Es sauget seine saftge Kost ein fester Klump gedrehter Röhren. Auf Dein Geheiß muß, uns zum Besten, die Sonn' im Früh- ling wiederkehren, Und die erstarrte Säft' erweichen, die durch des Winters kalten Wind, Bis in das Unterste der Wurzel, gedrucket und getrieben sind, Die itzo flüßig circuliren, die, durch die sanfte Gährung, steigen, Und ungezählte Form- und Farben nunmehr in allen Dingen zeigen. Du weißt lebendige Geschöpfe recht wunderbarlich zu ernähren, Du flößest ihnen Wunder-Triebe, sich wunderbarlich zu vermehren, Und ihr Geschlechte zu erhalten, so weis', als unbegreiflich, ein. Kann denn ein andrer Gott, als Du! mit Recht wol angebethet seyn? Nur Dich allein hat meine Seele zum Vorwurf ihres Diensts erlesen. Jch singe denn in tiefster Ehrfurcht, von Jnbrunst froh, von Andacht heiß: Lob sey Dir, allgemeine Seele des Himmels und der Erde! Wesen, Das mächtig und allgegenwärtig, nur Dir allein sey Lob und Preis!
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Fruͤhlings-Gedicht.
Es ſauget ſeine ſaftge Koſt ein feſter Klump gedrehter Roͤhren. Auf Dein Geheiß muß, uns zum Beſten, die Sonn’ im Fruͤh- ling wiederkehren, Und die erſtarrte Saͤft’ erweichen, die durch des Winters kalten Wind, Bis in das Unterſte der Wurzel, gedrucket und getrieben ſind, Die itzo fluͤßig circuliren, die, durch die ſanfte Gaͤhrung, ſteigen, Und ungezaͤhlte Form- und Farben nunmehr in allen Dingen zeigen. Du weißt lebendige Geſchoͤpfe recht wunderbarlich zu ernaͤhren, Du floͤßeſt ihnen Wunder-Triebe, ſich wunderbarlich zu vermehren, Und ihr Geſchlechte zu erhalten, ſo weiſ’, als unbegreiflich, ein. Kann denn ein andrer Gott, als Du! mit Recht wol angebethet ſeyn? Nur Dich allein hat meine Seele zum Vorwurf ihres Dienſts erleſen. Jch ſinge denn in tiefſter Ehrfurcht, von Jnbrunſt froh, von Andacht heiß: Lob ſey Dir, allgemeine Seele des Himmels und der Erde! Weſen, Das maͤchtig und allgegenwaͤrtig, nur Dir allein ſey Lob und Preis!
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Fruͤhlings-Gedicht.
Es ſauget ſeine ſaftge Koſt ein feſter Klump gedrehter
Roͤhren.
Auf Dein Geheiß muß, uns zum Beſten, die Sonn’ im Fruͤh-
ling wiederkehren,
Und die erſtarrte Saͤft’ erweichen, die durch des Winters
kalten Wind,
Bis in das Unterſte der Wurzel, gedrucket und getrieben
ſind,
Die itzo fluͤßig circuliren, die, durch die ſanfte Gaͤhrung,
ſteigen,
Und ungezaͤhlte Form- und Farben nunmehr in allen Dingen
zeigen.
Du weißt lebendige Geſchoͤpfe recht wunderbarlich zu
ernaͤhren,
Du floͤßeſt ihnen Wunder-Triebe, ſich wunderbarlich zu
vermehren,
Und ihr Geſchlechte zu erhalten, ſo weiſ’, als unbegreiflich,
ein.
Kann denn ein andrer Gott, als Du! mit Recht wol
angebethet ſeyn?
Nur Dich allein hat meine Seele zum Vorwurf ihres Dienſts
erleſen.
Jch ſinge denn in tiefſter Ehrfurcht, von Jnbrunſt froh, von
Andacht heiß:
Lob ſey Dir, allgemeine Seele des Himmels und der
Erde! Weſen,
Das maͤchtig und allgegenwaͤrtig, nur Dir allein ſey
Lob und Preis!
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/68>, abgerufen am 24.11.2024.
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