Auch, wenns Getrayde höher steiget, Es sich zum Untergange neiget; So kann ich mich darum nicht kränken, Vielmehr zwingt ihrer Farben Pracht, Durch eine angenehme Macht, Von ihnen dieses zu gedenken: Auch diese Bluhmen, da sie sind, so müssen sie auch nützlich seyn, Ob wir den Nutzen gleich nicht kennen: Wie sich der Nutzen denn erweiset, Da, statt des Kohls, dieß Kraut oft speiset; Ja, noch dazu, daß, da es düngt, Es einem Acker Nutzen bringt.
Nun hätte Gott so holden Schein, Jn ihnen, uns versagen können, Und statt, vor aller Menschen Blicken, So schön und lieblich sie zu schmücken, Mit Trauer-Farben sie bedecken, Jn schmutz'gem Kleide sie verstecken, Und, durch den Anblick, uns betrüben Und schrecken können; aber so Wird man fast, wider Willen, froh, Man muß fast ihren Schimmer lieben, Wenn wir, wie sie so glänzend, schön Die Erde schmücken, wie sie blüh'n, Ja fast im gelben Feuer glüh'n, Mit einiger Betrachtung, seh'n.
Auch wenn die Sonne selbst nicht scheinet, So glänzen sie so hell, so rein, Daß unser Auge öfters meynet, Als würden sie vom Sonnen-Schein,
Auch
Schoͤnheit eines bebluͤhmten Feldes
Auch, wenns Getrayde hoͤher ſteiget, Es ſich zum Untergange neiget; So kann ich mich darum nicht kraͤnken, Vielmehr zwingt ihrer Farben Pracht, Durch eine angenehme Macht, Von ihnen dieſes zu gedenken: Auch dieſe Bluhmen, da ſie ſind, ſo muͤſſen ſie auch nuͤtzlich ſeyn, Ob wir den Nutzen gleich nicht kennen: Wie ſich der Nutzen denn erweiſet, Da, ſtatt des Kohls, dieß Kraut oft ſpeiſet; Ja, noch dazu, daß, da es duͤngt, Es einem Acker Nutzen bringt.
Nun haͤtte Gott ſo holden Schein, Jn ihnen, uns verſagen koͤnnen, Und ſtatt, vor aller Menſchen Blicken, So ſchoͤn und lieblich ſie zu ſchmuͤcken, Mit Trauer-Farben ſie bedecken, Jn ſchmutz’gem Kleide ſie verſtecken, Und, durch den Anblick, uns betruͤben Und ſchrecken koͤnnen; aber ſo Wird man faſt, wider Willen, froh, Man muß faſt ihren Schimmer lieben, Wenn wir, wie ſie ſo glaͤnzend, ſchoͤn Die Erde ſchmuͤcken, wie ſie bluͤh’n, Ja faſt im gelben Feuer gluͤh’n, Mit einiger Betrachtung, ſeh’n.
Auch wenn die Sonne ſelbſt nicht ſcheinet, So glaͤnzen ſie ſo hell, ſo rein, Daß unſer Auge oͤfters meynet, Als wuͤrden ſie vom Sonnen-Schein,
Auch
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Schoͤnheit eines bebluͤhmten Feldes
Auch, wenns Getrayde hoͤher ſteiget,
Es ſich zum Untergange neiget;
So kann ich mich darum nicht kraͤnken,
Vielmehr zwingt ihrer Farben Pracht,
Durch eine angenehme Macht,
Von ihnen dieſes zu gedenken:
Auch dieſe Bluhmen, da ſie ſind, ſo muͤſſen ſie auch
nuͤtzlich ſeyn,
Ob wir den Nutzen gleich nicht kennen:
Wie ſich der Nutzen denn erweiſet,
Da, ſtatt des Kohls, dieß Kraut oft ſpeiſet;
Ja, noch dazu, daß, da es duͤngt,
Es einem Acker Nutzen bringt.
Nun haͤtte Gott ſo holden Schein,
Jn ihnen, uns verſagen koͤnnen,
Und ſtatt, vor aller Menſchen Blicken,
So ſchoͤn und lieblich ſie zu ſchmuͤcken,
Mit Trauer-Farben ſie bedecken,
Jn ſchmutz’gem Kleide ſie verſtecken,
Und, durch den Anblick, uns betruͤben
Und ſchrecken koͤnnen; aber ſo
Wird man faſt, wider Willen, froh,
Man muß faſt ihren Schimmer lieben,
Wenn wir, wie ſie ſo glaͤnzend, ſchoͤn
Die Erde ſchmuͤcken, wie ſie bluͤh’n,
Ja faſt im gelben Feuer gluͤh’n,
Mit einiger Betrachtung, ſeh’n.
Auch wenn die Sonne ſelbſt nicht ſcheinet,
So glaͤnzen ſie ſo hell, ſo rein,
Daß unſer Auge oͤfters meynet,
Als wuͤrden ſie vom Sonnen-Schein,
Auch
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/364>, abgerufen am 22.11.2024.
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