Wo es mein Cörper hinderte, nicht fallen konnt', und dieses eben War Ursach, daß ich meinen Schatten sah in der Luft und Nebel schweben. Jch stutzte, wie ich aber bald den Ursprung dieses Schat- tens fand; So fand ich, daß aus diesem Zufall mir noch ein ander Licht entstand. Es fiel mir ein, daß dieß ein Bild der Dämmrung, die wir immer seh'n, Sowohl des Morgens, als des Abends, in unsrer dichten Luft entsteh'n. Denn, wie uns die Erfahrung lehrt, wenn mans erwegt, die Luft allein Zeigt, wenn die Sonne noch nicht da, auch wenn sie weg ist, ihren Schein. Jndem, noch vor der Morgenröht', und nach der Abend- röht', ihr Licht Sich an die Luft, die hoch erhoben, früh eh', und Abends später, bricht, Als unser Blick die Sonne sieht. Daher, mit Zuverläs- sigkeit, Wir von der Luft die Höhe messen, nach unsrer Dämm- rung, Daur und Zeit.
15 Des andern Tages war die Luft, so wie bisher, ohn' Sturm und Winde, Zuweilen fiel ein dünner Regen, und thaut es zwar, doch sehr gelinde. 16 Den Tag nun, der auf diesen folgt, da wir des Monats Hälfte schrieben, War abermahl schon früh der Regen, zusammt der Nebel Duft, vertrieben.
Das
Beſchreibung einer lieblichen
Wo es mein Coͤrper hinderte, nicht fallen konnt’, und dieſes eben War Urſach, daß ich meinen Schatten ſah in der Luft und Nebel ſchweben. Jch ſtutzte, wie ich aber bald den Urſprung dieſes Schat- tens fand; So fand ich, daß aus dieſem Zufall mir noch ein ander Licht entſtand. Es fiel mir ein, daß dieß ein Bild der Daͤmmrung, die wir immer ſeh’n, Sowohl des Morgens, als des Abends, in unſrer dichten Luft entſteh’n. Denn, wie uns die Erfahrung lehrt, wenn mans erwegt, die Luft allein Zeigt, wenn die Sonne noch nicht da, auch wenn ſie weg iſt, ihren Schein. Jndem, noch vor der Morgenroͤht’, und nach der Abend- roͤht’, ihr Licht Sich an die Luft, die hoch erhoben, fruͤh eh’, und Abends ſpaͤter, bricht, Als unſer Blick die Sonne ſieht. Daher, mit Zuverlaͤſ- ſigkeit, Wir von der Luft die Hoͤhe meſſen, nach unſrer Daͤmm- rung, Daur und Zeit.
15 Des andern Tages war die Luft, ſo wie bisher, ohn’ Sturm und Winde, Zuweilen fiel ein duͤnner Regen, und thaut es zwar, doch ſehr gelinde. 16 Den Tag nun, der auf dieſen folgt, da wir des Monats Haͤlfte ſchrieben, War abermahl ſchon fruͤh der Regen, zuſammt der Nebel Duft, vertrieben.
Das
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Beſchreibung einer lieblichen
Wo es mein Coͤrper hinderte, nicht fallen konnt’, und
dieſes eben
War Urſach, daß ich meinen Schatten ſah in der Luft
und Nebel ſchweben.
Jch ſtutzte, wie ich aber bald den Urſprung dieſes Schat-
tens fand;
So fand ich, daß aus dieſem Zufall mir noch ein ander
Licht entſtand.
Es fiel mir ein, daß dieß ein Bild der Daͤmmrung, die wir
immer ſeh’n,
Sowohl des Morgens, als des Abends, in unſrer dichten
Luft entſteh’n.
Denn, wie uns die Erfahrung lehrt, wenn mans erwegt,
die Luft allein
Zeigt, wenn die Sonne noch nicht da, auch wenn ſie weg
iſt, ihren Schein.
Jndem, noch vor der Morgenroͤht’, und nach der Abend-
roͤht’, ihr Licht
Sich an die Luft, die hoch erhoben, fruͤh eh’, und Abends
ſpaͤter, bricht,
Als unſer Blick die Sonne ſieht. Daher, mit Zuverlaͤſ-
ſigkeit,
Wir von der Luft die Hoͤhe meſſen, nach unſrer Daͤmm-
rung, Daur und Zeit.
Des andern Tages war die Luft, ſo wie bisher, ohn’
Sturm und Winde,
Zuweilen fiel ein duͤnner Regen, und thaut es zwar, doch
ſehr gelinde.
Den Tag nun, der auf dieſen folgt, da wir des Monats
Haͤlfte ſchrieben,
War abermahl ſchon fruͤh der Regen, zuſammt der Nebel
Duft, vertrieben.
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 548. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/566>, abgerufen am 22.11.2024.
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