Mit stets annoch geschloßnen Augen Dacht' ich noch dieser Anmuht nach, Bis ein nicht minder holder Schall, Von einem nahen Wasser-Fall, Jhr helles Tönen unterbrach. Jch hört' ein sanftes Murmeln schallen, Ein laut Getös, ein sprudlend Wallen, Ein rieselnd Rauschen sich dazwischen, Jn angenehmer Aendrung, mischen.
Die Töne, die so lieblich klungen, Durch wechselnde Veränderungen, Sucht' ich zusammen zu verbinden; Und kam es mir zuweilen vor, Als könn' ein aufmerksames Ohr Darinn verschiedne Anmuht finden. Aufs wenigst' ist doch dieses wahr, Daß eine Meng' und rechte Fülle Von schönen Tönen, hier und dar, Bald einzeln, bald vereinet, quille, Und in der Seele, wenn mans höret, Die Fähigkeit zur Anmuht mehret.
Die allgemeine Harmonie Jst ja gewiß nicht für das Vieh. Jst es nun für die Menschen nicht; Wär' es vergebens zugericht't: Es wäre denn, daß andre Wesen, An dem Concert sich zu vergnügen, Und selbe mit Vernunft zu fügen, Vom Schöpfer wären auserlesen. Da aber unser Ohr formirt, Daß unser Geist die Töne spürt;
Wär-
Anmuht des Gehoͤrs.
Mit ſtets annoch geſchloßnen Augen Dacht’ ich noch dieſer Anmuht nach, Bis ein nicht minder holder Schall, Von einem nahen Waſſer-Fall, Jhr helles Toͤnen unterbrach. Jch hoͤrt’ ein ſanftes Murmeln ſchallen, Ein laut Getoͤs, ein ſprudlend Wallen, Ein rieſelnd Rauſchen ſich dazwiſchen, Jn angenehmer Aendrung, miſchen.
Die Toͤne, die ſo lieblich klungen, Durch wechſelnde Veraͤnderungen, Sucht’ ich zuſammen zu verbinden; Und kam es mir zuweilen vor, Als koͤnn’ ein aufmerkſames Ohr Darinn verſchiedne Anmuht finden. Aufs wenigſt’ iſt doch dieſes wahr, Daß eine Meng’ und rechte Fuͤlle Von ſchoͤnen Toͤnen, hier und dar, Bald einzeln, bald vereinet, quille, Und in der Seele, wenn mans hoͤret, Die Faͤhigkeit zur Anmuht mehret.
Die allgemeine Harmonie Jſt ja gewiß nicht fuͤr das Vieh. Jſt es nun fuͤr die Menſchen nicht; Waͤr’ es vergebens zugericht’t: Es waͤre denn, daß andre Weſen, An dem Concert ſich zu vergnuͤgen, Und ſelbe mit Vernunft zu fuͤgen, Vom Schoͤpfer waͤren auserleſen. Da aber unſer Ohr formirt, Daß unſer Geiſt die Toͤne ſpuͤrt;
Waͤr-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><lgtype="poem"><pbfacs="#f0076"n="58"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Anmuht des Gehoͤrs.</hi></fw><lb/><lgn="8"><l>Mit ſtets annoch geſchloßnen Augen</l><lb/><l>Dacht’ ich noch dieſer Anmuht nach,</l><lb/><l>Bis ein nicht minder holder Schall,</l><lb/><l>Von einem nahen Waſſer-Fall,</l><lb/><l>Jhr helles Toͤnen unterbrach.</l><lb/><l>Jch hoͤrt’ ein ſanftes Murmeln ſchallen,</l><lb/><l>Ein laut Getoͤs, ein ſprudlend Wallen,</l><lb/><l>Ein rieſelnd Rauſchen ſich dazwiſchen,</l><lb/><l>Jn angenehmer Aendrung, miſchen.</l></lg><lb/><lgn="9"><l>Die Toͤne, die ſo lieblich klungen,</l><lb/><l>Durch wechſelnde Veraͤnderungen,</l><lb/><l>Sucht’ ich zuſammen zu verbinden;</l><lb/><l>Und kam es mir zuweilen vor,</l><lb/><l>Als koͤnn’ ein aufmerkſames Ohr</l><lb/><l>Darinn verſchiedne Anmuht finden.</l><lb/><l>Aufs wenigſt’ iſt doch dieſes wahr,</l><lb/><l>Daß eine Meng’ und rechte Fuͤlle</l><lb/><l>Von ſchoͤnen Toͤnen, hier und dar,</l><lb/><l>Bald einzeln, bald vereinet, quille,</l><lb/><l>Und in der Seele, wenn mans hoͤret,</l><lb/><l>Die Faͤhigkeit zur Anmuht mehret.</l></lg><lb/><lgn="10"><l>Die allgemeine Harmonie</l><lb/><l>Jſt ja gewiß nicht fuͤr das Vieh.</l><lb/><l>Jſt es nun fuͤr die Menſchen nicht;</l><lb/><l>Waͤr’ es vergebens zugericht’t:</l><lb/><l>Es waͤre denn, daß andre Weſen,</l><lb/><l>An dem Concert ſich zu vergnuͤgen,</l><lb/><l>Und ſelbe mit Vernunft zu fuͤgen,</l><lb/><l>Vom Schoͤpfer waͤren auserleſen.</l><lb/><l>Da aber unſer Ohr formirt,</l><lb/><l>Daß unſer Geiſt die Toͤne ſpuͤrt;</l></lg><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Waͤr-</fw><lb/></lg></div></div></div></body></text></TEI>
[58/0076]
Anmuht des Gehoͤrs.
Mit ſtets annoch geſchloßnen Augen
Dacht’ ich noch dieſer Anmuht nach,
Bis ein nicht minder holder Schall,
Von einem nahen Waſſer-Fall,
Jhr helles Toͤnen unterbrach.
Jch hoͤrt’ ein ſanftes Murmeln ſchallen,
Ein laut Getoͤs, ein ſprudlend Wallen,
Ein rieſelnd Rauſchen ſich dazwiſchen,
Jn angenehmer Aendrung, miſchen.
Die Toͤne, die ſo lieblich klungen,
Durch wechſelnde Veraͤnderungen,
Sucht’ ich zuſammen zu verbinden;
Und kam es mir zuweilen vor,
Als koͤnn’ ein aufmerkſames Ohr
Darinn verſchiedne Anmuht finden.
Aufs wenigſt’ iſt doch dieſes wahr,
Daß eine Meng’ und rechte Fuͤlle
Von ſchoͤnen Toͤnen, hier und dar,
Bald einzeln, bald vereinet, quille,
Und in der Seele, wenn mans hoͤret,
Die Faͤhigkeit zur Anmuht mehret.
Die allgemeine Harmonie
Jſt ja gewiß nicht fuͤr das Vieh.
Jſt es nun fuͤr die Menſchen nicht;
Waͤr’ es vergebens zugericht’t:
Es waͤre denn, daß andre Weſen,
An dem Concert ſich zu vergnuͤgen,
Und ſelbe mit Vernunft zu fuͤgen,
Vom Schoͤpfer waͤren auserleſen.
Da aber unſer Ohr formirt,
Daß unſer Geiſt die Toͤne ſpuͤrt;
Waͤr-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/76>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.