Allein, welch ein geschminkter Zweifel würd' unsre Kum- mer-reiche Seelen, Durch der Natur gestörte Ordnung und ganz verrückten Lauf, nicht quälen! Wie würd', in ihrem groben Jrrthum, die stolze Schaar der Atheisten Sich dieses nicht zu Nutze machen, und sich ganz unerträg- lich brüsten! "Was sagt ihr? (würd' er freventlich von unsers Glau- bens Grunde sprechen, "Der auf die Ordnung der Natur sich fußt und stutzt) Was sagt ihr nun? "Kann eine Gottheit, die nicht irrt, ihr einst gegebnes Wort wohl brechen? "Selbst was die Regel der Natur, ja was selbst eure Bibel spricht: "Dem Winter soll der Frühling folgen, bestehet und geschicht ja nicht. "Einfolglich fället alles weg, worauf ihr alles das gebauet, "Da man, bey aufgehabner Ordnung, auch ferner keine Gottheit schauet, "Die bloß die Ordnung euch gezeigt, und euch zu glau- ben reizt. Allein, Halt! rief ich, wie ich mich besann, verwegner Atheist, halt ein! Auch du, mein Geist! besinne dich; leg Hand und Finger auf den Mund. Es hat der Atheisten Bosheit, auch deine Schwachheit, keinen Grund.
Jst
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gefaͤhrlichen Einwurfs.
Allein, welch ein geſchminkter Zweifel wuͤrd’ unſre Kum- mer-reiche Seelen, Durch der Natur geſtoͤrte Ordnung und ganz verruͤckten Lauf, nicht quaͤlen! Wie wuͤrd’, in ihrem groben Jrrthum, die ſtolze Schaar der Atheiſten Sich dieſes nicht zu Nutze machen, und ſich ganz unertraͤg- lich bruͤſten! “Was ſagt ihr? (wuͤrd’ er freventlich von unſers Glau- bens Grunde ſprechen, „Der auf die Ordnung der Natur ſich fußt und ſtutzt) Was ſagt ihr nun? „Kann eine Gottheit, die nicht irrt, ihr einſt gegebnes Wort wohl brechen? „Selbſt was die Regel der Natur, ja was ſelbſt eure Bibel ſpricht: „Dem Winter ſoll der Fruͤhling folgen, beſtehet und geſchicht ja nicht. „Einfolglich faͤllet alles weg, worauf ihr alles das gebauet, „Da man, bey aufgehabner Ordnung, auch ferner keine Gottheit ſchauet, „Die bloß die Ordnung euch gezeigt, und euch zu glau- ben reizt. Allein, Halt! rief ich, wie ich mich beſann, verwegner Atheiſt, halt ein! Auch du, mein Geiſt! beſinne dich; leg Hand und Finger auf den Mund. Es hat der Atheiſten Bosheit, auch deine Schwachheit, keinen Grund.
Jſt
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gefaͤhrlichen Einwurfs.
Allein, welch ein geſchminkter Zweifel wuͤrd’ unſre Kum-
mer-reiche Seelen,
Durch der Natur geſtoͤrte Ordnung und ganz verruͤckten
Lauf, nicht quaͤlen!
Wie wuͤrd’, in ihrem groben Jrrthum, die ſtolze Schaar
der Atheiſten
Sich dieſes nicht zu Nutze machen, und ſich ganz unertraͤg-
lich bruͤſten!
“Was ſagt ihr? (wuͤrd’ er freventlich von unſers Glau-
bens Grunde ſprechen,
„Der auf die Ordnung der Natur ſich fußt und ſtutzt)
Was ſagt ihr nun?
„Kann eine Gottheit, die nicht irrt, ihr einſt gegebnes
Wort wohl brechen?
„Selbſt was die Regel der Natur, ja was ſelbſt eure
Bibel ſpricht:
„Dem Winter ſoll der Fruͤhling folgen, beſtehet und
geſchicht ja nicht.
„Einfolglich faͤllet alles weg, worauf ihr alles das
gebauet,
„Da man, bey aufgehabner Ordnung, auch ferner keine
Gottheit ſchauet,
„Die bloß die Ordnung euch gezeigt, und euch zu glau-
ben reizt. Allein,
Halt! rief ich, wie ich mich beſann, verwegner Atheiſt, halt
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 633. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/651>, abgerufen am 22.11.2024.
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