Obgleich die Sündfluht unsre Erde ganz umgekehret und verstört; So hat dennoch der Gottheit Wesen dadurch bey keinem aufgehört.
Sprich nicht, bey solcher Aenderung der weisen Ordnung- gen, wo bliebe, Nebst Seinem einst gesprochnen Wort, absonderlich des Schöpfers Liebe? Denn hör': Jst wohl des Schöpfers Lieben nach unserm Lieben abzumessen? GOtt liebt in Absicht auf das Ganze, dieß muß die Mensch- heit nicht vergessen, Ein jeder wird dennoch geliebt, ob man es öfters selbst nicht spührt; Jndem die Gottheit alle Ding' zu einem guten Ende führt, Kann unser Witz es gleich nicht fassen. Mich deucht, du wirfst mir ferner ein: Wenn auch die Menschen wo zu strafen, und billig heimzusu- chen seyn, Was kann das arme Vieh dafür, daß es so elend leiden muß? Auch hierinn, ob du es kaum glaubst, fehlt doch dein über- eilter Schluß. Muß denn das Vieh nicht einmahl sterben? Und hätten viele nicht mehr Plagen Bey einem längern Leben noch erleiden müssen und er- tragen? Nach noch viel tausend Geissel-Schlägen, von Alter lahm, hätt' es sich strecken, Jm kalten Winter ausgejagt, von Hunger ausgezehrt, ver- recken,
Ver-
gefaͤhrlichen Einwurfs.
Obgleich die Suͤndfluht unſre Erde ganz umgekehret und verſtoͤrt; So hat dennoch der Gottheit Weſen dadurch bey keinem aufgehoͤrt.
Sprich nicht, bey ſolcher Aenderung der weiſen Ordnung- gen, wo bliebe, Nebſt Seinem einſt geſprochnen Wort, abſonderlich des Schoͤpfers Liebe? Denn hoͤr’: Jſt wohl des Schoͤpfers Lieben nach unſerm Lieben abzumeſſen? GOtt liebt in Abſicht auf das Ganze, dieß muß die Menſch- heit nicht vergeſſen, Ein jeder wird dennoch geliebt, ob man es oͤfters ſelbſt nicht ſpuͤhrt; Jndem die Gottheit alle Ding’ zu einem guten Ende fuͤhrt, Kann unſer Witz es gleich nicht faſſen. Mich deucht, du wirfſt mir ferner ein: Wenn auch die Menſchen wo zu ſtrafen, und billig heimzuſu- chen ſeyn, Was kann das arme Vieh dafuͤr, daß es ſo elend leiden muß? Auch hierinn, ob du es kaum glaubſt, fehlt doch dein uͤber- eilter Schluß. Muß denn das Vieh nicht einmahl ſterben? Und haͤtten viele nicht mehr Plagen Bey einem laͤngern Leben noch erleiden muͤſſen und er- tragen? Nach noch viel tauſend Geiſſel-Schlaͤgen, von Alter lahm, haͤtt’ es ſich ſtrecken, Jm kalten Winter ausgejagt, von Hunger ausgezehrt, ver- recken,
Ver-
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gefaͤhrlichen Einwurfs.
Obgleich die Suͤndfluht unſre Erde ganz umgekehret und
verſtoͤrt;
So hat dennoch der Gottheit Weſen dadurch bey keinem
aufgehoͤrt.
Sprich nicht, bey ſolcher Aenderung der weiſen Ordnung-
gen, wo bliebe,
Nebſt Seinem einſt geſprochnen Wort, abſonderlich des
Schoͤpfers Liebe?
Denn hoͤr’: Jſt wohl des Schoͤpfers Lieben nach unſerm
Lieben abzumeſſen?
GOtt liebt in Abſicht auf das Ganze, dieß muß die Menſch-
heit nicht vergeſſen,
Ein jeder wird dennoch geliebt, ob man es oͤfters ſelbſt nicht
ſpuͤhrt;
Jndem die Gottheit alle Ding’ zu einem guten Ende fuͤhrt,
Kann unſer Witz es gleich nicht faſſen. Mich deucht, du
wirfſt mir ferner ein:
Wenn auch die Menſchen wo zu ſtrafen, und billig heimzuſu-
chen ſeyn,
Was kann das arme Vieh dafuͤr, daß es ſo elend leiden
muß?
Auch hierinn, ob du es kaum glaubſt, fehlt doch dein uͤber-
eilter Schluß.
Muß denn das Vieh nicht einmahl ſterben? Und haͤtten viele
nicht mehr Plagen
Bey einem laͤngern Leben noch erleiden muͤſſen und er-
tragen?
Nach noch viel tauſend Geiſſel-Schlaͤgen, von Alter lahm,
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 635. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/653>, abgerufen am 22.11.2024.
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