Jch konnte mit den Augen seh'n, wie sich die Flüßigkeit verlohr, Wie ihre nasse Fläche trocken, und wie ihr weiches We- sen hart, Die Dünnigkeit allmählig dick, die ebne Glätte rauher ward, Und kurz, was erst beweglich war, war in dem Augen- blick erstarrt, Und ward zu einem zarten Eis. Wobey ich, mit Er- staunen, sah, Daß alles dieß im Sonnen-Strahl, und bey recht lauer Luft, geschah. Die Nacht darauf war ja so heiter, so schön, und ja so Sternen-reich, Als wie die vorige gewesen. Der Tag war dem vergang- nen gleich, Es hatte wiederum gefrostelt, doch war es nicht verdrieß- lich kalt, Luft, Eis und Erde blieb annoch bey ihrer vorigen Ge- stalt,
10 Jn Heiterkeit, in Glanz und Anmuht. Daher der zehnte Januar Nicht minder angenehm und lieblich, als der vergangnen Anmuht war.
11 Der eilfte fuhr, in gleicher Stille, und mit noch etwas lau'rer Luft, Jndem es sanfte dauete, und ein gelinder Nebel-Duft Das Firmament zuweilen deckte, zu unserer Bewundrung, fort. So daß ich, da ich in dem Garten vergnüglich hin und her spatzierte, Und das begrünte Feld besah, nicht die geringste Kälte spührte.
Am
7 Theil. M m
Winter-Witterung in Ritzebuͤttel.
Jch konnte mit den Augen ſeh’n, wie ſich die Fluͤßigkeit verlohr, Wie ihre naſſe Flaͤche trocken, und wie ihr weiches We- ſen hart, Die Duͤnnigkeit allmaͤhlig dick, die ebne Glaͤtte rauher ward, Und kurz, was erſt beweglich war, war in dem Augen- blick erſtarrt, Und ward zu einem zarten Eis. Wobey ich, mit Er- ſtaunen, ſah, Daß alles dieß im Sonnen-Strahl, und bey recht lauer Luft, geſchah. Die Nacht darauf war ja ſo heiter, ſo ſchoͤn, und ja ſo Sternen-reich, Als wie die vorige geweſen. Der Tag war dem vergang- nen gleich, Es hatte wiederum gefroſtelt, doch war es nicht verdrieß- lich kalt, Luft, Eis und Erde blieb annoch bey ihrer vorigen Ge- ſtalt,
10 Jn Heiterkeit, in Glanz und Anmuht. Daher der zehnte Januar Nicht minder angenehm und lieblich, als der vergangnen Anmuht war.
11 Der eilfte fuhr, in gleicher Stille, und mit noch etwas lau’rer Luft, Jndem es ſanfte dauete, und ein gelinder Nebel-Duft Das Firmament zuweilen deckte, zu unſerer Bewundrung, fort. So daß ich, da ich in dem Garten vergnuͤglich hin und her ſpatzierte, Und das begruͤnte Feld beſah, nicht die geringſte Kaͤlte ſpuͤhrte.
Am
7 Theil. M m
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Winter-Witterung in Ritzebuͤttel.
Jch konnte mit den Augen ſeh’n, wie ſich die Fluͤßigkeit
verlohr,
Wie ihre naſſe Flaͤche trocken, und wie ihr weiches We-
ſen hart,
Die Duͤnnigkeit allmaͤhlig dick, die ebne Glaͤtte rauher
ward,
Und kurz, was erſt beweglich war, war in dem Augen-
blick erſtarrt,
Und ward zu einem zarten Eis. Wobey ich, mit Er-
ſtaunen, ſah,
Daß alles dieß im Sonnen-Strahl, und bey recht lauer
Luft, geſchah.
Die Nacht darauf war ja ſo heiter, ſo ſchoͤn, und ja ſo
Sternen-reich,
Als wie die vorige geweſen. Der Tag war dem vergang-
nen gleich,
Es hatte wiederum gefroſtelt, doch war es nicht verdrieß-
lich kalt,
Luft, Eis und Erde blieb annoch bey ihrer vorigen Ge-
ſtalt,
Jn Heiterkeit, in Glanz und Anmuht. Daher der zehnte
Januar
Nicht minder angenehm und lieblich, als der vergangnen
Anmuht war.
Der eilfte fuhr, in gleicher Stille, und mit noch etwas
lau’rer Luft,
Jndem es ſanfte dauete, und ein gelinder Nebel-Duft
Das Firmament zuweilen deckte, zu unſerer Bewundrung,
fort.
So daß ich, da ich in dem Garten vergnuͤglich hin und her
ſpatzierte,
Und das begruͤnte Feld beſah, nicht die geringſte Kaͤlte
ſpuͤhrte.
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 545. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/563>, abgerufen am 22.11.2024.
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