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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743.

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Das Thürmchen zu Ritzebüttel.
Mir war, als wenn er zu mir spräch': Komm, laß mich
dir zu Dienste steh'n,
Du kannst an keinem andern Ort, wie Erde, Luft und
Fluht so schön,
Mit größrer Deutlichkeit betrachten. Hier kannst du
ruhig ganz allein,
Von aller Hinderniß befreyt, vom Welt-Geräusch
entfernet seyn.
Die Rede drückte sich so gleich so tief in meine Sin-
nen ein,
Daß ich, nur bald her ab zu kommen, den Zug in mir verstärket
fühlte,
Und von der Zeit mit meinem Denken auf nichts, als Ritze
büttel, zielte.
Jtzt, da ich, nach verschiednen Fällen, GOtt Lob! nunmehro
hergekommen,
Und die so lang' erseufzte Stelle bereits schon in Besitz
genommen,
Hab' ich zuvörderst GOtt gedankt, und dank' Jhm noch, nebst
innerm Fleh'n,
Daß die Gewohnheit, wie gewöhnlich, mir Hören, Riechen,
Fühlen, Seh'n,
Und, in den Sinnen, Lust und Dank nicht rauben möge!
Daß ich nimmer,
Ohn' innre Freud' an GOttes Werken, und mir geschenktem
Guht, dieß Zimmer
Betreten noch gebrauchen möge! Um meine Lust oft zu
ermessen,
Und dieses Thürmchens Lage, Reiz und Anmuht nimmer zu
vergessen,
Soll
U 4
Das Thuͤrmchen zu Ritzebuͤttel.
Mir war, als wenn er zu mir ſpraͤch’: Komm, laß mich
dir zu Dienſte ſteh’n,
Du kannſt an keinem andern Ort, wie Erde, Luft und
Fluht ſo ſchoͤn,
Mit groͤßrer Deutlichkeit betrachten. Hier kannſt du
ruhig ganz allein,
Von aller Hinderniß befreyt, vom Welt-Geraͤuſch
entfernet ſeyn.
Die Rede druͤckte ſich ſo gleich ſo tief in meine Sin-
nen ein,
Daß ich, nur bald her ab zu kommen, den Zug in mir verſtaͤrket
fuͤhlte,
Und von der Zeit mit meinem Denken auf nichts, als Ritze
buͤttel, zielte.
Jtzt, da ich, nach verſchiednen Faͤllen, GOtt Lob! nunmehro
hergekommen,
Und die ſo lang’ erſeufzte Stelle bereits ſchon in Beſitz
genommen,
Hab’ ich zuvoͤrderſt GOtt gedankt, und dank’ Jhm noch, nebſt
innerm Fleh’n,
Daß die Gewohnheit, wie gewoͤhnlich, mir Hoͤren, Riechen,
Fuͤhlen, Seh’n,
Und, in den Sinnen, Luſt und Dank nicht rauben moͤge!
Daß ich nimmer,
Ohn’ innre Freud’ an GOttes Werken, und mir geſchenktem
Guht, dieß Zimmer
Betreten noch gebrauchen moͤge! Um meine Luſt oft zu
ermeſſen,
Und dieſes Thuͤrmchens Lage, Reiz und Anmuht nimmer zu
vergeſſen,
Soll
U 4
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[311/0329] Das Thuͤrmchen zu Ritzebuͤttel. Mir war, als wenn er zu mir ſpraͤch’: Komm, laß mich dir zu Dienſte ſteh’n, Du kannſt an keinem andern Ort, wie Erde, Luft und Fluht ſo ſchoͤn, Mit groͤßrer Deutlichkeit betrachten. Hier kannſt du ruhig ganz allein, Von aller Hinderniß befreyt, vom Welt-Geraͤuſch entfernet ſeyn. Die Rede druͤckte ſich ſo gleich ſo tief in meine Sin- nen ein, Daß ich, nur bald her ab zu kommen, den Zug in mir verſtaͤrket fuͤhlte, Und von der Zeit mit meinem Denken auf nichts, als Ritze buͤttel, zielte. Jtzt, da ich, nach verſchiednen Faͤllen, GOtt Lob! nunmehro hergekommen, Und die ſo lang’ erſeufzte Stelle bereits ſchon in Beſitz genommen, Hab’ ich zuvoͤrderſt GOtt gedankt, und dank’ Jhm noch, nebſt innerm Fleh’n, Daß die Gewohnheit, wie gewoͤhnlich, mir Hoͤren, Riechen, Fuͤhlen, Seh’n, Und, in den Sinnen, Luſt und Dank nicht rauben moͤge! Daß ich nimmer, Ohn’ innre Freud’ an GOttes Werken, und mir geſchenktem Guht, dieß Zimmer Betreten noch gebrauchen moͤge! Um meine Luſt oft zu ermeſſen, Und dieſes Thuͤrmchens Lage, Reiz und Anmuht nimmer zu vergeſſen, Soll U 4

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/329>, abgerufen am 24.11.2024.