,
Und ſeiner gruͤnen Schatten Nacht,
Noch etwas zu Papier zu bringen,
Und
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/86>, abgerufen am 16.02.2025.
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