Da sie, durch rege Wasser-Schlösser, Obgleich getrennet durchs Gewässer, Ein Land doch fast ans andre fügt.
Die Frucht, die so viel Lieblichkeiten Jn ihren glatten Schaalen häuft, Hat eine fremde Luft gereift, Muß ein entferntes Land bereiten, Und muß, aus so entlegner Erden, Zur Lust uns zugeführet werden. Erfordert es denn meine Pflicht, Und die gerührte Zunge nicht, Daß ich der Urquell' aller Dinge Erkenntlichkeit zum Opfer bringe? Die durch den Gaum gerührte Seele Begreifet, daß sie schuldig sey, Daß sie des Gebers Lob erzehle, Und Jhm ihr Lob zum Opfer weih. Wenn ich mich an der Frucht ergetze, Denk ich nicht nur an sie allein; Jch denk an unsrer Sinnen Schätze, Wie sie so wunderwürdig seyn. Was wär uns die Melone nütze, Und ihre süsse Lieblichkeit, Jhr holdes Kühlen in der Hitze, Wofern nicht die Beschaffenheit Der Sinnen in den Geist uns drückt Was uns durch ihren Saft erquickt, Wenn, was wir lieblichs in ihr finden, So Gaum als Zungen nicht empfünden! Da mich dein saftig Fleisch ernähret, Hab ich an Den, Der dich gemacht, An Den, durch Den du mir beschehret,
An
Die Melone aus Alicant.
Da ſie, durch rege Waſſer-Schloͤſſer, Obgleich getrennet durchs Gewaͤſſer, Ein Land doch faſt ans andre fuͤgt.
Die Frucht, die ſo viel Lieblichkeiten Jn ihren glatten Schaalen haͤuft, Hat eine fremde Luft gereift, Muß ein entferntes Land bereiten, Und muß, aus ſo entlegner Erden, Zur Luſt uns zugefuͤhret werden. Erfordert es denn meine Pflicht, Und die geruͤhrte Zunge nicht, Daß ich der Urquell’ aller Dinge Erkenntlichkeit zum Opfer bringe? Die durch den Gaum geruͤhrte Seele Begreifet, daß ſie ſchuldig ſey, Daß ſie des Gebers Lob erzehle, Und Jhm ihr Lob zum Opfer weih. Wenn ich mich an der Frucht ergetze, Denk ich nicht nur an ſie allein; Jch denk an unſrer Sinnen Schaͤtze, Wie ſie ſo wunderwuͤrdig ſeyn. Was waͤr uns die Melone nuͤtze, Und ihre ſuͤſſe Lieblichkeit, Jhr holdes Kuͤhlen in der Hitze, Wofern nicht die Beſchaffenheit Der Sinnen in den Geiſt uns druͤckt Was uns durch ihren Saft erquickt, Wenn, was wir lieblichs in ihr finden, So Gaum als Zungen nicht empfuͤnden! Da mich dein ſaftig Fleiſch ernaͤhret, Hab ich an Den, Der dich gemacht, An Den, durch Den du mir beſchehret,
An
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Die Melone aus Alicant.
Da ſie, durch rege Waſſer-Schloͤſſer,
Obgleich getrennet durchs Gewaͤſſer,
Ein Land doch faſt ans andre fuͤgt.
Die Frucht, die ſo viel Lieblichkeiten
Jn ihren glatten Schaalen haͤuft,
Hat eine fremde Luft gereift,
Muß ein entferntes Land bereiten,
Und muß, aus ſo entlegner Erden,
Zur Luſt uns zugefuͤhret werden.
Erfordert es denn meine Pflicht,
Und die geruͤhrte Zunge nicht,
Daß ich der Urquell’ aller Dinge
Erkenntlichkeit zum Opfer bringe?
Die durch den Gaum geruͤhrte Seele
Begreifet, daß ſie ſchuldig ſey,
Daß ſie des Gebers Lob erzehle,
Und Jhm ihr Lob zum Opfer weih.
Wenn ich mich an der Frucht ergetze,
Denk ich nicht nur an ſie allein;
Jch denk an unſrer Sinnen Schaͤtze,
Wie ſie ſo wunderwuͤrdig ſeyn.
Was waͤr uns die Melone nuͤtze,
Und ihre ſuͤſſe Lieblichkeit,
Jhr holdes Kuͤhlen in der Hitze,
Wofern nicht die Beſchaffenheit
Der Sinnen in den Geiſt uns druͤckt
Was uns durch ihren Saft erquickt,
Wenn, was wir lieblichs in ihr finden,
So Gaum als Zungen nicht empfuͤnden!
Da mich dein ſaftig Fleiſch ernaͤhret,
Hab ich an Den, Der dich gemacht,
An Den, durch Den du mir beſchehret,
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 512. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/530>, abgerufen am 22.11.2024.
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