Die süsse Bildung reizte mich, Auf seine Form', wenn er entsteht, zu achten, Und recht, auf welche Art er sich Aus seiner Mutter Schooß erhebet, zu betrachten. Da ich denn, mit Verwundrung, fand, Daß jedes Blatt sich in der Mitte bieget, Und so verschränkt zusammenfüget, Daß alle drey kaum breiter als der Stiel. Wodurch mir denn zugleich, woher Ein Strich in aller Blätter Mitten, Als wär er eingekerbt und gleichsam eingeschnitlen, Jm Klee sich immer zeigt, mir in die Augen fiel, Und daß es nicht von ungefehr. Jch ward hiebey noch mehr gewahr, So ich vorhero nicht beachtet, Ob ich gleich öfters Gras betrachtet, Daß solch ein tiefer Strich so gar Jn jedem Spierchen Gras sich zeiget, Weil jedes Spierchen Gras, um besser durchzubrechen, Und durch die Erde sich zu stechen, Gefaltet aus dem Boden steiget. Daher, wenn es nachher sich weiter treibt, Der Strich doch allezeit darinn verbleibt.
Wie ich neulich die Betrachtung von der Erden Schmuck, dem Grase, Da ich selbst im Grase saß, auch die andern, überlase; Fand ich zwar, daß von demselben was verhandelt, doch dabey, Daß in diesem Wunder-Kraut mehr noch zu bewundern sey.
Wie
Das Gras im Winter.
Die ſuͤſſe Bildung reizte mich, Auf ſeine Form’, wenn er entſteht, zu achten, Und recht, auf welche Art er ſich Aus ſeiner Mutter Schooß erhebet, zu betrachten. Da ich denn, mit Verwundrung, fand, Daß jedes Blatt ſich in der Mitte bieget, Und ſo verſchraͤnkt zuſammenfuͤget, Daß alle drey kaum breiter als der Stiel. Wodurch mir denn zugleich, woher Ein Strich in aller Blaͤtter Mitten, Als waͤr er eingekerbt und gleichſam eingeſchnitlen, Jm Klee ſich immer zeigt, mir in die Augen fiel, Und daß es nicht von ungefehr. Jch ward hiebey noch mehr gewahr, So ich vorhero nicht beachtet, Ob ich gleich oͤfters Gras betrachtet, Daß ſolch ein tiefer Strich ſo gar Jn jedem Spierchen Gras ſich zeiget, Weil jedes Spierchen Gras, um beſſer durchzubrechen, Und durch die Erde ſich zu ſtechen, Gefaltet aus dem Boden ſteiget. Daher, wenn es nachher ſich weiter treibt, Der Strich doch allezeit darinn verbleibt.
Wie ich neulich die Betrachtung von der Erden Schmuck, dem Graſe, Da ich ſelbſt im Graſe ſaß, auch die andern, uͤberlaſe; Fand ich zwar, daß von demſelben was verhandelt, doch dabey, Daß in dieſem Wunder-Kraut mehr noch zu bewundern ſey.
Wie
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><lgtype="poem"><pbfacs="#f0640"n="622"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Das Gras im Winter.</hi></fw><lb/><lgn="3"><l>Die ſuͤſſe Bildung reizte mich,</l><lb/><l>Auf ſeine Form’, wenn er entſteht, zu achten,</l><lb/><l>Und recht, auf welche Art er ſich</l><lb/><l>Aus ſeiner Mutter Schooß erhebet, zu betrachten.</l><lb/><l>Da ich denn, mit Verwundrung, fand,</l><lb/><l>Daß jedes Blatt ſich in der Mitte bieget,</l><lb/><l>Und ſo verſchraͤnkt zuſammenfuͤget,</l><lb/><l>Daß alle drey kaum breiter als der Stiel.</l><lb/><l>Wodurch mir denn zugleich, woher</l><lb/><l>Ein Strich in aller Blaͤtter Mitten,</l><lb/><l>Als waͤr er eingekerbt und gleichſam eingeſchnitlen,</l><lb/><l>Jm Klee ſich immer zeigt, mir in die Augen fiel,</l><lb/><l>Und daß es nicht von ungefehr.</l><lb/><l>Jch ward hiebey noch mehr gewahr,</l><lb/><l>So ich vorhero nicht beachtet,</l><lb/><l>Ob ich gleich oͤfters Gras betrachtet,</l><lb/><l>Daß ſolch ein tiefer Strich ſo gar</l><lb/><l>Jn jedem Spierchen Gras ſich zeiget,</l><lb/><l>Weil jedes Spierchen Gras, um beſſer durchzubrechen,</l><lb/><l>Und durch die Erde ſich zu ſtechen,</l><lb/><l>Gefaltet aus dem Boden ſteiget.</l><lb/><l>Daher, wenn es nachher ſich weiter treibt,</l><lb/><l>Der Strich doch allezeit darinn verbleibt.</l></lg><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><lgn="4"><l>Wie ich neulich die Betrachtung von der Erden Schmuck,</l><lb/><l><hirendition="#et">dem Graſe,</hi></l><lb/><l>Da ich ſelbſt im Graſe ſaß, auch die andern, uͤberlaſe;</l><lb/><l>Fand ich zwar, daß von demſelben was verhandelt, doch</l><lb/><l><hirendition="#et">dabey,</hi></l><lb/><l>Daß in dieſem Wunder-Kraut mehr noch zu bewundern ſey.</l></lg><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Wie</fw><lb/></lg></div></div></div></body></text></TEI>
[622/0640]
Das Gras im Winter.
Die ſuͤſſe Bildung reizte mich,
Auf ſeine Form’, wenn er entſteht, zu achten,
Und recht, auf welche Art er ſich
Aus ſeiner Mutter Schooß erhebet, zu betrachten.
Da ich denn, mit Verwundrung, fand,
Daß jedes Blatt ſich in der Mitte bieget,
Und ſo verſchraͤnkt zuſammenfuͤget,
Daß alle drey kaum breiter als der Stiel.
Wodurch mir denn zugleich, woher
Ein Strich in aller Blaͤtter Mitten,
Als waͤr er eingekerbt und gleichſam eingeſchnitlen,
Jm Klee ſich immer zeigt, mir in die Augen fiel,
Und daß es nicht von ungefehr.
Jch ward hiebey noch mehr gewahr,
So ich vorhero nicht beachtet,
Ob ich gleich oͤfters Gras betrachtet,
Daß ſolch ein tiefer Strich ſo gar
Jn jedem Spierchen Gras ſich zeiget,
Weil jedes Spierchen Gras, um beſſer durchzubrechen,
Und durch die Erde ſich zu ſtechen,
Gefaltet aus dem Boden ſteiget.
Daher, wenn es nachher ſich weiter treibt,
Der Strich doch allezeit darinn verbleibt.
Wie ich neulich die Betrachtung von der Erden Schmuck,
dem Graſe,
Da ich ſelbſt im Graſe ſaß, auch die andern, uͤberlaſe;
Fand ich zwar, daß von demſelben was verhandelt, doch
dabey,
Daß in dieſem Wunder-Kraut mehr noch zu bewundern ſey.
Wie
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 622. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/640>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.