Und es gewiß, daß man uns Menschen mit Recht denn unglückselig nennte, Wenn auf dem Kreise dieser Welt man alt würd' und nicht sterben könnte. Ein Kranker wird in solchem Stande, wenn ihn so viele Plagen kränken, Zu einem ganz besondern Trost, mit grossem Nutzen, dieß gedenken: Daß ihn nicht nur ein jeder Tag, daß ihn nicht nur ein' jede Stunde, Und nicht nur jegliche Minute; daß ihn ein' jegliche Se- cunde Unwidersprechlich näher bring von seinem hier verspühr- ten Leiden Zum End', und auch zugleich zum Anfang der ihm beschied- nen sel'gen Freuden. Es wird gewiß die Ueberlegung, zur Linderung von seiner Pein Sodenn am allermeisten wirken, und am ersprießlichsten ihm seyn, Daß, wenn der GOtt, Der einst zu ihm sprach: Komm! itzt wieder saget: Gehe! Er diesem Wink zu folgen willig, gedenke: HErr, Dein Will' geschehe!
Dieß sind, geliebter Corilas! die Tröstungen in deinem Leiden, Die dir so nütz' als nöhtig seyn. Nun wünscht' ich aber von euch beyden Zu wissen, ob ihr noch, wie vor, in eurer Meynung seyd geblieben: Es wäre, was auf diesem Blatt vom Guten in der Welt geschrieben,
Nicht
Nuͤtzliche Betrachtung
Und es gewiß, daß man uns Menſchen mit Recht denn ungluͤckſelig nennte, Wenn auf dem Kreiſe dieſer Welt man alt wuͤrd’ und nicht ſterben koͤnnte. Ein Kranker wird in ſolchem Stande, wenn ihn ſo viele Plagen kraͤnken, Zu einem ganz beſondern Troſt, mit groſſem Nutzen, dieß gedenken: Daß ihn nicht nur ein jeder Tag, daß ihn nicht nur ein’ jede Stunde, Und nicht nur jegliche Minute; daß ihn ein’ jegliche Se- cunde Unwiderſprechlich naͤher bring von ſeinem hier verſpuͤhr- ten Leiden Zum End’, und auch zugleich zum Anfang der ihm beſchied- nen ſel’gen Freuden. Es wird gewiß die Ueberlegung, zur Linderung von ſeiner Pein Sodenn am allermeiſten wirken, und am erſprießlichſten ihm ſeyn, Daß, wenn der GOtt, Der einſt zu ihm ſprach: Komm! itzt wieder ſaget: Gehe! Er dieſem Wink zu folgen willig, gedenke: HErr, Dein Will’ geſchehe!
Dieß ſind, geliebter Corilas! die Troͤſtungen in deinem Leiden, Die dir ſo nuͤtz’ als noͤhtig ſeyn. Nun wuͤnſcht’ ich aber von euch beyden Zu wiſſen, ob ihr noch, wie vor, in eurer Meynung ſeyd geblieben: Es waͤre, was auf dieſem Blatt vom Guten in der Welt geſchrieben,
Nicht
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><lgtype="poem"><pbfacs="#f0736"n="718"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Nuͤtzliche Betrachtung</hi></fw><lb/><lgn="20"><l>Und es gewiß, daß man uns Menſchen mit Recht denn</l><lb/><l><hirendition="#et">ungluͤckſelig nennte,</hi></l><lb/><l>Wenn auf dem Kreiſe dieſer Welt man alt wuͤrd’ und</l><lb/><l><hirendition="#et">nicht ſterben koͤnnte.