Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743.Frühlings-Gedicht. Bis die vereinte Zweig' sich durch einander strecken, Und den begrünten Grund mit jungen Schatten decken, Worinn das frohe Wild auf weichem Grase springt, Mit raschlendem Geräusch, durch die verworrne Hecken, Durch junges Farren-Kraut und dichte Büsche dringt, Worinn sie sich bald zeigen, bald verstecken. Jnzwischen, daß fast überall, Uns neue Freude zu erwecken, Mit einem zwitzschernden Gepfeif und hellem Schall, Die neue rege Schaar der bunten Vögel singt. Da denn der reine Ton der hellen Nachtigall So gar, den lange nicht gehörten Wiederhall Durch ihren starken Schlag, zur süssen Antwort zwingt. Der bunte Garten glüht, und füllt die laue Luft Mit einem angewürzt- und Balsam-reichen Duft, Als wie ein Rauchfaß an. Jtzt muß man sich bemühn, Dem ungesunden Dampf der Stadt sich zu entziehn, Und dem mühsel'gen Lerm des Hofes zu entfliehn; Um, wie das itzt, durch GOttes Wunder-Hand, So lieblich ausgeschmückte Land, So angenehm, so wunderschön, Jn stiller Anmuht anzusehn. Wir wollen itzt in Feldern, Wäldern, Auen, Des Schöpfers weise Liebe schauen! Komm, laß uns die durch GOtt so schön gezierte Welt, Woselbst Er Seine Huld recht sichtbar dargestellt, Doch unsers Ansehns würdig achten, Und das, zu unsrer Lust, geschmückte Jahr betrachten! Komm, laß uns früh am bunten Schmuck der feuchten Wiesen uns vergnügen, Worauf des Thaues klan Tropfen, wie lauter reine Perlen, liegen! Dann C 2
Fruͤhlings-Gedicht. Bis die vereinte Zweig’ ſich durch einander ſtrecken, Und den begruͤnten Grund mit jungen Schatten decken, Worinn das frohe Wild auf weichem Graſe ſpringt, Mit raſchlendem Geraͤuſch, durch die verworrne Hecken, Durch junges Farren-Kraut und dichte Buͤſche dringt, Worinn ſie ſich bald zeigen, bald verſtecken. Jnzwiſchen, daß faſt uͤberall, Uns neue Freude zu erwecken, Mit einem zwitzſchernden Gepfeif und hellem Schall, Die neue rege Schaar der bunten Voͤgel ſingt. Da denn der reine Ton der hellen Nachtigall So gar, den lange nicht gehoͤrten Wiederhall Durch ihren ſtarken Schlag, zur ſuͤſſen Antwort zwingt. Der bunte Garten gluͤht, und fuͤllt die laue Luft Mit einem angewuͤrzt- und Balſam-reichen Duft, Als wie ein Rauchfaß an. Jtzt muß man ſich bemuͤhn, Dem ungeſunden Dampf der Stadt ſich zu entziehn, Und dem muͤhſel’gen Lerm des Hofes zu entfliehn; Um, wie das itzt, durch GOttes Wunder-Hand, So lieblich ausgeſchmuͤckte Land, So angenehm, ſo wunderſchoͤn, Jn ſtiller Anmuht anzuſehn. Wir wollen itzt in Feldern, Waͤldern, Auen, Des Schoͤpfers weiſe Liebe ſchauen! Komm, laß uns die durch GOtt ſo ſchoͤn gezierte Welt, Woſelbſt Er Seine Huld recht ſichtbar dargeſtellt, Doch unſers Anſehns wuͤrdig achten, Und das, zu unſrer Luſt, geſchmuͤckte Jahr betrachten! Komm, laß uns fruͤh am bunten Schmuck der feuchten Wieſen uns vergnuͤgen, Worauf des Thaues klan Tropfen, wie lauter reine Perlen, liegen! Dann C 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0053" n="35"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Fruͤhlings-Gedicht.</hi> </fw><lb/> <lg n="3"> <l>Bis die vereinte Zweig’ ſich durch einander ſtrecken,</l><lb/> <l>Und den begruͤnten Grund mit jungen Schatten decken,</l><lb/> <l>Worinn das frohe Wild auf weichem Graſe ſpringt,</l><lb/> <l>Mit raſchlendem Geraͤuſch, durch die verworrne Hecken,</l><lb/> <l>Durch junges Farren-Kraut und dichte Buͤſche dringt,</l><lb/> <l>Worinn ſie ſich bald zeigen, bald verſtecken.