Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite

Winter-Witterung in Ritzebüttel.
Die Luft war abermahls entwölkt, und klar, gelinde, lau
und rein,
Ein jeder Vorwurf glänzt' auch heut', und glüht' im war-
men Sonnen-Schein.
Jch hab, im hellen Sonnen-Strahl, die Felder aus der
Maassen schön,
Und sonderlich auf meinem eignen die junge grüne Saat
gesehn,
Die schon so hoch empor gewachsen, daß sich ihr einzeln
Grün verband,
Und es von weitem allgemach das Braun des Ackers
überwand.
Es lockt' und reizte Licht und Luft den Häuslichsten
zum Ausspatzieren,
Jn einem schönen Abendroht sah man die Sonne sich ver-
liehren;
Und kurz: auch zwischen diesem Tag und der beliebten
Frühlings-Zeit,
Den Schmuck der Bäume ausgenommen, war wirklich
fast kein Unterscheid.

9 Wär es nun möglich fast gewesen, so wär der neunte
Monats-Tag
Noch besser als der gestrige mit Recht zu nennen. Denn
man mag
Zu einer schönen Witterung so viel verlangen, als man
will,
So war es alles heute da: Die Luft war rein, die Winde
still,
Es glänzt' das Feld, es glänzt' die Fluht, es war recht
warm, die Mücken spielten,
Es waren Menschen, Thier' und Pflanzen, ob aller An-
muht, die sie fühlten,
Er-
N n 2

Winter-Witterung in Ritzebuͤttel.
Die Luft war abermahls entwoͤlkt, und klar, gelinde, lau
und rein,
Ein jeder Vorwurf glaͤnzt’ auch heut’, und gluͤht’ im war-
men Sonnen-Schein.
Jch hab, im hellen Sonnen-Strahl, die Felder aus der
Maaſſen ſchoͤn,
Und ſonderlich auf meinem eignen die junge gruͤne Saat
geſehn,
Die ſchon ſo hoch empor gewachſen, daß ſich ihr einzeln
Gruͤn verband,
Und es von weitem allgemach das Braun des Ackers
uͤberwand.
Es lockt’ und reizte Licht und Luft den Haͤuslichſten
zum Ausſpatzieren,
Jn einem ſchoͤnen Abendroht ſah man die Sonne ſich ver-
liehren;
Und kurz: auch zwiſchen dieſem Tag und der beliebten
Fruͤhlings-Zeit,
Den Schmuck der Baͤume ausgenommen, war wirklich
faſt kein Unterſcheid.