</hi></l><lb/><l>Ein Kranker wird in ſolchem Stande, wenn ihn ſo viele</l><lb/><l><hirendition="#et">Plagen kraͤnken,</hi></l><lb/><l>Zu einem ganz beſondern Troſt, mit groſſem Nutzen, dieß</l><lb/><l><hirendition="#et">gedenken:</hi></l><lb/><l>Daß ihn nicht nur ein jeder Tag, daß ihn nicht nur ein’</l><lb/><l><hirendition="#et">jede Stunde,</hi></l><lb/><l>Und nicht nur jegliche Minute; daß ihn ein’ jegliche Se-</l><lb/><l><hirendition="#et">cunde</hi></l><lb/><l>Unwiderſprechlich naͤher bring von ſeinem hier verſpuͤhr-</l><lb/><l><hirendition="#et">ten Leiden</hi></l><lb/><l>Zum End’, und auch zugleich zum Anfang der ihm beſchied-</l><lb/><l><hirendition="#et">nen ſel’gen Freuden.</hi></l><lb/><l>Es wird gewiß die Ueberlegung, zur Linderung von ſeiner</l><lb/><l><hirendition="#et">Pein</hi></l><lb/><l>Sodenn am allermeiſten wirken, und am erſprießlichſten</l><lb/><l><hirendition="#et">ihm ſeyn,</hi></l><lb/><l>Daß, wenn der GOtt, Der einſt zu ihm ſprach: Komm!</l><lb/><l><hirendition="#et">itzt wieder ſaget: Gehe!</hi></l><lb/><l>Er dieſem Wink zu folgen willig, gedenke: HErr, Dein</l><lb/><l><hirendition="#et">Will’ geſchehe!</hi></l></lg><lb/><lgn="21"><l>Dieß ſind, geliebter <hirendition="#aq">Corilas</hi>! die Troͤſtungen in deinem</l><lb/><l><hirendition="#et">Leiden,</hi></l><lb/><l>Die dir ſo nuͤtz’ als noͤhtig ſeyn. Nun wuͤnſcht’ ich aber</l><lb/><l><hirendition="#et">von euch beyden</hi></l><lb/><l>Zu wiſſen, ob ihr noch, wie vor, in eurer Meynung ſeyd</l><lb/><l><hirendition="#et">geblieben:</hi></l><lb/><l>Es waͤre, was auf dieſem Blatt vom Guten in der Welt</l><lb/><l><hirendition="#et">geſchrieben,</hi></l></lg><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Nicht</fw><lb/></lg></div></div></div></body></text></TEI>
[718/0736]
Nuͤtzliche Betrachtung
Und es gewiß, daß man uns Menſchen mit Recht denn
ungluͤckſelig nennte,
Wenn auf dem Kreiſe dieſer Welt man alt wuͤrd’ und
nicht ſterben koͤnnte.
Ein Kranker wird in ſolchem Stande, wenn ihn ſo viele
Plagen kraͤnken,
Zu einem ganz beſondern Troſt, mit groſſem Nutzen, dieß
gedenken:
Daß ihn nicht nur ein jeder Tag, daß ihn nicht nur ein’
jede Stunde,
Und nicht nur jegliche Minute; daß ihn ein’ jegliche Se-
cunde
Unwiderſprechlich naͤher bring von ſeinem hier verſpuͤhr-
ten Leiden
Zum End’, und auch zugleich zum Anfang der ihm beſchied-
nen ſel’gen Freuden.
Es wird gewiß die Ueberlegung, zur Linderung von ſeiner
Pein
Sodenn am allermeiſten wirken, und am erſprießlichſten
ihm ſeyn,
Daß, wenn der GOtt, Der einſt zu ihm ſprach: Komm!
itzt wieder ſaget: Gehe!
Er dieſem Wink zu folgen willig, gedenke: HErr, Dein
Will’ geſchehe!
Dieß ſind, geliebter Corilas! die Troͤſtungen in deinem
Leiden,
Die dir ſo nuͤtz’ als noͤhtig ſeyn. Nun wuͤnſcht’ ich aber
von euch beyden
Zu wiſſen, ob ihr noch, wie vor, in eurer Meynung ſeyd
geblieben:
Es waͤre, was auf dieſem Blatt vom Guten in der Welt
geſchrieben,
Nicht
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 718. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/736>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.