Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite
Gedanken über das Pflügen und
Säen.
Jm Herbst, an einem schönen Tage, sah ich, mit innigem
Vergnügen,
Den Bauknecht mit vier starken Pferden geschäftig meinen
Acker pflügen,
Jch sah ihn lange Furchen zieh'n, und sah den Pflug, wie
sanft er glitte,
Den Boden von einander theilt', den fest- und fetten
Grund durchschnitte,
Beschäftigt alles umzustürzen, und kleine Wellen zu er-
höh'n,
Die in geraden Strichen all', ohn' einige Bewegung,
steh'n,
Und überall das Feld erfüllen. Jch sah dadurch das
Grau der Erden,
Jm kurzen, in ein schönes Braun verkehrt und lieblich
dunkel werden.
Jch setzte mich an einen Hügel, der Arbeit, die so nütz
als schön,
Mit einigen Betrachtungen, zu GOttes Ehren, zuzu-
seh'n.
Jch dachte: Welche Weisheit liegt in diesem so geringen
Werke,
Welch ein erstaunlich grosser Nutz! Je mehr ich mit Be-
dacht bemerke,
Je mehr erblick ich in demselben, bey göttlicher Gewo-
genheit,
Abseiten unser, abermahl unleidlich' Unerkenntlichkeit.
Wer
Gedanken uͤber das Pfluͤgen und
Saͤen.
Jm Herbſt, an einem ſchoͤnen Tage, ſah ich, mit innigem
Vergnuͤgen,
Den Bauknecht mit vier ſtarken Pferden geſchaͤftig meinen
Acker pfluͤgen,
Jch ſah ihn lange Furchen zieh’n, und ſah den Pflug, wie
ſanft er glitte,
Den Boden von einander theilt’, den feſt- und fetten
Grund durchſchnitte,
Beſchaͤftigt alles umzuſtuͤrzen, und kleine Wellen zu er-
hoͤh’n,
Die in geraden Strichen all’, ohn’ einige Bewegung,
ſteh’n,
Und uͤberall das Feld erfuͤllen. Jch ſah dadurch das
Grau der Erden,
Jm kurzen, in ein ſchoͤnes Braun verkehrt und lieblich
dunkel werden.
Jch ſetzte mich an einen Huͤgel, der Arbeit, die ſo nuͤtz
als ſchoͤn,
Mit einigen Betrachtungen, zu GOttes Ehren, zuzu-
ſeh’n.
Jch dachte: Welche Weisheit liegt in dieſem ſo geringen
Werke,
Welch ein erſtaunlich groſſer Nutz! Je mehr ich mit Be-
dacht bemerke,
Je mehr erblick ich in demſelben, bey goͤttlicher Gewo-
genheit,
Abſeiten unſer, abermahl unleidlich’ Unerkenntlichkeit.
Wer
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0512" n="494"/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">Gedanken u&#x0364;ber das Pflu&#x0364;gen und<lb/>
Sa&#x0364;en.</hi> </head><lb/>
            <lg type="poem">
              <lg n="1">
                <l><hi rendition="#in">J</hi>m Herb&#x017F;t, an einem &#x017F;cho&#x0364;nen Tage, &#x017F;ah ich, mit innigem</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">Vergnu&#x0364;gen,</hi> </l><lb/>
                <l>Den Bauknecht mit vier &#x017F;tarken Pferden ge&#x017F;cha&#x0364;ftig meinen</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">Acker pflu&#x0364;gen,</hi> </l><lb/>
                <l>Jch &#x017F;ah ihn lange Furchen zieh&#x2019;n, und &#x017F;ah den Pflug, wie</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">&#x017F;anft er glitte,</hi> </l><lb/>
                <l>Den Boden von einander theilt&#x2019;, den fe&#x017F;t- und fetten</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">Grund durch&#x017F;chnitte,</hi> </l><lb/>
                <l>Be&#x017F;cha&#x0364;ftigt alles umzu&#x017F;tu&#x0364;rzen, und kleine Wellen zu er-</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">ho&#x0364;h&#x2019;n,</hi> </l><lb/>
                <l>Die in geraden Strichen all&#x2019;, ohn&#x2019; einige Bewegung,</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">&#x017F;teh&#x2019;n,</hi> </l><lb/>
                <l>Und u&#x0364;berall das Feld erfu&#x0364;llen. Jch &#x017F;ah dadurch das</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">Grau der Erden,</hi> </l><lb/>
                <l>Jm kurzen, in ein &#x017F;cho&#x0364;nes Braun verkehrt und lieblich</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">dunkel werden.</hi> </l><lb/>
                <l>Jch &#x017F;etzte mich an einen Hu&#x0364;gel, der Arbeit, die &#x017F;o nu&#x0364;tz</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">als &#x017F;cho&#x0364;n,</hi> </l><lb/>
                <l>Mit einigen Betrachtungen, zu GOttes Ehren, zuzu-</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">&#x017F;eh&#x2019;n.</hi> </l><lb/>
                <l>Jch dachte: Welche Weisheit liegt in die&#x017F;em &#x017F;o geringen</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">Werke,</hi> </l><lb/>
                <l>Welch ein er&#x017F;taunlich gro&#x017F;&#x017F;er Nutz! Je mehr ich mit Be-</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">dacht bemerke,</hi> </l><lb/>
                <l>Je mehr erblick ich in dem&#x017F;elben, bey go&#x0364;ttlicher Gewo-</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">genheit,</hi> </l><lb/>
                <l>Ab&#x017F;eiten un&#x017F;er, abermahl unleidlich&#x2019; Unerkenntlichkeit.</l>
              </lg><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">Wer</fw><lb/>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[494/0512] Gedanken uͤber das Pfluͤgen und Saͤen. Jm Herbſt, an einem ſchoͤnen Tage, ſah ich, mit innigem Vergnuͤgen, Den Bauknecht mit vier ſtarken Pferden geſchaͤftig meinen Acker pfluͤgen, Jch ſah ihn lange Furchen zieh’n, und ſah den Pflug, wie ſanft er glitte, Den Boden von einander theilt’, den feſt- und fetten Grund durchſchnitte, Beſchaͤftigt alles umzuſtuͤrzen, und kleine Wellen zu er- hoͤh’n, Die in geraden Strichen all’, ohn’ einige Bewegung, ſteh’n, Und uͤberall das Feld erfuͤllen. Jch ſah dadurch das Grau der Erden, Jm kurzen, in ein ſchoͤnes Braun verkehrt und lieblich dunkel werden. Jch ſetzte mich an einen Huͤgel, der Arbeit, die ſo nuͤtz als ſchoͤn, Mit einigen Betrachtungen, zu GOttes Ehren, zuzu- ſeh’n. Jch dachte: Welche Weisheit liegt in dieſem ſo geringen Werke, Welch ein erſtaunlich groſſer Nutz! Je mehr ich mit Be- dacht bemerke, Je mehr erblick ich in demſelben, bey goͤttlicher Gewo- genheit, Abſeiten unſer, abermahl unleidlich’ Unerkenntlichkeit. Wer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/512
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 494. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/512>, abgerufen am 22.11.2024.