9 Waͤr es nun moͤglich faſt geweſen, ſo waͤr der neunte
Monats-Tag
Noch beſſer als der geſtrige mit Recht zu nennen. Denn
man mag
Zu einer ſchoͤnen Witterung ſo viel verlangen, als man
will,
So war es alles heute da: Die Luft war rein, die Winde
ſtill,
Es glaͤnzt’ das Feld, es glaͤnzt’ die Fluht, es war recht
warm, die Muͤcken ſpielten,
Es waren Menſchen, Thier’ und Pflanzen, ob aller An-
muht, die ſie fuͤhlten,
Er-
N n 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <lg n="38">
                <pb facs="#f0581" n="563"/>
                <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Winter-Witterung in Ritzebu&#x0364;ttel.</hi> </fw><lb/>
                <l>Die Luft war abermahls entwo&#x0364;lkt, und klar, gelinde, lau</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">und rein,</hi> </l><lb/>
                <l>Ein jeder Vorwurf gla&#x0364;nzt&#x2019; auch heut&#x2019;, und glu&#x0364;ht&#x2019; im war-</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">men Sonnen-Schein.</hi> </l><lb/>
                <l>Jch hab, im hellen Sonnen-Strahl, die Felder aus der</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">Maa&#x017F;&#x017F;en &#x017F;cho&#x0364;n,</hi> </l><lb/>
                <l>Und &#x017F;onderlich auf meinem eignen die junge gru&#x0364;ne Saat</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">ge&#x017F;ehn,</hi> </l><lb/>
                <l>Die &#x017F;chon &#x017F;o hoch empor gewach&#x017F;en, daß &#x017F;ich ihr einzeln</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">Gru&#x0364;n verband,</hi> </l><lb/>
                <l>Und es von weitem allgemach das Braun des Ackers</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">u&#x0364;berwand.</hi> </l><lb/>
                <l>Es lockt&#x2019; und reizte Licht und Luft den Ha&#x0364;uslich&#x017F;ten</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">zum Aus&#x017F;patzieren,</hi> </l><lb/>
                <l>Jn einem &#x017F;cho&#x0364;nen Abendroht &#x017F;ah man die Sonne &#x017F;ich ver-</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">liehren;</hi> </l><lb/>
                <l>Und kurz: auch zwi&#x017F;chen die&#x017F;em Tag und der beliebten</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">Fru&#x0364;hlings-Zeit,</hi> </l><lb/>
                <l>Den Schmuck der Ba&#x0364;ume ausgenommen, war wirklich</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">fa&#x017F;t kein Unter&#x017F;cheid.</hi> </l>
              </lg><lb/>
              <lg n="39">
                <l><note place="left">9</note> Wa&#x0364;r es nun mo&#x0364;glich fa&#x017F;t gewe&#x017F;en, &#x017F;o wa&#x0364;r der neunte</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">Monats-Tag</hi> </l><lb/>
                <l>Noch be&#x017F;&#x017F;er als der ge&#x017F;trige mit Recht zu nennen. Denn</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">man mag</hi> </l><lb/>
                <l>Zu einer &#x017F;cho&#x0364;nen Witterung &#x017F;o viel verlangen, als man</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">will,</hi> </l><lb/>
                <l>So war es alles heute da: Die Luft war rein, die Winde</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">&#x017F;till,</hi> </l><lb/>
                <l>Es gla&#x0364;nzt&#x2019; das Feld, es gla&#x0364;nzt&#x2019; die Fluht, es war recht</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">warm, die Mu&#x0364;cken &#x017F;pielten,</hi> </l><lb/>
                <l>Es waren Men&#x017F;chen, Thier&#x2019; und Pflanzen, ob aller An-</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">muht, die &#x017F;ie fu&#x0364;hlten,</hi> </l><lb/>
                <fw place="bottom" type="sig">N n 2</fw>
                <fw place="bottom" type="catch">Er-</fw><lb/>
              </lg>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[563/0581] Winter-Witterung in Ritzebuͤttel. Die Luft war abermahls entwoͤlkt, und klar, gelinde, lau und rein, Ein jeder Vorwurf glaͤnzt’ auch heut’, und gluͤht’ im war- men Sonnen-Schein. Jch hab, im hellen Sonnen-Strahl, die Felder aus der Maaſſen ſchoͤn, Und ſonderlich auf meinem eignen die junge gruͤne Saat geſehn, Die ſchon ſo hoch empor gewachſen, daß ſich ihr einzeln Gruͤn verband, Und es von weitem allgemach das Braun des Ackers uͤberwand. Es lockt’ und reizte Licht und Luft den Haͤuslichſten zum Ausſpatzieren, Jn einem ſchoͤnen Abendroht ſah man die Sonne ſich ver- liehren; Und kurz: auch zwiſchen dieſem Tag und der beliebten Fruͤhlings-Zeit, Den Schmuck der Baͤume ausgenommen, war wirklich faſt kein Unterſcheid. Waͤr es nun moͤglich faſt geweſen, ſo waͤr der neunte Monats-Tag Noch beſſer als der geſtrige mit Recht zu nennen. Denn man mag Zu einer ſchoͤnen Witterung ſo viel verlangen, als man will, So war es alles heute da: Die Luft war rein, die Winde ſtill, Es glaͤnzt’ das Feld, es glaͤnzt’ die Fluht, es war recht warm, die Muͤcken ſpielten, Es waren Menſchen, Thier’ und Pflanzen, ob aller An- muht, die ſie fuͤhlten, Er- N n 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/581
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 563. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/581>, abgerufen am 22.11.2024.