Die, etwas von der Bluhm' erhöhet, Auf einem Fusse zierlich stehet. Was aber mehr verwunderlich, Jst, daß an diesem Fusse sich Sonst nie gesehne Formen zeigen, Die sich sehr zierlich abwerts beugen, Und an der Farben Schmuck nicht nur, Die glänzend- grün, auch an Figur, (Da sie des Ueberflusses Horn, Spitz hinten, ausgehöhlet vorn) Natürlich gleiche Bilderlein Vor andern recht beträchtlich seyn. Gewiß sie sind so nett formieret, Daß die Vernunft sich fast verlieret, Wie sie so Regel-recht gezogen, Nett ausgeründet, nett gebogen, Und wie die bildende Natur Mit ganz besonderer Figur Sie wunderwürdig ausgeschmücket.
Wer dieses Blühmchen nun erblicket, Denkt sehr vernünftig, wenn er denkt: Daß Der, Der so viel Zier und Pracht Mit so viel Kunst darin gesenket, Und sie Bewunderns-wehrt gemacht, Für Jhn und auch für uns nicht wolle, Daß, ganz von Lust und Andacht leer, (Als wenn sie durch ein Ungefehr Verwirrt von selbst entstanden wär) Man sich mit ihr betragen solle. Jch habe sie, daß sie so schön, Denn nun, GOtt Lob! mit Lust gesehn, Und danke GOtt, daß es geschehn.
Wo-
Nieſewurz-Bluhme im Winter.
Die, etwas von der Bluhm’ erhoͤhet, Auf einem Fuſſe zierlich ſtehet. Was aber mehr verwunderlich, Jſt, daß an dieſem Fuſſe ſich Sonſt nie geſehne Formen zeigen, Die ſich ſehr zierlich abwerts beugen, Und an der Farben Schmuck nicht nur, Die glaͤnzend- gruͤn, auch an Figur, (Da ſie des Ueberfluſſes Horn, Spitz hinten, ausgehoͤhlet vorn) Natuͤrlich gleiche Bilderlein Vor andern recht betraͤchtlich ſeyn. Gewiß ſie ſind ſo nett formieret, Daß die Vernunft ſich faſt verlieret, Wie ſie ſo Regel-recht gezogen, Nett ausgeruͤndet, nett gebogen, Und wie die bildende Natur Mit ganz beſonderer Figur Sie wunderwuͤrdig ausgeſchmuͤcket.
Wer dieſes Bluͤhmchen nun erblicket, Denkt ſehr vernuͤnftig, wenn er denkt: Daß Der, Der ſo viel Zier und Pracht Mit ſo viel Kunſt darin geſenket, Und ſie Bewunderns-wehrt gemacht, Fuͤr Jhn und auch fuͤr uns nicht wolle, Daß, ganz von Luſt und Andacht leer, (Als wenn ſie durch ein Ungefehr Verwirrt von ſelbſt entſtanden waͤr) Man ſich mit ihr betragen ſolle. Jch habe ſie, daß ſie ſo ſchoͤn, Denn nun, GOtt Lob! mit Luſt geſehn, Und danke GOtt, daß es geſchehn.
Wo-
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[596/0614]
Nieſewurz-Bluhme im Winter.
Die, etwas von der Bluhm’ erhoͤhet,
Auf einem Fuſſe zierlich ſtehet.
Was aber mehr verwunderlich,
Jſt, daß an dieſem Fuſſe ſich
Sonſt nie geſehne Formen zeigen,
Die ſich ſehr zierlich abwerts beugen,
Und an der Farben Schmuck nicht nur,
Die glaͤnzend- gruͤn, auch an Figur,
(Da ſie des Ueberfluſſes Horn,
Spitz hinten, ausgehoͤhlet vorn)
Natuͤrlich gleiche Bilderlein
Vor andern recht betraͤchtlich ſeyn.
Gewiß ſie ſind ſo nett formieret,
Daß die Vernunft ſich faſt verlieret,
Wie ſie ſo Regel-recht gezogen,
Nett ausgeruͤndet, nett gebogen,
Und wie die bildende Natur
Mit ganz beſonderer Figur
Sie wunderwuͤrdig ausgeſchmuͤcket.
Wer dieſes Bluͤhmchen nun erblicket,
Denkt ſehr vernuͤnftig, wenn er denkt:
Daß Der, Der ſo viel Zier und Pracht
Mit ſo viel Kunſt darin geſenket,
Und ſie Bewunderns-wehrt gemacht,
Fuͤr Jhn und auch fuͤr uns nicht wolle,
Daß, ganz von Luſt und Andacht leer,
(Als wenn ſie durch ein Ungefehr
Verwirrt von ſelbſt entſtanden waͤr)
Man ſich mit ihr betragen ſolle.
Jch habe ſie, daß ſie ſo ſchoͤn,
Denn nun, GOtt Lob! mit Luſt geſehn,
Und danke GOtt, daß es geſchehn.
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 596. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/614>, abgerufen am 22.11.2024.
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