Recht empfindlich traffen mich in dem abgewichnen Jahr Unversehne Unglücks-Fälle, wovon einer gnugsam war, Mir viel gegenwärtigs Guts, ja auch künftigs zu vergällen. Es ward mancher Tag in Sorgen, überdem noch manche Nacht, Eben durch die schwehren Sorgen Ruh- und Schlaf-los zugebracht. Bis ich endlich mich entschloß alles GOtt anheim zu stellen, GOtt, Der alle Welt regieret, GOtt, Der auch das Allerärgste allemahl zum Guten führet, GOtt, ohn' welchen nichts von allen, was geschicht, gesche- hen kann. Wodurch ich in meinem Creuz einen neuen Muht gewann; Und ich finde mich beruhigt, da ich Dem mich ganz ergebe, Durch Deß unvermeidlich Wollen, und durch Dessen Gnad' ich lebe.
Da mir von des Höchsten Hand so viel Gutes zugeflossen, Da ich, ohn' es zu verdienen, nicht zu zählend Guts genossen, Da ich noch viel Gutes hab; hab ich denn auch, fiel mir ein, Recht und Fug mich zu beschwehren? Will und muß denn ich allein Stets, in unverrückter Stille, unaufhörlich glücklich seyn? Wünscht es gleich die Eigenliede, kann man es doch nicht verlangen, Da ich, obgleich nichts verdient, doch bereits so viel empfan- gen. Mich soll dieses Tages Schein Denn mit Recht zurücke führen auf den ersten meiner Zeit. Jch will meinen ersten Stand, voller Schwäch' und Dürf- tigkeit, Jn der Wiegen überlegen.
Konnt'
An meinem Gebuhrts-Tage.
Recht empfindlich traffen mich in dem abgewichnen Jahr Unverſehne Ungluͤcks-Faͤlle, wovon einer gnugſam war, Mir viel gegenwaͤrtigs Guts, ja auch kuͤnftigs zu vergaͤllen. Es ward mancher Tag in Sorgen, uͤberdem noch manche Nacht, Eben durch die ſchwehren Sorgen Ruh- und Schlaf-los zugebracht. Bis ich endlich mich entſchloß alles GOtt anheim zu ſtellen, GOtt, Der alle Welt regieret, GOtt, Der auch das Alleraͤrgſte allemahl zum Guten fuͤhret, GOtt, ohn’ welchen nichts von allen, was geſchicht, geſche- hen kann. Wodurch ich in meinem Creuz einen neuen Muht gewann; Und ich finde mich beruhigt, da ich Dem mich ganz ergebe, Durch Deß unvermeidlich Wollen, und durch Deſſen Gnad’ ich lebe.
Da mir von des Hoͤchſten Hand ſo viel Gutes zugefloſſen, Da ich, ohn’ es zu verdienen, nicht zu zaͤhlend Guts genoſſen, Da ich noch viel Gutes hab; hab ich denn auch, fiel mir ein, Recht und Fug mich zu beſchwehren? Will und muß denn ich allein Stets, in unverruͤckter Stille, unaufhoͤrlich gluͤcklich ſeyn? Wuͤnſcht es gleich die Eigenliede, kann man es doch nicht verlangen, Da ich, obgleich nichts verdient, doch bereits ſo viel empfan- gen. Mich ſoll dieſes Tages Schein Denn mit Recht zuruͤcke fuͤhren auf den erſten meiner Zeit. Jch will meinen erſten Stand, voller Schwaͤch’ und Duͤrf- tigkeit, Jn der Wiegen uͤberlegen.
Konnt’
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An meinem Gebuhrts-Tage.
Recht empfindlich traffen mich in dem abgewichnen Jahr
Unverſehne Ungluͤcks-Faͤlle, wovon einer gnugſam war,
Mir viel gegenwaͤrtigs Guts, ja auch kuͤnftigs zu vergaͤllen.
Es ward mancher Tag in Sorgen, uͤberdem noch manche
Nacht,
Eben durch die ſchwehren Sorgen Ruh- und Schlaf-los
zugebracht.
Bis ich endlich mich entſchloß alles GOtt anheim zu ſtellen,
GOtt, Der alle Welt regieret,
GOtt, Der auch das Alleraͤrgſte allemahl zum Guten fuͤhret,
GOtt, ohn’ welchen nichts von allen, was geſchicht, geſche-
hen kann.
Wodurch ich in meinem Creuz einen neuen Muht gewann;
Und ich finde mich beruhigt, da ich Dem mich ganz ergebe,
Durch Deß unvermeidlich Wollen, und durch Deſſen Gnad’
ich lebe.
Da mir von des Hoͤchſten Hand ſo viel Gutes zugefloſſen,
Da ich, ohn’ es zu verdienen, nicht zu zaͤhlend Guts genoſſen,
Da ich noch viel Gutes hab; hab ich denn auch, fiel mir ein,
Recht und Fug mich zu beſchwehren? Will und muß denn
ich allein
Stets, in unverruͤckter Stille, unaufhoͤrlich gluͤcklich ſeyn?
Wuͤnſcht es gleich die Eigenliede, kann man es doch nicht
verlangen,
Da ich, obgleich nichts verdient, doch bereits ſo viel empfan-
gen.
Mich ſoll dieſes Tages Schein
Denn mit Recht zuruͤcke fuͤhren auf den erſten meiner Zeit.
Jch will meinen erſten Stand, voller Schwaͤch’ und Duͤrf-
tigkeit,
Jn der Wiegen uͤberlegen.
Konnt’
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 476. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/494>, abgerufen am 16.02.2025.
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