Durch ihre Stille selbst zur Stille mit bewogen, Wie sie das dürre Stroh begierig zu sich zogen. Wir sahen sie die langen Halmen Mit regen Kiefern sanft zermalmen. Das rauschende Gezisch, das knarschende Getön, Mit welchem sie die dürre Kost verzehren, War ja so angenehm zu hören, Als ihre Stellungen zu sehn. Jnzwischen kam, vor andern, mir Jhr Futter sehr beträchtlich für. Das leer' und dürre Stroh, dem Schein nach sonder Saft, Hat in den leer- und trocknen Röhren, O Wunder! dennoch so viel Kraft, So grosse Thiere zu ernähren, Ja ihre Frucht zugleich, und überdem Die süsse Milch, die uns so angenehm, Jn Ueberfluß uns zu gewähren. Noch mehr, es wird ein Theil vom Stroh zu Mist, Der wiederum zum Feld-Bau nöhtig ist. Es kam mir dannenher ein solches Thier Als ein lebend'ger Wage für, Der Düngung auf die Felder führet. Ja, sie sind gleichsam anzusehn, Als unsre Küchen, welche gehn, Als Kolben, worinn sich die Milch selbst distillirt.
Jch ward recht inniglich gerührt Durch die recht Wunder-volle Weise, Wodurch, in einem steten Kreise, Der unsern Unterhalt gebiert, Sich Stroh in Mist, in Stroh, Mist circulirt, Und im beständ'gen Wechsel ginge.
An-
Vorwerks-Betrachtungen.
Durch ihre Stille ſelbſt zur Stille mit bewogen, Wie ſie das duͤrre Stroh begierig zu ſich zogen. Wir ſahen ſie die langen Halmen Mit regen Kiefern ſanft zermalmen. Das rauſchende Geziſch, das knarſchende Getoͤn, Mit welchem ſie die duͤrre Koſt verzehren, War ja ſo angenehm zu hoͤren, Als ihre Stellungen zu ſehn. Jnzwiſchen kam, vor andern, mir Jhr Futter ſehr betraͤchtlich fuͤr. Das leer’ und duͤrre Stroh, dem Schein nach ſonder Saft, Hat in den leer- und trocknen Roͤhren, O Wunder! dennoch ſo viel Kraft, So groſſe Thiere zu ernaͤhren, Ja ihre Frucht zugleich, und uͤberdem Die ſuͤſſe Milch, die uns ſo angenehm, Jn Ueberfluß uns zu gewaͤhren. Noch mehr, es wird ein Theil vom Stroh zu Miſt, Der wiederum zum Feld-Bau noͤhtig iſt. Es kam mir dannenher ein ſolches Thier Als ein lebend’ger Wage fuͤr, Der Duͤngung auf die Felder fuͤhret. Ja, ſie ſind gleichſam anzuſehn, Als unſre Kuͤchen, welche gehn, Als Kolben, worinn ſich die Milch ſelbſt diſtillirt.
Jch ward recht inniglich geruͤhrt Durch die recht Wunder-volle Weiſe, Wodurch, in einem ſteten Kreiſe, Der unſern Unterhalt gebiert, Sich Stroh in Miſt, in Stroh, Miſt circulirt, Und im beſtaͤnd’gen Wechſel ginge.
An-
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Vorwerks-Betrachtungen.
Durch ihre Stille ſelbſt zur Stille mit bewogen,
Wie ſie das duͤrre Stroh begierig zu ſich zogen.
Wir ſahen ſie die langen Halmen
Mit regen Kiefern ſanft zermalmen.
Das rauſchende Geziſch, das knarſchende Getoͤn,
Mit welchem ſie die duͤrre Koſt verzehren,
War ja ſo angenehm zu hoͤren,
Als ihre Stellungen zu ſehn.
Jnzwiſchen kam, vor andern, mir
Jhr Futter ſehr betraͤchtlich fuͤr.
Das leer’ und duͤrre Stroh, dem Schein nach ſonder Saft,
Hat in den leer- und trocknen Roͤhren,
O Wunder! dennoch ſo viel Kraft,
So groſſe Thiere zu ernaͤhren,
Ja ihre Frucht zugleich, und uͤberdem
Die ſuͤſſe Milch, die uns ſo angenehm,
Jn Ueberfluß uns zu gewaͤhren.
Noch mehr, es wird ein Theil vom Stroh zu Miſt,
Der wiederum zum Feld-Bau noͤhtig iſt.
Es kam mir dannenher ein ſolches Thier
Als ein lebend’ger Wage fuͤr,
Der Duͤngung auf die Felder fuͤhret.
Ja, ſie ſind gleichſam anzuſehn,
Als unſre Kuͤchen, welche gehn,
Als Kolben, worinn ſich die Milch ſelbſt diſtillirt.
Jch ward recht inniglich geruͤhrt
Durch die recht Wunder-volle Weiſe,
Wodurch, in einem ſteten Kreiſe,
Der unſern Unterhalt gebiert,
Sich Stroh in Miſt, in Stroh, Miſt circulirt,
Und im beſtaͤnd’gen Wechſel ginge.
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 574. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/592>, abgerufen am 22.11.2024.
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