Daß, wenn wir den von Seiner Gunst so oft, so oft erbetnen Segen Nun wirklich auf den Boden schütten, wir weiter nichts davon erwegen, Als nur ein frostiges GOtt-Lob, das gleichsam auf den Lip- pen friert, Und wobey man noch meistens gar ein bitter Denken heimlich spührt: Daß, wär auch gleich der Boden voll von reinem Korn, ein wenig mehr Von Rocken und zumahl von Weizen dennoch ein wenig besser wär. Wahrhaftig es beschämen uns in diesem Stücke ja die Heyden Durch ihre, den vermeynten Gebern so schöner Frucht, geweihte Freuden. Vermeynt man denn im Christenthum die Pflicht, zu danken und zu loben Den grossen Geber alles Guten, sey durch den Glauben auf- gehoben.
Hierauf besahen wir das Horn-Vieh mit Vergnügen, Das uns zur linken Hand, Jn einer langen Reih', in netter Ordnung stand. Wir fanden es theils stehn, theils liegen, Theils käu'n, theils wiederkäu'n. Ein emsiges Bewegen Des glatten Mauls, der Ohren sanftes Regen, Wobey sie dann und wann die schlanken Zungen Zu beyden Seiten schwungen, War nur allein, sonst nichts bewegliches an ihnen (Jndem sie all' in recht zufriedner Ruh, Und einer sanften Stille schienen) Zu spühren und zu sehn. Wir sahen ihnen zu,
Durch
Vorwerks-Betrachtungen.
Daß, wenn wir den von Seiner Gunſt ſo oft, ſo oft erbetnen Segen Nun wirklich auf den Boden ſchuͤtten, wir weiter nichts davon erwegen, Als nur ein froſtiges GOtt-Lob, das gleichſam auf den Lip- pen friert, Und wobey man noch meiſtens gar ein bitter Denken heimlich ſpuͤhrt: Daß, waͤr auch gleich der Boden voll von reinem Korn, ein wenig mehr Von Rocken und zumahl von Weizen dennoch ein wenig beſſer waͤr. Wahrhaftig es beſchaͤmen uns in dieſem Stuͤcke ja die Heyden Durch ihre, den vermeynten Gebern ſo ſchoͤner Frucht, geweihte Freuden. Vermeynt man denn im Chriſtenthum die Pflicht, zu danken und zu loben Den groſſen Geber alles Guten, ſey durch den Glauben auf- gehoben.
Hierauf beſahen wir das Horn-Vieh mit Vergnuͤgen, Das uns zur linken Hand, Jn einer langen Reih’, in netter Ordnung ſtand. Wir fanden es theils ſtehn, theils liegen, Theils kaͤu’n, theils wiederkaͤu’n. Ein emſiges Bewegen Des glatten Mauls, der Ohren ſanftes Regen, Wobey ſie dann und wann die ſchlanken Zungen Zu beyden Seiten ſchwungen, War nur allein, ſonſt nichts bewegliches an ihnen (Jndem ſie all’ in recht zufriedner Ruh, Und einer ſanften Stille ſchienen) Zu ſpuͤhren und zu ſehn. Wir ſahen ihnen zu,
Durch
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Vorwerks-Betrachtungen.
Daß, wenn wir den von Seiner Gunſt ſo oft, ſo oft erbetnen
Segen
Nun wirklich auf den Boden ſchuͤtten, wir weiter nichts
davon erwegen,
Als nur ein froſtiges GOtt-Lob, das gleichſam auf den Lip-
pen friert,
Und wobey man noch meiſtens gar ein bitter Denken heimlich
ſpuͤhrt:
Daß, waͤr auch gleich der Boden voll von reinem Korn, ein
wenig mehr
Von Rocken und zumahl von Weizen dennoch ein wenig
beſſer waͤr.
Wahrhaftig es beſchaͤmen uns in dieſem Stuͤcke ja die
Heyden
Durch ihre, den vermeynten Gebern ſo ſchoͤner Frucht,
geweihte Freuden.
Vermeynt man denn im Chriſtenthum die Pflicht, zu danken
und zu loben
Den groſſen Geber alles Guten, ſey durch den Glauben auf-
gehoben.
Hierauf beſahen wir das Horn-Vieh mit Vergnuͤgen,
Das uns zur linken Hand,
Jn einer langen Reih’, in netter Ordnung ſtand.
Wir fanden es theils ſtehn, theils liegen,
Theils kaͤu’n, theils wiederkaͤu’n. Ein emſiges Bewegen
Des glatten Mauls, der Ohren ſanftes Regen,
Wobey ſie dann und wann die ſchlanken Zungen
Zu beyden Seiten ſchwungen,
War nur allein, ſonſt nichts bewegliches an ihnen
(Jndem ſie all’ in recht zufriedner Ruh,
Und einer ſanften Stille ſchienen)
Zu ſpuͤhren und zu ſehn. Wir ſahen ihnen zu,
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 573. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/591>, abgerufen am 22.11.2024.
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