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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743.

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Winter-Witterung in Ritzebüttel.
8 Da man bereits den achten schreibt, so daß in der sonst
rauhen Zeit
Die reine Luft, das trockne Feld, an Schönheit und an
Lieblichkeit,
Wobey man nichts von Kälte wußte, sich nicht vermin-
dert, nein vermehrt.
Heut' war das reine Firmament, durch solch ein lieblich
Blau, gezieret,
Voll zarter Silber-weisser Wolken, daß es das Herz,
durchs Auge, rühret.
Der sanfte Südwind hauchte nur, es fror, und war
doch so gelinde,
Daß es fast unbegreiflich war. Es ruheten die schar-
fen Winde,
Es ruheten, vom unbewegeten Gesträuch, so gar die net-
ten Schatten
Auf den vom halb-geschmolznen Schnee fast recht kry-
stallisirten Matten.
Jn den halb weiß-halb schwarzen Furchen, voll klarem
Eise, zeigte sich
Von dem schon aufgegangnen Korn so mancher lieblich-
grüner Strich,
Daß man, wenn man bey ihrer Schönheit oft fast ge-
zwungen stille stund,
Ob dieser frühen Pracht und Schönheit fast nicht genug
verwundern kunt.
Am andern Orte sahe man die Furchen, gleich erstarrten
Wellen,
Voll Schnee, als wären sie beschäumt. Es schien auf
flacher Ferne sich,
Durch dieß gemischte Schwarz und Weiß, recht eine
Dämmrung vorzustellen,
Die
Winter-Witterung in Ritzebuͤttel.
8 Da man bereits den achten ſchreibt, ſo daß in der ſonſt
rauhen Zeit
Die reine Luft, das trockne Feld, an Schoͤnheit und an
Lieblichkeit,
Wobey man nichts von Kaͤlte wußte, ſich nicht vermin-
dert, nein vermehrt.
Heut’ war das reine Firmament, durch ſolch ein lieblich
Blau, gezieret,
Voll zarter Silber-weiſſer Wolken, daß es das Herz,
durchs Auge, ruͤhret.
Der ſanfte Suͤdwind hauchte nur, es fror, und war
doch ſo gelinde,
Daß es faſt unbegreiflich war. Es ruheten die ſchar-
fen Winde,
Es ruheten, vom unbewegeten Geſtraͤuch, ſo gar die net-
ten Schatten
Auf den vom halb-geſchmolznen Schnee faſt recht kry-
ſtalliſirten Matten.
Jn den halb weiß-halb ſchwarzen Furchen, voll klarem
Eiſe, zeigte ſich
Von dem ſchon aufgegangnen Korn ſo mancher lieblich-
gruͤner Strich,
Daß man, wenn man bey ihrer Schoͤnheit oft faſt ge-
zwungen ſtille ſtund,
Ob dieſer fruͤhen Pracht und Schoͤnheit faſt nicht genug
verwundern kunt.
Am andern Orte ſahe man die Furchen, gleich erſtarrten
Wellen,
Voll Schnee, als waͤren ſie beſchaͤumt. Es ſchien auf
flacher Ferne ſich,
Durch dieß gemiſchte Schwarz und Weiß, recht eine
Daͤmmrung vorzuſtellen,
Die
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[543/0561] Winter-Witterung in Ritzebuͤttel. Da man bereits den achten ſchreibt, ſo daß in der ſonſt rauhen Zeit Die reine Luft, das trockne Feld, an Schoͤnheit und an Lieblichkeit, Wobey man nichts von Kaͤlte wußte, ſich nicht vermin- dert, nein vermehrt. Heut’ war das reine Firmament, durch ſolch ein lieblich Blau, gezieret, Voll zarter Silber-weiſſer Wolken, daß es das Herz, durchs Auge, ruͤhret. Der ſanfte Suͤdwind hauchte nur, es fror, und war doch ſo gelinde, Daß es faſt unbegreiflich war. Es ruheten die ſchar- fen Winde, Es ruheten, vom unbewegeten Geſtraͤuch, ſo gar die net- ten Schatten Auf den vom halb-geſchmolznen Schnee faſt recht kry- ſtalliſirten Matten. Jn den halb weiß-halb ſchwarzen Furchen, voll klarem Eiſe, zeigte ſich Von dem ſchon aufgegangnen Korn ſo mancher lieblich- gruͤner Strich, Daß man, wenn man bey ihrer Schoͤnheit oft faſt ge- zwungen ſtille ſtund, Ob dieſer fruͤhen Pracht und Schoͤnheit faſt nicht genug verwundern kunt. Am andern Orte ſahe man die Furchen, gleich erſtarrten Wellen, Voll Schnee, als waͤren ſie beſchaͤumt. Es ſchien auf flacher Ferne ſich, Durch dieß gemiſchte Schwarz und Weiß, recht eine Daͤmmrung vorzuſtellen, Die

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 543. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/561>, abgerufen am 22.11.2024.