</l><lb/> <l>Jnzwiſchen, daß faſt uͤberall,</l><lb/> <l>Uns neue Freude zu erwecken,</l><lb/> <l>Mit einem zwitzſchernden Gepfeif und hellem Schall,</l><lb/> <l>Die neue rege Schaar der bunten Voͤgel ſingt.</l><lb/> <l>Da denn der reine Ton der hellen Nachtigall</l><lb/> <l>So gar, den lange nicht gehoͤrten Wiederhall</l><lb/> <l>Durch ihren ſtarken Schlag, zur ſuͤſſen Antwort zwingt.</l><lb/> <l>Der bunte Garten gluͤht, und fuͤllt die laue Luft</l><lb/> <l>Mit einem angewuͤrzt- und Balſam-reichen Duft,</l><lb/> <l>Als wie ein Rauchfaß an. Jtzt muß man ſich bemuͤhn,</l><lb/> <l>Dem ungeſunden Dampf der Stadt ſich zu entziehn,</l><lb/> <l>Und dem muͤhſel’gen Lerm des Hofes zu entfliehn;</l><lb/> <l>Um, wie das itzt, durch GOttes Wunder-Hand,</l><lb/> <l>So lieblich ausgeſchmuͤckte Land,</l><lb/> <l>So angenehm, ſo wunderſchoͤn,</l><lb/> <l>Jn ſtiller Anmuht anzuſehn.</l><lb/> <l>Wir wollen itzt in Feldern, Waͤldern, Auen,</l><lb/> <l>Des Schoͤpfers weiſe Liebe ſchauen!</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Komm, laß uns die durch GOtt ſo ſchoͤn gezierte Welt,</l><lb/> <l>Woſelbſt Er Seine Huld recht ſichtbar dargeſtellt,</l><lb/> <l>Doch unſers Anſehns wuͤrdig achten,</l><lb/> <l>Und das, zu unſrer Luſt, geſchmuͤckte Jahr betrachten!</l><lb/> <l>Komm, laß uns fruͤh am bunten Schmuck der feuchten</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Wieſen uns vergnuͤgen,</hi> </l><lb/> <l>Worauf des Thaues klan Tropfen, wie lauter reine Perlen,</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">liegen!</hi> </l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="sig">C 2</fw> <fw place="bottom" type="catch">Dann</fw><lb/> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [35/0053]
Fruͤhlings-Gedicht.
Bis die vereinte Zweig’ ſich durch einander ſtrecken,
Und den begruͤnten Grund mit jungen Schatten decken,
Worinn das frohe Wild auf weichem Graſe ſpringt,
Mit raſchlendem Geraͤuſch, durch die verworrne Hecken,
Durch junges Farren-Kraut und dichte Buͤſche dringt,
Worinn ſie ſich bald zeigen, bald verſtecken.
Jnzwiſchen, daß faſt uͤberall,
Uns neue Freude zu erwecken,
Mit einem zwitzſchernden Gepfeif und hellem Schall,
Die neue rege Schaar der bunten Voͤgel ſingt.
Da denn der reine Ton der hellen Nachtigall
So gar, den lange nicht gehoͤrten Wiederhall
Durch ihren ſtarken Schlag, zur ſuͤſſen Antwort zwingt.
Der bunte Garten gluͤht, und fuͤllt die laue Luft
Mit einem angewuͤrzt- und Balſam-reichen Duft,
Als wie ein Rauchfaß an. Jtzt muß man ſich bemuͤhn,
Dem ungeſunden Dampf der Stadt ſich zu entziehn,
Und dem muͤhſel’gen Lerm des Hofes zu entfliehn;
Um, wie das itzt, durch GOttes Wunder-Hand,
So lieblich ausgeſchmuͤckte Land,
So angenehm, ſo wunderſchoͤn,
Jn ſtiller Anmuht anzuſehn.
Wir wollen itzt in Feldern, Waͤldern, Auen,
Des Schoͤpfers weiſe Liebe ſchauen!
Komm, laß uns die durch GOtt ſo ſchoͤn gezierte Welt,
Woſelbſt Er Seine Huld recht ſichtbar dargeſtellt,
Doch unſers Anſehns wuͤrdig achten,
Und das, zu unſrer Luſt, geſchmuͤckte Jahr betrachten!
Komm, laß uns fruͤh am bunten Schmuck der feuchten
Wieſen uns vergnuͤgen,
Worauf des Thaues klan Tropfen, wie lauter reine Perlen,
liegen!
Dann
C 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |