Ach, welch ein göttliches Geschenke hat in der Erden Schmuck gesteckt, Das man, wie alles Gute, leider! nunmehr, bloß im Verlust, entdeckt! O GOtt! aus Dessen Lieb' und Macht allein das Laub und Gras entstehet, Wir haben durch des Undanks Laster, durch unsre Uner- kenntlichkeit, Die Strafe mehr als wohl verdient, daß es uns geht, wie es uns gehet. Wir fühlen itzt von unsrer Sünden die sträfliche Beschaf- fenheit. Wir haben nicht des Grases Wehrt erwogen, nicht, wie es so schön, Bey seinem Nutz, zu unsrer Lust, anbey geschmückt, nicht angesehn. Steckt gleich der Thier' und Menschen Nahrung fast in dem Grase nur allein; Wir haben es fast nie bedacht, wie konnten wir gerühret seyn? Wie konnten wir dem Schöpfer danken, da wir doch offen- bar itzt sehn, Daß, wenn allein das Gras uns fehlte, die lebendige Welt vergehn, So Thier', als Menschen sterben müsten? Nun aber, da wir leider finden, Was aller Welt daran gelegen, und da es uns nunmehro fehlt, Mit Thränen in den Augen fühlen, wie heftig der Verlust uns quält, Und wir nunmehr die bittern Folgen von diesem Mangel kaum ergründen;
So
des ſtrengen Winters.
Ach, welch ein goͤttliches Geſchenke hat in der Erden Schmuck geſteckt, Das man, wie alles Gute, leider! nunmehr, bloß im Verluſt, entdeckt! O GOtt! aus Deſſen Lieb’ und Macht allein das Laub und Gras entſtehet, Wir haben durch des Undanks Laſter, durch unſre Uner- kenntlichkeit, Die Strafe mehr als wohl verdient, daß es uns geht, wie es uns gehet. Wir fuͤhlen itzt von unſrer Suͤnden die ſtraͤfliche Beſchaf- fenheit. Wir haben nicht des Graſes Wehrt erwogen, nicht, wie es ſo ſchoͤn, Bey ſeinem Nutz, zu unſrer Luſt, anbey geſchmuͤckt, nicht angeſehn. Steckt gleich der Thier’ und Menſchen Nahrung faſt in dem Graſe nur allein; Wir haben es faſt nie bedacht, wie konnten wir geruͤhret ſeyn? Wie konnten wir dem Schoͤpfer danken, da wir doch offen- bar itzt ſehn, Daß, wenn allein das Gras uns fehlte, die lebendige Welt vergehn, So Thier’, als Menſchen ſterben muͤſten? Nun aber, da wir leider finden, Was aller Welt daran gelegen, und da es uns nunmehro fehlt, Mit Thraͤnen in den Augen fuͤhlen, wie heftig der Verluſt uns quaͤlt, Und wir nunmehr die bittern Folgen von dieſem Mangel kaum ergruͤnden;
So
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><lgtype="poem"><pbfacs="#f0669"n="651"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">des ſtrengen Winters.</hi></fw><lb/><lgn="4"><l>Ach, welch ein goͤttliches Geſchenke hat in der Erden</l><lb/><l><hirendition="#et">Schmuck geſteckt,</hi></l><lb/><l>Das man, wie alles Gute, leider! nunmehr, bloß im Verluſt,</l><lb/><l><hirendition="#et">entdeckt!</hi></l><lb/><l>O GOtt! aus Deſſen Lieb’ und Macht allein das Laub</l><lb/><l><hirendition="#et">und Gras entſtehet,</hi></l><lb/><l>Wir haben durch des Undanks Laſter, durch unſre Uner-</l><lb/><l><hirendition="#et">kenntlichkeit,</hi></l><lb/><l>Die Strafe mehr als wohl verdient, daß es uns geht, wie es</l><lb/><l><hirendition="#et">uns gehet.</hi></l><lb/><l>Wir fuͤhlen itzt von unſrer Suͤnden die ſtraͤfliche Beſchaf-</l><lb/><l><hirendition="#et">fenheit.</hi></l><lb/><l>Wir haben nicht des Graſes Wehrt erwogen, nicht, wie es</l><lb/><l><hirendition="#et">ſo ſchoͤn,</hi></l><lb/><l>Bey ſeinem Nutz, zu unſrer Luſt, anbey geſchmuͤckt, nicht</l><lb/><l><hirendition="#et">angeſehn.</hi></l><lb/><l>Steckt gleich der Thier’ und Menſchen Nahrung faſt in</l><lb/><l><hirendition="#et">dem Graſe nur allein;</hi></l><lb/><l>Wir haben es faſt nie bedacht, wie konnten wir geruͤhret</l><lb/><l><hirendition="#et">ſeyn?</hi></l><lb/><l>Wie konnten wir dem Schoͤpfer danken, da wir doch offen-</l><lb/><l><hirendition="#et">bar itzt ſehn,</hi></l><lb/><l>Daß, wenn allein das Gras uns fehlte, die lebendige Welt</l><lb/><l><hirendition="#et">vergehn,</hi></l><lb/><l>So Thier’, als Menſchen ſterben muͤſten? Nun aber, da</l><lb/><l><hirendition="#et">wir leider finden,</hi></l><lb/><l>Was aller Welt daran gelegen, und da es uns nunmehro</l><lb/><l><hirendition="#et">fehlt,</hi></l><lb/><l>Mit Thraͤnen in den Augen fuͤhlen, wie heftig der Verluſt</l><lb/><l><hirendition="#et">uns quaͤlt,</hi></l><lb/><l>Und wir nunmehr die bittern Folgen von dieſem Mangel</l><lb/><l><hirendition="#et">kaum ergruͤnden;</hi></l></lg><lb/><fwplace="bottom"type="catch">So</fw><lb/></lg></div></div></div></body></text></TEI>
[651/0669]
des ſtrengen Winters.
Ach, welch ein goͤttliches Geſchenke hat in der Erden
Schmuck geſteckt,
Das man, wie alles Gute, leider! nunmehr, bloß im Verluſt,
entdeckt!
O GOtt! aus Deſſen Lieb’ und Macht allein das Laub
und Gras entſtehet,
Wir haben durch des Undanks Laſter, durch unſre Uner-
kenntlichkeit,
Die Strafe mehr als wohl verdient, daß es uns geht, wie es
uns gehet.
Wir fuͤhlen itzt von unſrer Suͤnden die ſtraͤfliche Beſchaf-
fenheit.
Wir haben nicht des Graſes Wehrt erwogen, nicht, wie es
ſo ſchoͤn,
Bey ſeinem Nutz, zu unſrer Luſt, anbey geſchmuͤckt, nicht
angeſehn.
Steckt gleich der Thier’ und Menſchen Nahrung faſt in
dem Graſe nur allein;
Wir haben es faſt nie bedacht, wie konnten wir geruͤhret
ſeyn?
Wie konnten wir dem Schoͤpfer danken, da wir doch offen-
bar itzt ſehn,
Daß, wenn allein das Gras uns fehlte, die lebendige Welt
vergehn,
So Thier’, als Menſchen ſterben muͤſten? Nun aber, da
wir leider finden,
Was aller Welt daran gelegen, und da es uns nunmehro
fehlt,
Mit Thraͤnen in den Augen fuͤhlen, wie heftig der Verluſt
uns quaͤlt,
Und wir nunmehr die bittern Folgen von dieſem Mangel
kaum ergruͤnden;
So
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 651. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/669>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.